Hohe Bordsteinkanten, kurze Ampelphasen und zu wenig Zebrastreifen: Was Kommunen tun können, um den Fußverkehr flott zu kriegen.
Fehlende Zebrastreifen, zugeparkte GehwegeSind Fußgänger die vernachlässigten Verkehrsteilnehmer?
Zu Fuß geht fast jeder, und das Tag für Tag: Zumindest ein paar Schritte über den Gehweg, der aber oft uneben oder zu schmal ist. Beim Überqueren einer Straße ohne Zebrastreifen, auf der Autos Tempo 50 fahren. Oder an einer Kreuzung mit schlechter Ampelschaltung, sodass die andere Straßenseite kaum bei Grün erreichbar ist. Manchmal sind Gehwege halb zugeparkt, und man muss zwischen Autos und Hauswand hindurch. Pech hat, wer dann einen Kinderwagen schiebt oder im Rollstuhl sitzt. Denn in diesen Fällen geht oft nichts mehr.
„Fußgänger sind heute das, was vor einigen Jahren noch die Radfahrer waren: vernachlässigte Verkehrsteilnehmer“, heißt es bei einem Fachleute-Austausch auf Initiative des ADAC. Das Thema „Fußverkehr: Neue Wege gehen“.
Auch zwei Kilometer kann man zu Fuß gehen
Seit Januar gab es dazu in verschiedenen Regionen Deutschlands Aktionen und Expertengespräche vor Ort. In vielen Städten wird das Thema auch schon angegangen. Die Bilanz im Dezember zeigt dennoch: Zufußgehen als nachhaltige Mobilitätsform hat trotzdem noch deutliches Ausbaupotenzial. Denn derzeit ist das Auto für viele immer noch die erste Wahl, auch für kürzere Strecken. Jeder fünfte Weg mit dem Auto ist jedoch kürzer als zwei Kilometer – eigentlich eine Distanz, die auch zu Fuß zu bewältigen ist, wenn denn die Voraussetzungen stimmen.
Wie müssen Städte und Wege also aussehen, damit zu Fuß gehen dort wieder attraktiv wird und sicher ist? Jede Kommune, ob im ländlichen Raum oder städtischer geprägt, hat ihre eigenen, besonderen Herausforderungen, sagt der Stadt- und Verkehrsplaner Michael Frehn. Er hat an vielen Orten gute Erfahrungen mit ganz konkreten „Fußverkehrs-Checks“ gemacht, die, oft von Landesebene aus organisiert, in Städten und Gemeinden ermöglicht wurden.
Wichtig dabei sei, die Menschen vor Ort unbedingt mit einzubeziehen, berichtet Frehn. Zentrale Elemente des Fußverkehr-Checks sind zwei Ortsbegehungen mit verschiedenen Anwohnern, Menschen aus Mobilitätsinitiativen, Politik, Verwaltung und Verkehrsbehörden. Unterwegs wird auf dem 2-Stunden-Spaziergang dann gemeinsam geschaut: Was läuft hier wo falsch? Wie kann es für alle, die zu Fuß unterwegs sind, besser werden?
Bei einem Abschlussworkshop seien dann oft schon ganz konkrete Lösungen für die problematischen Punkte greifbar – vom Zebrastreifen bis zum abgesenkten Bürgersteig. „Das ist ein Erfolgsmodell“, sagt Frehn.
Barrierefreiheit hilft letztlich allen
Ergänzt werden solche Spaziergänge idealerweise von Menschen mit Einschränkungen: Denn wer etwa schlecht sieht, der braucht neben Farben auch andere, tastbare oder hörbare Signale, um sicher von A nach B zu kommen. Markus Rebstock von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit betont: „Barrierefreiheit ist unerlässlich für 10 Prozent der Bevölkerung, notwendig für 40 Prozent der Bevölkerung und komfortabel für 100 Prozent der Bevölkerung.“
Neben Menschen mit Gehbehinderungen oder Rollstuhlfahrern gehören aber auch Ältere, Verletzte oder eben auch die mit Kinderwagen zu denjenigen, die ein zu schmaler Gehweg oder ein hoher, nicht abgesenkter Bordstein schlicht ausbremst. Probleme gibt es oft auf Gehwegen, die auch von Radfahrern genutzt werden oder als wilder Parkplatz für E-Scooter dienen. Was es hingegen häufig braucht: mehr Zebrastreifen, intelligent abgestimmte Ampelschaltungen und – für das Überqueren breiterer Straße – mehr Mittelinseln.
Mehr Ortsmitte statt Durchgangsstraße
Was macht eine Stadt darüber hinaus begehenswert? Attraktivere, lebendige Ortszentren zum Beispiel. Hier greifen Verkehrs- und Stadtplanung ineinander, berichten die Fachleute. Viele Ortschaften, kleinere wie größere, wurden ab den 60er Jahren jedoch vor allem Auto-freundlich ausgebaut - oft musste die Ortsmitte mit Gasthof und Geschäften einer schnellen, möglichst breiten und geradlinigen Durchgangsstraße Platz machen, flankiert von Gehwegen, die teils kaum einen Meter breit sind.
Damit die Ortsmitte wieder mehr Lebensraum und Begegnungsstätte wird, reichen manchmal schon kleinere Änderungen aus, sagt der Stadtplaner Mario Flammann. Nicht überall müssen es komplette Fußgängerzonen sein, wo Leute unterwegs sind. Auch verbreiterte Gehwege und schmalere Straßenführung verteilen den Platz zwischen den Verkehrsteilnehmern neu. Um zu testen, wo welche Treffpunkte funktionieren, bieten sich Leihmöbel für den Straßenraum an, die ein paar Monate lang probeweise aufgestellt werden, sagt Stadtplaner Flammann.
Die Vorsitzende des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, ist selbst von einer Sehbehinderung betroffen und betont: „Wir brauchen an dieser Stelle Personen, die verschiedene Bedürfnisse zusammendenken.“ Dazu gehöre eine gut funktionierende Mehr-Sinne-Ampel und Tempo 30 in Städten. Auch auf die besonderen Bedürfnisse von Frauen müsse mehr Rücksicht genommen werden: Fußwege sollten gut ausgeleuchtet sein, sodass Frauen sie alleine und im Dunkeln ohne Angst nutzen können.
Die neue, seit Oktober in Kraft getretene Straßenverkehrsordnung macht den Kommunen mit Blick auf den Fußverkehr einiges leichter: Sie können künftig einfacher Zebrastreifen und Tempo 30-Zonen einrichten, etwa an Spielplätzen, Kitas und Schulen. Die Folge wären weniger Elterntaxis und mehr Fußverkehr auch auf dem Weg zur Schule.