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Deutz bis RheinmetallDie Rüstungsbranche im Rheinland wächst rasant – Wer dabei profitiert

Lesezeit 6 Minuten

Aus Arnsberg kommen Drohnen, aus Köln die Uniform und aus Remscheid die Ketten für Panzer.

In Köln wird ein neuer Panzer entwickelt. Wir erklären, wer im Rheinland und NRW bereits in dem Bereich arbeitet oder zuliefert.

Die deutsche Rüstungsbranche erlebt derzeit einen enormen Aufschwung – und auch Köln ist dabei. Besser gesagt: Köln-Mülheim. Gerade erst wurde bekannt, dass das neue Kampfpanzer-System Main Ground Combat System (MGCS) der Bundeswehr hier entwickelt wird. Ein deutsch-französisches Konsortium steckt dahinter: der Waffenhersteller KNDS, der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall und die französische Thales-Gruppe. Rund 50 Beschäftigte, vor allem Ingenieure, werden demnächst in Köln arbeiten.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine 2022 hat sich die wirtschaftliche Lage für die gesamte Branche deutlich verbessert. Die Auftragsbücher sind für die nächsten Jahre gut gefüllt, Umsätze und Gewinne verzeichnen teils Rekordzuwächse und die Aktien der Unternehmen liegen mittlerweile auch bei privaten Anlegern hoch im Kurs. Und mit der veränderten Bedrohungslage und dem Wunsch nach mehr Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit hat sich auch das Image der Waffenschmieden deutlich verbessert.

Rheinmetall erhält 20.000 Bewerbungen pro Monat

Lange Zeit galten Rüstungsjobs fast schon als gesellschaftliches Tabu – inzwischen verzeichnen Verteidigungsunternehmen allerdings nicht nur einen wirtschaftlichen Aufschwung, sondern gewinnen auch als Arbeitgeber an Ansehen. Die Suchanfragen für Jobs in der Rüstungs- und Verteidigungsindustrie sind seit der Bundestagswahl enorm nach oben geschossen, zeigen aktuelle Zahlen des Portals Indeed. Im ersten Quartal 2025 haben sich die Suchanfragen zwischenzeitlich verdreifacht.

Seit der Bundestagswahl haben sich die Suchanfragen für offene Stellen in der Rüstungsindustrie auf der Plattform Indeed mehr als verdreifacht.

Seit der Bundestagswahl haben sich die Suchanfragen für offene Stellen in der Rüstungsindustrie auf der Plattform Indeed mehr als verdreifacht.

Der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall spürt diesen Trend an der Zahl der Bewerbungen. Sie hätten sich „enorm erhöht“, sagt ein Sprecher. „Im kompletten Jahr 2024 hatten wir alleine in Deutschland 175.000 Bewerbungen. Diesen Januar und Februar waren es pro Monat schon jeweils 20.000 – wenn man das hochrechnet, kommt man auf weit über 200.000 Bewerbungen am Jahresende“, so der Sprecher. Rheinmetall stockt eigenen Angaben zufolge jedes Jahr sein Personal auf, in diesem Jahr sollen 6000 Stellen dazukommen. Zu tun gibt es genug: Der Auftragsbestand alleine von Rheinmetall liegt bei 60 Milliarden Euro – und wo mehr Arbeit zu leisten ist, braucht es mehr Personal.

Die Thales-Gruppe, die an der Kölner MGCS Project Company GmbH beteiligt ist, verzeichnet an seinen zehn deutschen Standorten ebenfalls ein steigendes Interesse von Bewerbern: „Im ersten Quartal 2025 hatten wir rund 65.000 Zugriffe auf unsere deutsche Karrierewebseite und rund 3000 Bewerbungen pro Monat. Wenn man die Zahlen mit denen vor dem Krieg in der Ukraine vergleicht, ist das in beiden Fällen eine Zunahme von rund 30 Prozent“, sagt ein Sprecher.

Verteidigung profitiert von der Schwäche der Autoindustrie

Dass Firmen wie Rheinmetall und Thales bei Bewerbern so beliebt sind, liegt auch an einem veränderten Mindset. Viele Menschen beschäftigen sich mehr mit dem Thema nationale Sicherheit. Rheinmetall-Sprecher Oliver Hoffmann ist häufig in den Werken unterwegs und berichtet: „Das spüren wir auch bei den Beschäftigten, sie sagen teilweise: Ich bin froh, dass ich etwas für die Sicherheit unseres Landes tun kann.“ Das bestätigt auch das Softwareunternehmen Systematic, das im Kölner Rheinauhafen IT-Systeme für das Militär entwickelt. „Bewerber, die bislang nicht im Verteidigungsbereich gearbeitet haben, zeigen deutlich mehr Interesse daran“, sagt ein Sprecher.

Die Verteidigungsbranche ist auch deshalb gerade so attraktiv, weil andere Industrien schwächeln, allen voran Automobil. Hier spüren die Beschäftigten, dass die sicher geglaubten Perspektiven bröckeln. Die Verteidigungsbranche lockt nicht nur mit Sicherheit, sondern auch mit Erfolgsbeteiligungen, etwa in Form von Boni oder Aktienprogrammen.

Wer in der Verteidigungsbranche arbeiten will, hat im Rheinland und Nordrhein-Westfalen viel Auswahl. Zwar liegen Baden-Württemberg und Bayern bundesweit bei der Produktion von Rüstungsgütern noch vor NRW, allerdings fahren auch die NRW-Konzerne ihre Produktion hoch, erweitern Standorte oder eröffnen neue.

Rheinmetall plant grundlegende Veränderungen in Neuss

Rheinmetall ist nach wie vor das absolute Branchenschwergewicht in NRW. Der Rüstungsriese fertigt Panzerfahrzeuge, Artillerie, Militär-Lastwagen, Flugabwehr, Drohnen und Munition. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz auf rund 9,8 Milliarden Euro, das war ein Plus von 36 Prozent. Das operative Ergebnis schnellte um 61 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro in die Höhe und war damit so hoch wie noch nie in der Firmengeschichte.

An seinem Standort in Neuss plant der Konzern nun grundlegende Veränderungen. Bislang entwickeln und fertigen die 1500 Mitarbeiter Komponenten für die Autoindustrie und die Wasserstoffbranche. Teile von ihnen arbeiten bald für die Verteidigungssparte. „Es kann durchaus sein, dass wir noch mehr Werke umwandeln“, sagte der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger jüngst bei der Vorlage der Bilanz.

Armin Papperger, Vorstandvorsitzender der Rheinmetall AG, steht nach der Bilanzpressekonferenz hinter einem Modell einer Lockheed Martin F-35A in der Konzernzentrale in Düsseldorf. Rheinmetall liefert in Kooperation mit Northrop Grumman den Rumpfmittelteil.

Armin Papperger, Vorstandvorsitzender der Rheinmetall AG, steht nach der Bilanzpressekonferenz hinter einem Modell einer Lockheed Martin F-35A in der Konzernzentrale in Düsseldorf. Rheinmetall liefert in Kooperation mit Northrop Grumman den Rumpfmittelteil.

Am Flughafen Weeze startet Rheinmetall voraussichtlich im Juli die diffizile Produktion des Mittelrumpfteils des Kampfjets F-35 im Auftrag von Lockheed Martin. Die US-Amerikaner haben ihre eigene Produktionskapazität voll ausgeschöpft bei stetig steigender Nachfrage aus dem eigenen Land und von internationalen Kunden wie Deutschland, das die Maschine für seine Bundeswehr bestellt hat. Die in NRW hergestellten Flugzeugteile, in denen unter anderem die Waffensysteme untergebracht werden, werden dann nach Texas gebracht und dort mit anderen Teilen zum F-35 zusammengesetzt. 400 Rüstungsjobs sind in Weeze entstanden.

Ein weiteres deutsches Schwergewicht ist zweifelsohne Thyssenkrupp mit Hauptsitz in Essen. Das Stahlunternehmen produzierte bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg Waffen. Heute ist die Marine-Sparte mit dem Bau von U-Booten sowie Kriegsschiffen der größte Rüstungsbereich. Allerdings möchte sich der Konzern von dem Segment trennen.

Deutz will stärker in Rüstungsgeschäft einsteigen

Interesse wurde dabei dem Kölner Motorenbauer Deutz nachgesagt. Der Traditionskonzern möchte künftig stärker als bislang in den Rüstungsbereich einsteigen. „Für uns ist Defence ein sehr wichtiger und interessanter Markt mit großem Wachstumspotenzial“, sagte Vorstandschef Sebastian Schulte vor einigen Wochen bei Vorlage der Bilanz. Infrage kommt die Lieferung von Motoren für kleine und mittlere Militärfahrzeuge sowie Radpanzer, nicht aber Hauptmotoren für schwere Kampfpanzer mit Ketten. Im laufenden Geschäftsjahr werde man mit Defence voraussichtlich einen Umsatz im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich machen, prognostizierte Schulte.

Ein weiterer Rüstungsstandort in NRW liegt in Remscheid. Hier baut das Konsortium KNDS mit 320 Beschäftigten Panzerketten sowohl für die deutsche Panzerhaubitze 2000, die derzeit auch in der Ukraine eingesetzt wird, als auch für Modelle der US-Armee.

Airrobot aus Arnsberg hat sich auf militärische Drohnen spezialisiert und ist Lieferant der Bundeswehr. Die Mikro-Aufklärungsdrohnen der Firma aus dem Sauerland wurden in Afghanistan eingesetzt. Laut Bundeswehr kamen sie auch bei der UN-Mission in Mali zum Einsatz. Vor wenigen Wochen übernahm der bayerische Drohnenhersteller Quantum System Airrobot.

In Troisdorf stellt Dynitec militärische Zünder für Torpedos, Handgranaten und Raketen her. Auch Munition gehört zum Sortiment. Die Troisdorfer Zündmittel werden auch in der Ukraine eingesetzt.

Aus Italien hat sich das Unternehmen Elettronica in Meckenheim bei Bonn angesiedelt. Der Konzern stellt vor allem Geräte zur elektronischen Kriegsführung her. Dazu gehören etwa Störsender und Sensoren.

Im Gewerbegebiet in Köln-Gremberghoven sitzt außerdem die Bw Bekleidungsmanagement GmbH. Dahinter verbirgt sich ein Unternehmen des Verteidigungsministeriums. Dessen Aufgabe ist die Versorgung von rund 250.000 Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr mit Bekleidung und persönlicher Ausrüstung. Das reicht von Uniformjacken über Kopfbedeckungen und die Ausrüstung für Sondereinsätze bis zu ABC-Schutzmasken.