AboAbonnieren

Kommentar

Rettung in Europa
Das Märchen vom kostenlosen Bankentod

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Eine Luftaufnahme zeigt die Hauptsitze der Schweizer Banken Credit Suisse und UBS am Paradeplatz in Zürich.

Eine Luftaufnahme zeigt die Hauptsitze der Schweizer Banken Credit Suisse und UBS am Paradeplatz in Zürich.

Drohen Großbanken zu scheitern, muss der Steuerzahler bereitstehen. Die Lehren der Finanzkrise 2008 haben daran leider nichts geändert – ein Leitartikel.

Ich stand 2008 nördlich des Times Square in New York und habe gesehen, wie Banker von Lehman Brothers ihre Umzugskisten aus dem glänzenden Hochhaus trugen. Am Wochenende habe ich viel an diesen prägenden Moment der vergangenen Finanzkrise gedacht. Auch wenn es Unterschiede zur aktuellen Bankenkrise gibt, habe ich gedacht: „Nicht schon wieder!“

Diesmal spielte sich das Geschehen am Züricher Paradeplatz ab. Und sollten Sie in der luxuriösen Position sein, ein paar Millionen Schweizer Franken bei der Großbank Credit Suisse liegen haben, haben Sie über das Wochenende gezittert. Sie können durchatmen, es ist zu einer Rettung der Bank gekommen. Das Geld in der Schweiz ist weiter sicher!

Aber muss es auch Menschen ohne Franken-Konto jucken, dass am Wochenende UBS und Credit Suisse in einer panischen Rettungsaktion zu einem noch größeren Konzern geschmiedet wurden? Wenn sie lernen wollen, für welche Risiken sie als Steuerzahler so alles haften – dann ja.

Credit Suisse sprengt das Limit – Steuerzahler muss Rettung absichern

Denn die Lehre aus dem knapp vermiedenen Exitus der Credit Suisse ist, dass eine größere Finanzkrise eben doch nur mit Hilfe des Staates eingedämmt werden kann. Alle Versprechen nach der Finanzkrise 2008, dass die kontrollierte Abwicklung von Banken gelingen könne, gelten nur bis zu einer gewissen Größenordnung.

Die Credit Suisse hat das Limit bereits mit 500 Milliarden Euro Bilanzsumme gesprengt. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank hat 1300 Milliarden Euro. Die Schweizer haben trotz Finanzaufsicht windige Geschäfte gemacht und Skandale aneinander gereiht. Der Schweizer Steuerzahler muss jetzt mit mindestens neun Milliarden Franken ins Risiko gehen, um den unkontrollierten Zusammenbruch mit möglicherweise noch höheren Folgekosten zu verhindern. Eine Liquiditätsgarantie der Nationalbank wird gar mit einem dreistelligen Milliardenbetrag geschützt.

UBS und Credit Suisse – notgedrungene Übernahme am Paradeplatz

Und so kommen mit UBS und Credit Suisse zwei Rivalen zusammen, die sich so gut verstehen wie Daimler und BMW, wie Google und Microsoft, wie Gaffel und Reissdorf. Immerhin hat die Schweiz ein Regelwerk, um diese Fusion mit der Brechstange durchzudrücken.

Die Bankenaufseher in aller Welt hatten aus dem Crash von Lehman Brothers die Lehre gezogen, dass die größten Banken der Welt mehr Kapital vorhalten müssen. Damals wurden durchaus Rufe laut, dass die Banken drastisch mehr Eigenmittel vorhalten müssen. Das wurde aber als zu schwierig verworfen zugunsten eines Kompromisses, der weltweite Zustimmung fand. So gab es nur scheibchenweise härtere Auflagen.

Pressekonferenz am späten Sonntagabend (von links nach rechts): Axel Lehmann (l-r), Präsident der Credit Suisse, Colm Kelleher, Präsident der UBS, Karin Keller-Sutter, Finanzministerin der Schweiz, Alain Berset, Bundespräsident der Schweiz, Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Marlene Amstad, Präsidentin der Finanzaufsicht (Finma) und Andre Simonazzi, Kommunikationschef der Schweizer Regierung.

Pressekonferenz am späten Sonntagabend (von links nach rechts): Axel Lehmann, Präsident der Credit Suisse, Colm Kelleher, Präsident der UBS, Karin Keller-Sutter, Finanzministerin der Schweiz, Alain Berset, Bundespräsident der Schweiz, Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Marlene Amstad, Präsidentin der Finanzaufsicht (Finma) und Andre Simonazzi, Kommunikationschef der Schweizer Regierung.

Um die neuen Vorgaben zu erreichen, durften Banken unter anderem spezielle Anleihen auflegen – die Credit Suisse im Umfang von 16 Milliarden Euro. Die Papier beinhalten das Risiko, dass sie im Falle einer heftigen Krise für Investoren komplett verloren sind. Das ist am Wochenende von der Schweizer Finanzaufsicht festgesetzt worden. Und das ist gut so.

Jetzt stellt sich zwar die Frage: Wer hat die Papiere gehalten? Wie wirkt sich das auf vergleichbare Papiere andere Banken aus? Gibt es einen Ansteckungseffekt?

Wer dieses Risiko des Totalverlusts für wenige Prozent Rendite eingegangen ist, muss jetzt völlig zurecht dafür geradestehen. Es bleibt zu hoffen, dass die Banken die Credit-Suisse-Papiere nicht unbedarften Anleger angedreht hatten. Zumindest hatten Kreditbewertungsagenturen die Spezialanleihen recht kritisch bewertet – ein deutlicher Fortschritt gegenüber 2008!

Für die restliche Bankenwelt wird die Schweizer Bankenrettung eine Diskussion über neue Versicherungsregeln und schärfere Vorgaben für Großbanken nach sich ziehen. Gleichzeitig wird aber auch nur Transparenz helfen: Die letzte Rettungslinie bildet immer der Steuerzahler.