AboAbonnieren

Umstrittene Bayer-TochterWie Monsanto eine Kritikerin unter Druck setzte

Lesezeit 6 Minuten
329E1200049EF47A

Der Bayer-Sitz in Leverkusen

  1. Carey Gillam gilt als eine der ärgsten Kritikerinnen Monsantos.
  2. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegen interne Monsanto-Unterlagen vor, die die Pläne gegen Gillam belegen.
  3. Monsanto leitete sogar seine Kunden dazu an, gegen Gillam vorzugehen.

Köln – Monsanto gehört zu den umstrittensten Unternehmen der Welt. Das wusste der Bayer-Vorstand, als der Leverkusener Konzern sich 2016 anschickte, den US-Hersteller von Agrochemie und Saatgut und größten Produzenten des weltweit meistgenutzten Pflanzengifts Glyphosat zu übernehmen. Seit Abschluss des 57-Milliarden-Euro-Deals im Jahr 2018 betont auch Bayer-Chef Werner Baumann immer wieder, der schlechte Leumund der Tochter sei nie ein Geheimnis gewesen.

Der Umgang mit Kritikern hat erheblich dazu beigetragen, dass Monsanto einen überaus schlechten Ruf besitzt. Erst im Mai dieses Jahres wurde bekannt, dass Monsanto 2016 von einer PR-Agentur Journalisten und Politiker in sieben Ländern in Listen erfassen ließ und sie danach kategorisierte, ob man sie von den eigenen Ansichten zu Glyphosat und Gentechnik überzeugen könne. So wurden der Leverkusener Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach und die ehemalige Umweltministerin Barbara Hendricks (beide SPD) in der deutschen Kritiker-Liste geführt.

Interne Dokumente und E-Mails

In einem Prozess im US-Bundesstaat Kalifornien um den Vorwurf, die Glyphosat-haltigen Unkrautvernichter Monsantos der Marke Roundup hätten bei den Klägern Krebserkrankungen verursacht, sagte der vorsitzende Richter Vince Chhabria im März dieses Jahres: „Obwohl die Beweise, dass Roundup Krebs verursacht, nicht eindeutig sind, gibt es starke Beweise, die eine Jury zu dem Schluss kommen lassen könnte, dass Monsanto sich nicht darum kümmert, ob ihr Produkt tatsächlich Krebs bei Menschen verursacht und sich stattdessen darauf konzentriert, die öffentliche Meinung zu manipulieren und jene zu entwerten, die ernsthafte und legitime Bedenken äußern.“

Carey Gillam

Carey Gillam gilt als eine der entschiedensten Glyphosat-Kritikerinnen.

Die US-Amerikanerin Carey Gillam gehört zu jenen Bedenkenträgern, die ins Visier von Monsanto gerieten. Das zeigen interne Dokumente und E-Mails Monsantos, die die Klägeranwaltskanzlei Baum, Hedlund, Aristei & Goldman bei Prozessvorbereitungen erhalten hat.

Die Monsanto-Unterlagen liegen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Sie wurden von Klägeranwälten, die in Gerichtsverfahren auf Millionen-Dollar-Zahlungen von oder Milliarden-Dollar-Vergleiche mit Bayer aus sind, gezielt ausgewählt und können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Die Auswahl gibt jedoch einen Einblick in die Strategie des Unternehmens, sich gegen Kritik zu wappnen und belegt Versuche, die Glaubwürdigkeit der Urheber zu untergraben. Ihr Inhalt liefert zudem eine Erklärung dafür, warum unabhängige Personen wie Richter Chhabria an der Aufrichtigkeit Monsantos zweifeln.

Nicht unumstritten

Carrey Gillam ist in ihrer aktuellen Position nicht unumstritten: Seit 2015 arbeitet sie für US Right To Know, eine Organisation, die vor allem von der Organic Consumers Association (OCA) finanziert wird. Die OCA setzt sich gegen konventionelle Landwirtschaft ein, fordert deren Deindustrialisierung und führt Kampagnen gegen Gentechnik durch. US Right To Know indes setze sich für „Wahrheit und Transparenz in Amerikas Lebensmittel-System“ ein, heißt es auf der Webseite der Organisation. Unter Kritikern gelten Mitglieder der Gruppe aber vor allem als lautstarke Anti-Glyphosat-Aktivisten – und Carey Gillam als eine der ärgsten Kritikerinnen von Monsanto und dessen Produkten.

Bevor sich die 56-Jährige aber bei US Right To Know gegen Glyphosat positionierte, arbeitete sie 17 Jahre lang als Journalistin bei Reuters – für die Nachrichtenagentur berichtete sie regelmäßig über Gentechnik, Landwirtschaft, Pestizide und auch Monsanto. Was sie dort über das Unternehmen schrieb, missfiel den Verantwortlichen bei Monsanto häufig. In einer der nun aufgetauchten E-Mails aus dem Jahr 2015 schreibt ein Monsanto-Angestellter an Kollegen, sie litten gemeinsam unter den „Carey-Kopfschmerzen“ und weiter: „Wir werden weiter bei jeder Gelegenheit stark auf ihre Redakteure einwirken. Und wir hoffen wirklich auf den Tag, an dem sie versetzt wird.“

Auftraggeber kontaktiert

Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet Gillam, dass es nicht bei der Ankündigung blieb: „Monsanto machte bei jeder Gelegenheit Druck.“ Es sei dabei nie darum gegangen, dass Teile von Geschichten falsch gewesen seien: „Das Problem war immer, dass das Unternehmen nicht wollte, dass ich Kritikerstimmen in meine Geschichten aufnehme.“ Monsanto habe damit gedroht, der Journalistin den Zugang zu Monsanto-Managern zu verwehren, sagt Gillam: „Der Sinn dieser Belästigungen bestand darin, mich zu ermüden, damit ich mich lieber mit ihren Beschwerden beschäftige als weiter Geschichten zu schreiben, die ihnen nicht gefallen würden.“

Auch Gillams andere Auftraggeber seien von Monsanto kontaktiert worden, sagt sie: „Monsanto hat sich mit jedem Medium in Verbindung gesetzt, für das ich einen Artikel geschrieben habe, damit meine Geschichten nicht veröffentlicht werden.“ Gillams Aussagen lassen sich heute nicht mehr überprüfen, die Mail aus den Reihen Monsantos zeugt jedoch vom tatsächlichen Druck auf Gillams Kollegen bei Reuters.

Das könnte Sie auch interessieren:

Belegen lässt sich auch Monsantos Reaktion auf Gillams Pläne, ein Buch über Monsanto zu veröffentlichen – die 56-Jährige war damals bereits seit bald zwei Jahren bei US Right To Know beschäftigt. Vor dem Erscheinungsdatum von „Whitewash“ im Oktober 2017 legte der Konzern einen Aktionsplan auf, um Gillams Kritik an seinem Geschäft möglichst effektiv zu kontern. Dazu gehörten übliche Werkzeuge von Pressestellen und PR-Beratern, wie beispielsweise die Vorbereitung von Statements für den Fall von Medienanfragen. Darüber hinaus sollten eigens für diesen Zweck angelegte Webseiten mit Informationen zu Carey Gillam angezeigt werden, wenn jemand in einer Suchmaschine „Monsanto Glyphosate Carey Gillam“ eingeben würde. Wer heute „Glyphosat“ googelt, findet schnell eine Bayer-Webseite mit der Überschrift: „Ist Glyphosat wirklich gefährlich?“ Jedes Unternehmen ist auf Deutungshoheit über sein Geschäft aus, das ist nicht ungewöhnlich.

Monsantos Reaktion auf Gillams Buch ging jedoch deutlich weiter: Das Unternehmen plante, Kunden aus Industrie und Landwirtschaft beim Schreiben von Buchrezensionen anzuleiten und ihnen Stichpunkte dafür zu liefern. Das geht aus dem Entwurf für einen Aktionsplan vom 11. September 2017 hervor. Und tatsächlich hagelte es kurz nach Veröffentlichung auf Amazon jede Menge negative Kritiken, die sich in ihrer Wortwahl und Argumentation ähneln.

„Gezielt herausgepickt“

„Keines der Dokumente, die von den Klägeranwälten gezielt herausgepickt wurden, widerspricht den umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Schlussfolgerungen führender Gesundheitsbehörden, wonach glyphosatbasierte Herbizide bei sachgerechter Anwendung sicher sind und Glyphosat nicht krebserregend ist“, teilte Monsantos Konzernmutter Bayer auf Anfrage dieser Zeitung mit: „Stattdessen zeigen sie, dass die Aktivitäten von Monsanto angesichts erheblicher Desinformation einen fairen, korrekten und wissenschaftsbasierten Dialog über das Unternehmen und seine Produkte sicherstellen sollten. Dies beinhaltete auch eine Reaktion auf ein Buch, dessen Autorin schon häufig Kritik an Pflanzenschutzmitteln und der Grünen Gentechnik geübt hat.“

Bayer nehme die Sicherheit seiner Produkte und seine Reputation sehr ernst und arbeite „daran, dass jeder – von Regulierungsbehörden über unsere Kunden bis zu anderen Stakeholdern – über präzise und ausgewogene Informationen verfügt, um Entscheidungen bezüglich unserer Produkte zu treffen“, heißt es im Statement der Leverkusener.