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Anleger abgezocktDas sind die echten Wölfe der Wall Street

Lesezeit 8 Minuten

Leonardo DiCaprio als gieriger Finanzjongleur Jordan Belfort in einer Szene des Kinofilms. „Es hält euch niemand davon ab, Millionen zu machen!“

Der Lehrsatz für den jungen Börsenmakler ist simpel. „Hol das Geld aus der Tasche deiner Kunden und stopf es in die eigene Tasche.“ Was sein Vorgesetzter ihm da sagt, hat Leonardo DiCaprio in der Rolle des Finanzwelt-Neulings schon bald verinnerlicht. Er wird „The Wolf of Wall Street“, wie das neue Regiewerk von Martin Scorsese heißt. In Deutschland läuft der Film ab Donnerstag (16.1.) in den Kinos.

Mit Hunderten Millionen Dollar aus den Taschen der Investoren feiert der junge Spekulant eine Dauerparty mit Sexorgien und Kokainbergen. Der schrille Film ist satirisch überzeichnet - und fußt doch auf einer wahren Begebenheit: In den 80ern und 90ern sorgte Finanzjongleur Jordan Belfort für Furore, bis er im Knast landete. Der echte Belfort stieg während des Aktienbooms auf, betrog Investoren, wurde mit nur 26 Jahren reich, gab sein Geld für Autos, Häuser, eine Yacht, Prostituierte, Alkohol und Drogen aus. Er wurde gefasst, kam ins Gefängnis und schrieb seine Lebensgeschichte auf.

Vor etwa sechs Jahren las DiCaprio das Buch. „Für mich spiegelt seine Biografie alles wider, was mit der heutigen Gesellschaft nicht stimmt“, erklärt der Hollywood-Superstar. Belfort und seine Kumpanen hätten versucht, Gordon Gekko nachzueifern - die von Michael Douglas 1987 in „Wall Street“ gespielte fiktive Figur, die die Gier am Kapitalmarkt bis heute verkörpert.

Kleinanleger kommen im Film kaum zu Wort

Allerdings gibt es auch Kritik am Film, denn er ist in den Augen vieler Zuschauer kein Lehrstück über die Finanzkrise oder die Dekadenz der Wall Street. Die um ihr Geld geprellten Kleinanleger kommen darin fast gar nicht zu Wort. Und selbst als die Hauptfigur Belfort am Ende doch noch stürzt, gehen die Filmemacher sanft mit ihr um.

Belfort (DiCaprio) preist seine Firma bis zuletzt als Verwirklichung des amerikanischen Traums: Ihm zum Dank konnten sich seine Mitarbeiter aus eigener Armut hinausarbeiten und Großverdiener werden. „Es hält euch niemand davon ab, Millionen zu machen“, ruft er vor versammelter jubelnder Mannschaft. Und feiert sich weiterhin als Erfolgsgarant, der nur ein paar Schrammen hat.

Banker können Filmstart kaum erwarten

Im Laufe des Films verhöhnt Belfort einen FBI-Agenten für dessen mickriges Jahressalär - das reiche doch nur für unkomfortable U-Bahn-Fahrten auf dem Weg zur Arbeit. Ein Bestechungsversuch schlägt fehl, der FBI-Agent bleibt standhaft und bringt Belfort zu Fall - und wird als alles andere als ein strahlender Sieger dargestellt: Mit mattem Blick ist der Ermittler in einem stickigen, verranzten U-Bahn-Abteil zu sehen, umgeben von armen, apathischen Menschen. Als solle die Botschaft des Films lauten: Die Gier nach Geld verdirbt zwar den Menschen, aber wenigstens lässt es sich mit so einer Einstellung komfortabel leben.

Europas Banker können jedenfalls nicht abwarten, den Film zu sehen. Von Stockholm bis Mailand sicherten sich Finanzinstitute in den vergangenen Tagen die Karten für Vorpremieren. Die schwedische Nordea organisierte für Kunden und Angestellte sogar eine Sondervorstellung, während die italienische Börse ihn gleich vor Ort zeigen will.

Neben Jordan Belfort gibt es noch weitere echte „Wölfe der Wall Street“ - Finanzspekulanten und Anlagebetrüger, die unrechtmäßig Millionen scheffelten. Was aus ihnen wurde, lesen Sie auf den nächsten Seiten.

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Bernard Madoff: 65 Milliarden Dollar abgezockt

In den 1960er Jahren gründet der damals Anfang 20-Jährige seine eigene Investmentfirma. Er verspricht Renditen im zweistelligen Prozentbereich. Familienmitglieder, Freunde und Bekannte beißen an und geben ihr Erspartes. Und sie werden nicht enttäuscht: Das Geld vermehrt sich stetig, zumindest auf dem Papier. Madoff steigt zu einer Größe an der Wall Street auf. Doch dann bricht die Finanzkrise 2008 herein. Erst da wird klar, wie Madoff derartige Traumrenditen zahlen konnte: mit dem frischen Geld neuer Anleger - ein Schneeballsystem, nur in bislang unbekanntem Ausmaß. Als die Firma zusammenbricht, weisen die Depots der Kunden Werte von 65 Milliarden Dollar aus. Tatsächlich sind aber nur 300 Millionen Dollar vorhanden.

Madoff ging ins Gefängnis - und strickt von hier aus seine eigene Legende. Er gibt ein Interview nach dem anderen. Sich selbst stellt er dabei nach wie vor als geläutert dar und bietet seine Mithilfe bei der Suche nach den verschwundenen Milliarden an. Seine Familie, von denen viele Mitglieder in seiner Firma arbeiteten, nimmt er in Schutz: Sie hätten nichts gewusst. Sein ältester Sohn Mark hat sich zu diesem Zeitpunkt unter dem Druck der Öffentlichkeit das Leben genommen.

Raj Rajaratnam

Der Gründer des Hedgefonds Galleon wurde 2011 zu elf Jahren Haft und Geldstrafen von knapp 160 Millionen Dollar verurteilt. Rajaratnam und gut zwei Dutzend Komplizen sollen mehr als 52 Millionen Dollar ergaunert haben. Der Fall gilt als einer der größten Hedgefonds-Skandale an der Wall Street in den vergangenen 30 Jahren.

Rajaratnam war von Geschworenen für schuldig befunden worden, im großen Stil illegale Aktiengeschäfte getätigt zu haben. Demnach hatten Tippgeber ihm mehrfach Geheimnisse aus börsennotierten Unternehmen verraten. Mit diesem Wissen habe Rajaratnam dann an der Börse spekuliert und Millionenprofite eingestrichen oder Verluste vermieden, so das Urteil.

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Aubrey Lee Price: Den eigenen Tod inszeniert

Im US-Bundesstaat Georgia wurde Anfang Januar 2014 ein Ex-Banker und mutmaßlicher Anlagebetrüger festgenommen, der offiziell bereits tot war. Der 47-jährige Aubrey Lee Price steht im Verdacht, Investoren um über 20 Millionen Dollar betrogen zu haben. Deshalb inszenierte er seinen Tod und wurde trotz fehlender Leiche auch tatsächlich für tot erklärt.

Die US-Bundespolizei FBI hatte Price zeitweise auf ihrer Liste der meistgesuchten Verbrecher geführt, doch seine Festnahme beruht auf einem reinen Zufall. Der Polizei war ein Wagen aufgefallen, dessen Scheiben zu stark getönt waren. Price versuchte offenbar, falsche Angaben zu seiner Person zu machen, was die Beamten schließlich zu seiner wahren Identität führte.

Robert Allan Stanford

Der 62-jährige Geschäftsmann aus Texas wurde 2012 wegen milliardenschweren Anlagebetrugs zu 110 Jahren Haft verurteilt. Er hat tausende Anleger mit einem Schneeballsystem um ihre Ersparnisse gebracht - es ging um mehr als sieben Milliarden Dollar. Stanford hat demnach Investoren mit vermeintlich sicheren Festgeldanlagen zu ungewöhnlich hohen Zinssätzen von bis zu zehn Prozent gelockt.

Auf dem Papier mehrte sich das Vermögen der Anleger auch stetig. Die Jury und Staatsanwaltschaft sahen es als erwiesen an, dass Stanford große Teile des Geldes für sich abzwackte, um in Saus und Braus leben zu können. Überdies steckte er demnach hohe Summen in riskante Immobiliengeschäfte. Stanfords Bank hatte ihren Sitz auf der Karibikinsel Antigua.

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Ulrich Engler: Schwabe lebte in Saus und Braus

Er hatte Traumrenditen von 72 Prozent versprochen und Anleger um einen zweistelligen Millionenbetrag geprellt: Dafür wurde der geständige Anlagebetrüger Ulrich Engler zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Engler wollte die jährlichen Renditen angeblich mit ultraschnellen Aktiengeschäften erwirtschaften, gegenüber den Anlegern gab er sich als langjähriger Chefhändler einer US-Bank aus.

Mit dem Geld leistete sich der gebürtige Schwabe in Florida - von dort aus zog er den Schwindel auf - ein Anwesen für 10.000 Dollar Miete im Monat, mehrere teure Autos und Hunderte von Kunstwerken. Verurteilt wurde Engler, weil er etwa 1100 Anlegern einen Schaden von gut 32 Millionen US-Dollar (aktuell etwa 24 Mio. Euro) verursacht hatte. Tatsächlich sei der Schaden aber viel höher gewesen, sagte die Richterin.

Jürgen Schneider

Mehrere Jahre im Gefängnis hat Jürgen Schneider bereits hinter sich – doch droht dem Ex-Baulöwen erneut eine lange Haftstrafe. Laut Bonner Staatsanwaltschaft wurde Schneider wegen Betrugs angeklagt. Voraussichtlich wird sich der Angeklagte demnächst vor dem Landgericht verantworten müssen, gemeinsam mit seiner Ehefrau, die an zwei der sechs angeklagten Fälle beteiligt gewesen sein soll. 1997 war Schneider zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. In Serie hatte der private Bauunternehmer damals Banken über den Tisch gezogen und einen Milliardenschaden angerichtet.

Nach seiner Haftentlassung gab sich der Betrüger geläutert. Doch in den Jahren 2008 und 2009, damals wohnte Schneider in exponierter Lage am Königswinterer Rheinufer, soll er zu alten Mustern zurückgekehrt sein. Die Staatsanwaltschaft warf ihm 2013 vor, einen Gesamtschaden von 103.000 Euro verursacht zu haben.

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Stein Bagger: Ein preisgekrönter Hochstapler

Der dänische Unternehmer wurde 2009 wegen Milliardenbetrugs und der Fälschung von Leasing-Verträgen verurteilt und bekam eine siebenjährige Haftstrafe. Er und seine Familie wurden Bagger zufolge von Gewaltverbrechern erpresst - doch an dieser Darstellung herrschten Zweifel. Der Fall erregte in Dänemark Aufsehen, weil Baggers Software-Unternehmen IT Factory bis dato als besonders erfolgreich galt und der Unternehmer selbst mehrere Wirtschaftspreise einheimsen konnte.

Als bekannt wurde, dass fast der gesamte Umsatz von IT Factory auf gefälschten Leasing-Verträgen basierte, verschwand Bagger zunächst spurlos. Die Schadenssumme lag bei 1,2 Milliarden Kronen (ca. 160 Millionen Euro). Zu den Geschädigten gehört unter anderem der frühere Radprofi Bjarne Riis, für dessen Rennteam Bagger als Co-Sponsor fungierte.

Jordan Belfort

Er ist Vorbild für die Hauptfigur des Films „The Wolf of Wall Street“: Finanzjongleur Jordan Belfort. Ab Ende der 1980er Jahre verdiente Belfort als Aktienhändler ein Vermögen - mit 26 Jahren war er Multimillionär und machte fortan vor allem durch seinen exzessiven Lebensstil und Drogenmissbrauch von sich reden. 1998 wurde er für seine Verwicklung in Wertpapierbetrügereien und Geldwäsche zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt - Anlegern war bis dahin ein Schaden von über 200 Millionen US-Dollar entstanden.

Belfort durfte das Gefängnis aber nach 22 Monaten verlassen und arbeitet heute als Unternehmensberater und Motivationstrainer - unter anderem berät er die Deutsche Bank. 2007 erschienen seine Memoiren, die zum Bestseller wurden. Noch immer warten viele Geschädigte auf eine Rückzahlung. (dpa/gs)