Wir haben uns angesehen, wie lange man 1960, 1974, 1991 im Vergleich zu heute für weihnachtliche Güter arbeiten musste.
Früher war mehr Lametta?Wie viel Arbeitszeit uns Weihnachten im Vergleich zu früher kostet
Mal angenommen, wir verfrachteten Sie kurz mal in die Vorweihnachtszeit des Jahres 1960. Die Weihnachtsbäckerei steht an, inklusive Eier, Butter, Zucker und Strom für den Herd, zum Adventskränzchen soll es Bohnenkaffee geben, für das Fest müssen Brathähnchen, Kartoffeln, Bier und Weinbrand eingeplant werden. Ein neuer Anzug, ein Kleid sowie eine Strumpfhose dienten der Festlichkeit, etwas Benzin muss sein, um auch die Großmutter besuchen zu können, ein neuer Fernseher und Kinokarten zur Überbrückung der Langeweile beim Warten aufs Christkind ebenso.
All die Anschaffungen wären ganz schön ins Geld gegangen. Zusammengerechnet und bezogen auf den Durchschnittsnetto-Arbeitslohn der damaligen Zeit hätten Sie dafür nach Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln fast 465 Stunden arbeiten müssen. Die Adventszeit hätte dafür also gar nicht ausgereicht. Vor Mitte Februar hätte das Fest nicht steigen können.
Kaufkraft hat sich in diesem Bereich verzehnfacht
Verglichen damit können sich deutsche Verbraucher heute einen Lenz machen – und dennoch ein opulentes Weihnachtsfest organisieren. Und das trotz Inflation. Für 2022 – aktuellere Zahlen liegen dem IW noch nicht vor – lag die Zeit, die man für den Erwerb des oben beschriebenen Warenkorbes arbeiten musste, bei gerade einmal 44,5 Stunden. Bei einer 40-Stunden-Woche ist ein Durchschnitts-Arbeitnehmer, der jetzt anfängt, also schon am zweiten Advent durch mit der Plackerei fürs Fest. Und damit muss er auch gegenüber 1991 nur gut ein Drittel der Zeit aufwenden, um genug Geld für das Christkind einzuspielen.
„Auf lange Sicht betrachtet stehen wir mit unserer Kaufkraft trotz Inflation auch heute noch sehr gut da, entschieden besser als noch in den 70er Jahren und auch günstiger als in den 90ern“, sagt Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft. Auch wenn sich der rasante Anstieg der Kaufkraft durch die Technisierung deutlich verlangsamt hat und gerade seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zum Teil einen leichten Rückgang erfahren hat. „Wir befinden uns heute in etwa auf dem Niveau von 2018“, sagt Schröder
Teurere Lebensmittel, billigerer Fernseher
Auffallend sei, dass sich neben der Energie vor allem die Lebensmittelpreise wieder verteuert hätten. Das habe den Effekt, dass uns die Inflation täglich vor Augen geführt werde. Dass sich elektrische Geräte wie der Fernseher rasant verbilligten, sei uns dagegen weniger präsent, weil dieser Posten nur alle paar Jahre in der Haushaltsplanung eine Rolle spiele. Zudem: „Die Verteuerung der Lebensmittel trifft natürlich die ärmere Bevölkerung besonders stark.“ Wer früher wenig Geld hatte, konnte sich die vergleichsweise günstigen Brötchen weiter kaufen, solange er auf den Fernseher verzichtete.
Dass wir heute trotz der immens erhöhten Kaufkraft darüber klagen, alles werde unerschwinglich, liegt laut Schröder vor allem an der Perspektive. „In den 60er und 70er Jahren hatte man noch den Nachkriegshunger der 50er Jahre im Kopf und fühlte sich im Vergleich dazu privilegiert. Hätten die Menschen gewusst, wie gut es ihnen in 50 Jahren mal gehen würde, wäre man mit der Situation vergleichsweise vielleicht auch unzufriedener gewesen“, sagt Schröder. Zudem: Die Einkommens-Unterschiede seien vor 50 Jahren geringer gewesen. Den Fernseher, die Flugreise und den täglichen Bohnenkaffee konnte sich eben auch der Nachbar nicht leisten. Und weniger Neid macht etwas zufriedener.