Laub, Wurzeln, HöheWann muss der Nachbar seinen Baum fällen oder schneiden?
Ragt ein Baum vom Nachbarn auf das eigene Grundstück, kann man dagegen vorgehen. Denn das sogenannte Nachbarschaftsrecht gibt zum Beispiel vor, wie dicht und wie hoch Sträucher und Bäume an der Grundstücksgrenze sein dürfen.
Diese Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland anders, hier muss man also in das jeweilige Landesnachbarrecht schauen, erklärt Inka-Marie Storm, Referentin für Immobilienrecht beim Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland. Viele Nachbarschaftsgesetze enthalten auch spezielle Vorschriften über Grenzabstände einer Waldbepflanzung zum Grundstück. Auch hier können sich Grundbesitzer zu Wehr setzen.
Aber diese Ansprüche können auch verjähren: Hat man also zu lange schon den ausladenden Strauch an der Grundstücksgrenze hingenommen, hat man keinen Anspruch mehr auf seinen Rückschnitt oder gar die Beseitigung, erklärt Storm. „Häufig sind das fünf Jahre.“
Hat man den Verdacht, der neu gesetzte Baum des Nachbarn kann eines Tages mich in meinem Grundstück belästigen, rät die Rechtsexpertin, einen Experten um Einschätzung zu bitten und frühzeitig seine Ansprüche anzumelden. Und wer neu hinzieht? Dann hat man oft keine Ansprüche mehr, denn die hätte der vorherige Eigentümer gelten machen müssen.
Fällen großer Bäume kann verboten sein
Es kann aber auch sein, dass die Gemeinde das Fällen großer Bäume grundsätzlich untersagt. Gerade in Gegenden mit hoher Besiedlungsdichte stehen Bäume unter einem besonderen Schutz. Gehölze ab einer bestimmten Größe oder einem bestimmten Alter sind dann laut Baumschutzsatzungen zu erhalten. Ob das der Fall ist, weiß die Gemeindeverwaltung.
Geht es aber um einen Baum auf der Straße, der ja der Gemeinde gehört, greift der Paragraf 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Darin heißt es, dass dem Eigentümer eines Grundstückes Beseitigung- oder Unterlassungsansprüche zustehen können, wenn sein Grundstück durch Einwirkungen von Dritten beeinträchtigt wird. Er muss bestimmte Umstände aber auch hinnehmen, wenn die Benutzung des Grundstückes nur unwesentlich beeinträchtigt wird.
So geht auf Paragraf 906 zurück, dass zum Beispiel übermäßiger Laubfall – also Schmutz durch den Baum auf dem einen Rasen – oder Pollenflug grundsätzlich zu dulden ist. „Der Eigentümer eines im Grünen liegenden Grundstückes profitiert ja auch von dieser Lage“, erläutert Storm. „Daher sind die Belastung grundsätzlich auch zumutbar.“ Im Paragrafen ist hier die Rede von „ortsüblicher Benutzung“. Das gilt auch für Bäume vom Nachbarn.
Auch wegen Reparaturen am Haus gibt es schnell Streitigkeiten: Was tun, wenn der Nachbar mich nicht aufs Grundstück lässt? Was Ihr gutes Recht ist, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Der letzte Sturm hat seine Spuren hinterlassen. An der Fassade hat die Wärmedämmung Schaden genommen. Sie muss schnell repariert werden, damit keine Feuchtigkeit eindringt. Doch vom eigenen Grundstück aus kommt der Hausbesitzer nicht an die schadhaften Stellen heran.
Die betroffene Fassade befindet sich direkt auf der Grundstücksgrenze zum Nachbarn. Was tun, wenn dieser zögert, die Nutzung seines Grund und Bodens zu gestatten? „In solchen Fällen können Grundstücksbesitzer bei ihrem Nachbarn das sogenannte Hammerschlags- und Leiterrecht geltend machen“, erklärt Inka-Marie Storm von Haus & Grund. Damit bekommen sie Zutritt zum Nachbargrundstück.
Das Hammerschlagrecht berechtigt zum Betreten des nachbarlichen Grundstücks zur Ausführung von Reparaturen am eigenen Haus. Das Leiterrecht erlaubt, beim Nachbarn eine Leiter oder ein Baugerüst aufzustellen sowie vorübergehend Geräte und Materialen zu lagern.
Das Hammerschlags- und Leiterrecht ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. „Im Prinzip geht es aber immer darum, dass Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten vom Nachbargrundstück aus vorgenommen werden können, wenn es keine andere Möglichkeit gibt“, so Storm. Es muss sich um notwendige Arbeiten handeln, Verschönerungsarbeiten fallen nicht darunter.
Nachbarn die Arbeiten rechtzeitig ankündigen
Die reine Kostenersparnis ist kein ausreichender Grund für die Inanspruchnahme des Hammerschlags- und Leiterrechts. „Gibt es andere Möglichkeiten, die Reparatur auszuführen, müssen diese auch genutzt werden, selbst wenn sie etwas teurer sind“, stellt Sandra Weeger-Elsner vom Verein „Wohnen im Eigentum“ klar. Ein völlig überhöhter Aufwand ist dem betroffenen Bauherren aber nicht zuzumuten. „Wo die Grenze liegt, hängt stark vom Einzelfall ab.“
Um sein Hammerschlags- und Leiterrecht geltend zu machen, muss der Hauseigentümer seinem Nachbarn rechtzeitig anzeigen, welche Arbeiten nötig sind, wann sie beginnen, wie lange sie dauern und welche Beeinträchtigungen sie mit sich bringen. „So kann dieser prüfen, ob er zur Duldung der Arbeiten oder beispielsweise zur Aufstellung eines Gerüsts oder gar zum Einsatz eines Baggers auf seinem Grundstück verpflichtet ist“, sagt Storm. Je nach Bundesland hat er dann zwei Wochen bis zwei Monate Zeit zu entscheiden.
Sagt der betroffene Eigentümer nichts, darf der Nachbar bauen, sofern er sein Anliegen fristgemäß und vollständig angebracht hatte. „Liegt eine ordnungsgemäße Anzeige vor, aber der Empfänger äußert sich nicht dazu, darf der Berechtigte das Nachbargrundstück ohne Weiteres betreten und nutzen, um die Arbeiten auszuführen“, sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. Sie verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (AZ:V ZR 49/12, Randnummer 15).
Anders sieht es aus, wenn der Nachbar die Duldung ablehnt. „Dann darf man keinesfalls auf eigene Faust oder sogar heimlich das Grundstück betreten“, warnt Storm. Das wäre Hausfriedensbruch. Notfalls muss der Eigentümer vor Gericht ziehen.
Der Grundstückseigentümer, der die Reparaturen ausführt, ist verpflichtet, so schonend wie möglich vorzugehen. Um den Nachbarn nicht über Gebühr zu belasten, müssen die Arbeiten auf seinem Grundstück zügig ausgeführt werden.
Bei Bränden oder Überschwemmungen darf ein Hausbesitzer ohne Ankündigung auf das Grundstück seines Nachbarn, um Schäden am eigenen Haus zu verhindern oder zu reduzieren. Dann greift das Betretungsrecht im Notfall. Es wird gern aber unberechtigt auch bei Schäden am eigenen Haus herangezogen, die schon länger bestehen.
„Der Hausbesitzer muss beweisen, dass eine Notsituation bestand, sonst ist das Betreten verboten“, betont Weeger-Elsner. „Ist ein Schaden Folge eines Sanierungsstaus, liegt im Allgemeinen kein Notfall vor. (dpa/tmn)