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Ergebnisse zur Vier-Tage-Woche„Menschen beginnen, ihre Zeit sinnvoll zu füllen“ – Initiator des Pilotprojekts im Interview

Lesezeit 5 Minuten
Auf einer Mappe steht «The 4-Day-Week in Germany».

Die Bilanz des Pilotprojekts zur Vier-Tage-Woche in Deutschland wurde bei der Landespressekonferenz in Düsseldorf vorgestellt.

Ein deutschlandweiter Test der Vier-Tage-Woche zeigt, dass eine kürzere Arbeitszeit Stress reduziert, Angestellte zufriedener macht und die Arbeit erleichtert.

Studien zeigen, dass eine Vier-Tage-Woche den Angestellten in die Karten spielt: Sie sind zufriedener, haben weniger Stress und mehr Spaß bei der Arbeit. Um den Beweis zu erbringen und Unternehmen die positiven Seiten der Arbeitszeitverringerung aufzuzeigen, hat Carsten Meier von der Beratungsfirma Intraprenör gemeinsam mit der Universität einen Modellversuch initiiert. Im Interview spricht der Start-up-Gründer über die Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Effizienz in Unternehmen und die kreative Verteilung von Arbeitszeit.

Herr Meier, die Ergebnisse der ersten deutschen Pilotstudie zur Vier-Tage-Woche liegen vor. Was lief in Deutschland anders als bei früheren Tests im Ausland?

Ein großer Unterschied ist, dass unser Partner, die Universität Münster, viel Wert auf wissenschaftliche Qualität gelegt hat. Es gibt Kontrollgruppen, objektive Daten und einen im Detail ausgearbeiteten wissenschaftlichen Bericht. Dadurch entsteht eine Differenzierbarkeit, die ich bei anderen Studien im Ausland manchmal vermisst habe. Das führt aber auch dazu, dass wir nicht nur positive Zahlen veröffentlichen, sondern in manchen Punkten zurückhaltender sind.

Sie haben beispielsweise keine Hinweise auf ein umweltbewussteres Verhalten oder eine deutliche Reduzierung der Krankheitstage gefunden, die sich in anderen Studien gezeigt hat.

Natürlich haben sich die Fehlzeiten seit Januar verändert. Anhand der Kontrollgruppe ohne Vier-Tage-Woche erkennen wir aber, dass es sich hier um einen saisonalen Effekt handeln könnte. Beide Gruppen haben weniger Krankheitstage im Sommer. Daraus leiten wir nicht ab, dass das eine Folge der Vier-Tage-Woche ist. Hier können wir nur einen möglichen langfristigen Effekt prognostizieren.

Sie kommen aber zu dem Ergebnis, dass Beschäftigte mit einer Vier-Tage-Woche eine halbe Stunde pro Woche länger schlafen und insgesamt zufriedener sind. Woran liegt das?

Wir sehen objektiv anhand der Fitnesstracker-Daten, dass die Vier-Tage-Woche Stress reduziert und Menschen sich mehr bewegen. Meine Interpretation ist: Wir haben unser Leben stark auf Arbeit ausgerichtet. Viele Dinge, die aber auch zum Leben gehören, haben in einer Fünf-Tage-Woche weniger Platz: Hobbys, Sport, Freunde, Familie. Menschen mit einer Vier-Tage-Woche füllen die freie Zeit wieder sinnvoll und erleben eine höhere Lebenszufriedenheit. Davon profitiert auch die Gesundheit in hohem Maße. Nicht, weil die Arbeit leichter oder langsamer geworden ist. Sondern weil Menschen mehr Zeit mit Dingen verbringen können, die ihnen auch wichtig sind.

Könnte es sich bei diesen Effekten nicht um kurzfristige Reaktionen handeln, die mit der Zeit nachlassen?

Sechs Monate sind ein zu kurzer Zeitraum, um dauerhafte Effekte zu sehen. Das ist richtig. Aber irgendwo müssen wir ja anfangen. Viele Unternehmen testen die Vier-Tage-Woche auch nach der Pilotphase weiter. Die Universität Münster wird diese Firmen weiter begleiten, damit wir dann auch zu mittel- und langfristigen Effekten aussagefähig sind. Schon jetzt zeigen sich aber Ergebnisse, die man veröffentlichen und über die man diskutieren kann.

Diskutiert wird häufig, wie viel Effizienzsteigerung in den Unternehmen überhaupt möglich ist und welche Belastungen das möglicherweise mit sich bringt. Wie sind die Teilnehmer der Studie damit umgegangen?

Wir haben mit den Unternehmen nach typischen Zeitfressern gesucht. Das sind bei Bürojobs häufig die fehlende Fokussierung von Meetings und ihre hohe Frequenz. Ein anderes Thema ist Digitalisierung, also die Frage, welche Aufgaben durch digitale Werkzeuge besser umgesetzt werden können. Das nimmt viel Arbeitszeit weg.

Ein drittes Beispiel sind Fokuszeiten. Die hohe Ablenkbarkeit und ständige Erreichbarkeit, die heute verbreitet ist, führt nicht dazu, dass wir besser arbeiten. Daher führen viele Unternehmen Zeiten ein, an denen die Angestellten konzentriert und ablenkungsfrei arbeiten können.

Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wird häufig als unrealistische Wunschvorstellung kritisiert. Tatsächlich hat die Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen ihre Arbeitszeit um weniger als 20 Prozent reduziert. Haben die Kritiker also recht?

Die Herausforderung bei der Diskussion ist, dass manche Firmen in Deutschland 40 Stunden auf vier Arbeitstage verteilen und das Vier-Tage-Woche nennen. Andere sagen, die einzig echte Vier-Tage-Woche ist eine Reduzierung der Arbeitszeit um 20 Prozent bei vollem Gehalt. Meine Antwort ist eher: Es kommt darauf an. Geht es nicht um die passende, flexible Lösung für das jeweilige Unternehmen? Da brauchen wir mehr Offenheit.

Warum sollten wir bei einer Arbeitszeit von im Schnitt 34,7 Wochenstunden der Studienteilnehmer von einer Vier-Tage-Woche sprechen?

Die große Mehrheit hat bewusst einen freien Tag gewählt, weil sie einen positiven Effekt darin sieht. Die prozentuale Arbeitszeitreduzierung unterscheidet sich aber. Und das sehe ich positiv. Es gibt kein starres Modell, das den Erfolg bringt. Erfolgreich ist ein Modell, das zum Unternehmen, den Mitarbeitern und ihren Kunden passt. Wenn ein Unternehmen 36 Stunden auf vier Tage verteilt und damit gut fährt, finde ich das eine super Sache. Ich glaube an eine signifikante Arbeitszeitreduktion bei gleichem Lohn.

Das muss aber nicht heißen, dass ein Modell der Vier-Tage-Woche besser ist als das andere. Das muss jedes Unternehmen selbst gestalten. Man kann am Ende viele Labels darauf schreiben. Hauptsache, wir machen uns überhaupt Gedanken darüber, wie wir Arbeitszeit neu gestalten können.

Aber wie sinnvoll ist das von Ihnen verwendete Label Vier-Tage-Woche, wenn dann doch immer mal wieder am fünften Tag gearbeitet wird?

Die Studie hat gezeigt, dass der fünfte Tag eher die Ausnahme ist. Es gab einen Teil von Unternehmen, die das zwischendurch gemacht haben. Es gab aber auch ganz unterschiedliche Ausgangslagen der verschiedenen Firmen und Branchen. Manchen fiel es schwerer, sich strikt an einen komplett freien Tag zu halten. Sie haben das mit der Zeit entweder besser hinbekommen oder die Möglichkeit aufrechterhalten, aus Gründen der Flexibilität sporadisch auch mal zum Beispiel eine halbe Stunde am freien Tag zu arbeiten.

Für mich ist das aber eine positive Bilanz, weil ich sehe: Da sind viel Kreativität und Freiheit in dem Thema. Das wäre auch meine ausgestreckte Hand an die Kritiker: Wir können hier gemeinschaftlich für neue, kreative Arbeitszeitmodelle werben und nicht ein starres Modell durch ein anderes starres Modell tauschen. (rnd)