Chinesische Autobauer drängen auf den deutschen Markt und feiern erste Erfolge – auch dank teils günstigerer Preise.
Modelle auf Kölner StraßenDie Neuen aus dem Reich der Mitte
Sie heißen Tang, Polestar 2, Lynk&Co 01 oder Aiways U5, ihr Design ist futuristisch und sie sind immer häufiger auf Kölns Straßen zu sehen. Autos chinesischer Hersteller drängen verstärkt auf den deutschen und europäischen Markt. Insgesamt rund 29.000 Autos aus dem Reich der Mitte haben im vergangenen Jahr laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) ein deutsches Kennzeichen erhalten.
Das scheint bei insgesamt 2,65 Millionen Neuzulassungen zunächst nicht viel. Branchenexperten gehen aber davon aus, dass sie in den kommenden Jahren den Automarkt deutlich verändern werden – auch, weil sie in Europa auf eine geschwächte Konkurrenz treffen, die mitten in der Transformation hin zur Elektromobilität steckt. Mit der Mobilitätswende werden die Karten nun aber grundlegend neu gemischt.
Noch vor einigen Jahren versagten chinesische Autobauer im Zeitalter der Verbrennertechnologie am Markt mit schlechter Qualität und miserablen Ergebnissen bei Sicherheitstests. Aus den Fehlern wurde gelernt, heute gelten einige Hersteller als Technologieführer mit Kompetenz in Sachen Elektrotechnik, Vernetzung oder autonomem Fahren.
Wenige Varianten wählbar
Eine weitere Stärke sind die günstigen Preise im Vergleich zu den Modelklassen westlicher Hersteller. Hinzu kommt, dass die Ausstattung ähnlich wie bei Tesla oftmals auf wenige Varianten begrenzt ist. Das macht die Produktion einfacher und schneller, was sich teils auch in geringeren Wartezeiten widerspiegelt. Laut der Online-Neuwagenbörse Carwow muss man derzeit mit bis zu 20 Monaten am längsten auf einen E-Audi Q4 warten, auf einen bestellten BMW i4 M50 15 bis 18 Monate. Einen MG Marvel gibt es dagegen schon nach rund sechs Monaten. Beim Spitzenreiter Tesla sind es allerdings nur rund drei Monate.
Zudem verfügen die Autobauer in China über bessere Zugänge zu den Rohstoffen für die Batterie sowie bei Chips über teils besseren Zugriff auf Kapazitäten. Allerdings haben Chinas Autobauer auch noch einige zentrale Probleme beim Markteintritt in Europa. Zum einen sind Vertriebsstrukturen nach wie vor kompliziert. Ebenso der Bereich Wartung und Instandhaltung. Denn mit chinesischen Fabrikaten sei die Mehrzahl der freien Werkstätten hierzulande überfordert, sagen Autoexperten. Die wichtigsten Anbieter im Überblick:
BYD
„Build Your Dreams“, übersetzt: „Mach deine Träume wahr“ ist der Slogan des Unternehmens, das 1995 vom Chemiker Wang Chuanfu als kleine Batterie-Fabrik mit 20 Mitarbeitern in der chinesischen Stadt Shenzhen gegründet wurde. 2003 kam der Gründer auf die Idee, mit den Batterien für Kameras oder Handys auch eigene elektrisch betriebene Fahrzeuge zu bauen. Seit dem Stopp der Verbrennerproduktion im Frühjahr 2022 stellt BYD nur noch Hybride und reine Elektroautos her und gehört inzwischen zu den größten Herstellern von E-Autos weltweit.
In Deutschland werden drei Modelle angeboten: Der kleine SUV Atto 3 startet ab 42.000 Euro. Für den Mittelklasse-SUV Tang werden 72.000 Euro als Grundpreis verlangt. Dieser gilt auch für die Mittelklasse-Limousine Han. BYD kooperiert darüber hinaus mit der Autovermietung Sixt, die 100.000 E-Autos in den kommenden Jahren kaufen will.
SAIC mit der Marke MG
Der 1978 gegründete staatliche Konzern SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) versammelt unter seinem Dach eine Vielzahl von Unternehmen, darunter auch seit 2007 die bekannte britische Traditionsmarke MG. Das Modellangebot besteht aus Elektroautos und einem Plug-in-Hybriden. Dabei handelt es sich um den MG EHS für rund 34.990 Euro. Das Elektro-SUV ZS beginnt bei 37.760 Euro. In der SUV-Mittelklasse gibt es den MG Marvel R ab rund 51.000 Euro. Im Angebot ist zudem der Elektro-Kombi MG5 mit Preisen ab rund 39.900 Euro. Zudem ist der MG4 mittlerweile auf dem Markt ab 33.000 Euro zu haben.
Geely mit den Marken Polestar und Lynk&Co
Das 1986 von Li Shufu als Manufaktur für Kühlschrankteile gegründete Unternehmen Geely (übersetzt: „Glückverheißendes Automobil“) ist heute ein chinesischer Automobil- und Motorradhersteller mit Sitz in Hangzhou. Unter seinem Dach finden sich mittlerweile die Marken Volvo, Polestar, Lotus und Lynk&Co.
Polestar: Einst stand der Name Polestar (Polarstern) für Hochleistungsmodelle von Volvo. Innerhalb des Geely-Konzerns wurde daraus eine Elektroauto-Marke geformt. Der Polestar 2, der sich die Plattform mit Volvo C40 und XC40 teilt, wird in China gebaut. Kaufen kann man den Polestar 2 online oder in Flagship-Stores zu Preisen ab 47.000 Euro. Den Service übernehmen Volvo-Werkstätten. Das erste SUV der Marke ist der Polestar 3, der im Oktober 2022 präsentiert wurde und ab 88.000 Euro kostet.
Lynk: Der Kunstname Lynk & Co gehört ebenfalls zum Geely-Konzern. Zwei Versionen des Lynk & Co 01 werden angeboten, ein Vollhybrid sowie ein Plug-in-Hybrid. Die Ausstattung kann, bis auf eine optionale Anhängerkupplung, nicht gewählt werden, zudem gibt es mit Blau und Schwarz nur zwei Farben im Programm. Er kostet ab 46.000 Euro. Bei Vertrieb und Marketing geht Lynk & Co neue Wege. Die Kunden sollen ihr Auto nicht unbedingt kaufen, sondern eher abonnieren. Abo-Modelle gibt es ab rund 500 Euro im Monat.
Aiways
Das Unternehmen wurde 2017 in Shanghai von Samuel Fu und Gary Gu gegründet. Das chinesische Start-up hat es in Rekordzeit geschafft, mit dem Modell U5 2021 das erste Elektroauto aus China überhaupt auf dem deutschen Markt zu platzieren. Der U5 kostet in der Standardversion vor Förderprämie knapp 40.000 Euro. Das zweite Modell, das SUV-Coupé Aiways U6, ist seit Anfang November 2022 bestellbar. Der Preis startet bei 45.500 Euro. Verkauft werden die Autos über die Elektronikmärkte von Euronics, dort kann man auch Probe fahren. Den Service wiederum übernimmt die Freie Autowerkstätten-Kette A.T.U.