Donald Trumps angekündigte Strafzölle könnten die deutsche Wirtschaft in eine lang anhaltende Rezession reißen. Vor allem Schlüsselbranchen würde es heftig treffen.
Wahlsieg von Donald TrumpWorauf sich deutsche Unternehmen jetzt einstellen (müssen)
Die Hiobsbotschaft ist zugestellt. Donald Trump hat die US-Wahl gewonnen. Lässt der Republikaner seine im Wahlkampf angekündigten Importzölle für europäische Produkte Realität werden, würde er vor allem der exportorientierten deutschen Wirtschaft einen schweren Schlag versetzen.
Entsprechend ist die Stimmung in der deutschen Wirtschaft am Morgen nach dem Wahlschock. Von einem sehr, sehr schwierigen Ergebnis ist die Rede. Mit dem Sieg Trumps sei alles in Gefahr, was man in vier Jahren Biden-Präsidentschaft mühsam aufgebaut habe, sagte ein Wirtschaftsvertreter. Trump stelle die gesamte Welthandelsordnung in Frage.
Für Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), ist klar: „Schon heute können sich Unternehmen auf einen teuren Handelskrieg einstellen.“ Dieser wird Deutschland nach IW-Berechnungen in den kommenden vier Jahren die gigantische Summe von bis zu 180 Milliarden Euro kosten. Was zusätzlich auf die hiesige Wirtschaft noch zukomme, wisse „bei der Wundertüte Trump“ niemand, so der Ökonom. Hüther macht sich keine Illusionen: „Es wird nicht bei der einen Hiobsbotschaft bleiben, mit positiven Überraschungen rechnet niemand.“
USA: Wichtig für Schlüsselindustrien
Dramatisch kann es in der nahen Zukunft werden, weil just in den vergangenen beiden Jahren der US-Markt für die deutsche Exportwirtschaft deutlich an Bedeutung gewonnen hat – zumal es mit China an immer mehr Stellen hakt und die Handelsvolumina sinken. Zuletzt hatte sich die Lage durch den Streit um EU-Strafzölle auf chinesische Autos noch einmal verschärft.
Im ersten Halbjahr waren die USA Deutschlands wichtigster Handelspartner überhaupt und insbesondere für die Chemie- und Pharmabranche, die Maschinenbauer und die Automobilindustrie ein wichtiger Exportmarkt. Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten lagen zuletzt in Euro gerechnet um ein Drittel höher als in der Vor-Pandemie-Zeit. Unternehmen aus Schlüsselindustrien erreichten „kräftige zweistellige Zuwachsraten“, so die Berechnungen des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK.
Chemiebranche hofft auf gutes Verhältnis zu Trump
Offiziell setzt die Wirtschaft auf Verständigung. „Ich hoffe, dass unter Präsident Trump die guten transatlantischen Beziehungen Bestand haben werden“, sagt Markus Steilemann, Präsident des Verbandes des Chemischen Industrie (VCI). Inoffiziell allerdings stellen sich die Unternehmen auf stürmische Zeiten ein.
Im Wahlkampf lautete Trumps zentrale Aussage zur Wirtschaftspolitik: 60 Prozent Strafzollzuschlag auf alles aus China. Für Importe aus dem Rest der Welt forderte der Republikaner „Tariffs“ von mindestens 10 Prozent, womöglich sogar 20 Prozent. Letzteres halten viele Experten für die wahrscheinlichere Variante. Der deutschen Industrie drohten „herbe Rückschläge“, betont IMK-Direktor Sebastian Dullien: „Wenn Trump alle seine Zollpläne umsetzt, würde das für Deutschland eine neue Rezession bedeuten.“
Wobei aus Dulliens Sicht allein die Möglichkeit der Einfuhraufschläge schon genügt, um die Unsicherheit für hiesige Unternehmen weiter zu erhöhen und die ohnehin schon maue Investitionstätigkeit weiter zu dämpfen. Das werde in den kommenden Monaten an den Aufträgen für den Maschinenbau sichtbar werden.
Strafzölle als Vergeltung für Strafzölle
Die IMK-Experten haben eine Simulationsrechnung erstellt, die scharf gestellte Zölle antizipieren soll. Das Ergebnis: Die deutsche Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in den ersten beiden Jahren nach Einführung um gut ein Prozent niedriger ausfallen als ohne eine Eskalation im transatlantischen Handel. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Kalkulationen des IW. Dabei wird unterstellt, dass die Europäische Union eine bereits im Sommer entworfene Gegenstrategie umsetzt: Die Europäer kontern mit gleichwertigen Zöllen. Das deutsche BIP würde am Ende einer Amtszeit von Donald Trump um 1,5 Prozent niedriger ausfallen, so das Fazit.
Allerdings würden nicht nur Deutsche und Europäer leiden. Fachleute sind sich sicher, dass ein Handelskrieg auch für die Amerikaner schmerzhaft würde. Ein Gegenschlag schade den USA mehr als der EU und könne so für Trump eine abschreckende Wirkung entfalten, glaubt Thomas Obst vom IW.
Das IMK geht ebenfalls davon aus, dass „Tariffs“ jenseits des Atlantiks das Wachstum empfindlich dämpfen könnten. Eingeführte Produkte würden teurer, Konsumenten müssten tiefer in die Tasche greifen, die Kaufkraft der privaten Haushalte würde sinken, die Inflation steigen. Was wiederum die US-Notenbank dazu veranlassen könnte, einen restriktiveren Kurs einzuschlagen, der die Konjunktur zusätzlich belasten würde.
Möglicher Einbruch der US-Wirtschaftsleistung
Die Kaskade könnte sogar noch deutlich weiter reichen, sie würde nämlich auch die Handelspartner der Vereinigten Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent treffen. Und es kämen chinesische Konterschläge in Form von Zöllen auf US-Exporte nach China hinzu, was die stärksten Auswirkungen auf die Ökonomie in Trumps Heimatland hätte. Das IMK hält es für möglich, dass dann das US-Bruttoinlandsprodukt Ende 2025 um etwa 4 Prozent einbricht. Ein Jahr später könnte es sogar ein Minus von knapp 5 Prozent geben.
Trump will mit einer Verteuerung der Einfuhren die in den USA gefertigten Waren für die Kundschaft attraktiver machen. Die IMK-Forscher gehen davon aus, dass dieser Effekt tatsächlich eintreten kann. Allerdings müssten die US-Bürger für ihren Konsum dann tiefer in die Tasche greifen – was das amerikanische Wachstum bremsen würde.
Trump dürfte auf Gegenstrategien europäischer Firmen spekulieren, um diesen Effekt abzumildern. „Die deutschen Unternehmen werden – je nach Abhängigkeit vom US-Markt und den eigenen Möglichkeiten – sicherlich über eine weitere Produktionsverlagerung in Richtung USA nachdenken“, sagt Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. Für den ohnehin angeschlagenen Wirtschaftsstandort Deutschland würde die Lage dadurch nicht einfacher.
Was tun? Chemie-Präsident Steilemann fordert, dass die Handelsbeziehungen der EU und Deutschlands „weiter diversifiziert“ werden – mit neuen Freihandelsabkommen und Partnerschaften.
Die Europäische Union müsse sich „mit dem heutigen Tag bewegen“, betont auch IW-Chef Hüther. Es sei mittlerweile nicht mehr vermittelbar, dass es etwa bei einer Vereinbarung mit den Mercosur-Staaten nicht weitergehe. Ferner sei für das „anhaltende Kreisen der Ampel um sich selbst“ keine Zeit mehr. Und er fragt rhetorisch: „Welchen besseren Anstoß könnte es geben, um endlich etwas für die Standortqualität zu tun?“
IMK-Ökonom Dullien zielt derweil in eine andere Richtung und fordert „ein großes Investitionsprogramm und eine industriepolitische Antwort auf die Politik der USA und Chinas“.
Dass dieser Wahltag die deutschen Unternehmen noch lange beschäftigen wird, daran zweifelt niemand.