Die Zahl der Stornierungen im Wohnungsbau hat einen Höchststand erreicht, viele Investitionen ruhen.
„Einfach nicht zu stemmen“NRW-Wohnungsunternehmen fordern bessere Förderung und beklagen „Wunschdenken“
Die soziale Wohnungswirtschaft in der Region fordert eine bessere staatliche Förderung, um die nötigen anstehenden Investitionen in klimagerechtes Wohnen und Bauen stemmen zu können. „Die Folgen von Heizungsgesetz, EU-Gebäuderichtlinie und anderen Vorgaben im Rahmen von Energiewende und Klimaschutz sind finanziell nicht umsetzbar“, sagte Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW), am Dienstag. „Wohnungsbestände zu dekarbonisieren und gleichzeitig Mieten bezahlbar zu halten, ist derzeit so gut wie nicht zu schaffen.“
Der VdW vertritt vor allem Genossenschaften sowie kommunale und öffentliche Wohnungsunternehmen. Aber auch einige „industrieverbundene“, private und kirchliche Unternehmen sind Mitglied. Insgesamt leben 2,1 Millionen Menschen in NRW in Wohnungen der Mitgliedsunternehmen.
Einbruch bei den Investitionen
Der VdW beklagt, die aktuelle Krise der Baubranche führe derzeit vor allem im Neubau zu einem Einbruch der Investitionen. Eine Mehrheit der Mitgliedsunternehmen gebe in einer aktuellen Befragung an, entsprechende Projekte aufzuschieben oder zu stoppen. „Der Bau bezahlbarer Wohnungen wird nach meiner Einschätzung 2024 und 2025 weit hinter den benötigten Zahlen zurückbleiben“, so Rychter. „Die Modernisierung und Weiterentwicklung der Bestände und damit das gute, klimagerechte, energieeffiziente, barrierefreie und moderne Wohnen bleibt Wunschdenken.“
Um das ändern zu können, fordert der Verband ein „verlässliches und auskömmlich finanziertes Fördersystem für den Heizungstausch“. Bislang würden vor allem selbst nutzende Eigentümer, im Vergleich dazu aber kaum Wohnungsunternehmen gefördert. „Vor diesem Hintergrund sind diese Investitionen einfach nicht zu stemmen“, so Rychter.
Stornierungen im Wohnungsbau auf Höchststand
Wie kritisch die Lage am Wohnungsmarkt derzeit ist, zeigen auch neue Zahlen des Ifo-Instituts. „Die Stornierungen im Wohnungsbau türmen sich zu einem neuen Höchststand auf“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, am Dienstag. Im August hätten 20,7 Prozent der Firmen von abgesagten Projekten berichtet – ein Plus von 1,8 Punkten zum Vormonat. 44,2 Prozent der Unternehmen meldeten einen Auftragsmangel. Das sind 3,9 Prozentpunkte mehr als im Juli.
„Seit Beginn der Erhebung 1991 haben wir noch nichts Vergleichbares beobachtet. Die Verunsicherung im Markt ist riesig“, sagte Wohlrabe zu den Stornierungen. Infolge der rasant gestiegenen Baukosten und des wesentlich höheren Zinsniveaus seien viele Projekte, die Anfang 2022 noch rentabel waren, aktuell nicht mehr darstellbar.
Immer mehr haben Finanzierungsschwierigkeiten
„Einigen Betrieben steht das Wasser bereits bis zum Hals“, sagte Wohlrabe. „Aktuell melden 11,9 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau Finanzierungsschwierigkeiten. Das ist der höchste Wert seit über 30 Jahren.“ Und für das kommende halbe Jahr befürchteten die Unternehmen mehrheitlich weitere Geschäftsrückgänge. „Die Geschäftserwartungen notieren mit minus 60,1 Punkten auf einem außergewöhnlich schwachen Niveau.“
Ziel der Bundesregierung sind 400.000 neue Wohnungen im Jahr. Dies war nach übereinstimmenden Schätzungen schon bisher in weiter Ferne. Doch könnte es noch schlimmer kommen: „Wir werden in diesem Jahr noch rund 240.000 Wohnungen fertigstellen, weil wir die Auftragsbestände abarbeiten“, schätzt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. „Die große Delle erwarten wir im kommenden Jahr, da droht der Sturz weit unter 200.000 Wohnungen.“
Für Ende September ist ein Wohnungsbaugipfel im Berliner Kanzleramt geplant. Die Bauindustrie fordert ein großes Baupaket, das die drohende jahrelange Dauerkrise abwenden soll. (mit dpa)