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Kommentar

Der schwierige Patient
Wie ich seit Tagen liederlich herumliege

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann liegt mit Taschentüchern, Teetasse, Nasenspray und Tabletten im Bett (gestellte Szene).

„Wenn Hieronymus Bosch mich jetzt malen würde, hinge mein metaphysisches Ebenbild lauchartig gefesselt an einer Stange, durchbohrt von rostigen Pfeilen.“

Unser Kolumnist fühlt sich krank. Es gelingt ihm mühelos, sich in alle nur denkbaren Dramatisierungen reinzusteigern.

Ich will, obwohl es meiner Natur widerspricht, nicht groß Klage führen, aber ich bin krank. Mein Atem klingt, als wohnte im meinem Brustkorb eine Klapperschlange. Ist aber kein Problem. Als Patient pflege ich mich in Demut zurückzuziehen, geduldig auf Besserung zu warten und niemandem auf die Nerven zu fallen.

Okay, das war gelogen. Ich bin ein schwieriger Patient. Es gelingt mir mühelos, mich in alle nur denkbaren Dramatisierungen reinzusteigern. So halte ich es aktuell durchaus für möglich, dass in meinem Brustkorb TATSÄCHLICH eine Klapperschlange wohnt. Solange mein Arzt nicht den Satz sagt: „Herr Grimm, in Ihrem Brustkorb wohnt KEINE Klapperschlange“, glaube ich an die Klapperschlangenthese. Und bisher hat mein Arzt seltsamerweise darauf verzichtet, genau diesen Satz zu sagen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er mehr weiß.

Ich liege also seit Tagen liederlich herum, fühle mich mumpfig und verfluche das Schicksal. Das Problem ist, dass meine Herde ebenfalls flächendeckend darniederliegt und für emotional deeskalierende Maßnahmen wie Grießbreikochen oder Bettzeugwechsel nicht zur Verfügung steht. Wir gucken uns aus rotgeränderten Augen an, bestellen Pizza und tun uns gegenseitig leid. Es ist nicht ganz so schlimm wie die Pest im Mittelalter. Es umlodern uns auch nicht die Feuer der Verdammnis. Aber wir vermeiden es schon, die Haustür zu öffnen, weil wir unsere fröhliche kleine Kommune sonst mit einer grünen Wolke aus viralem Güsel verseuchen könnten.

Der feine Herr Körper muss ja unbedingt mitmachen bei jedem viralen Mist, der so durch die Lande zieht. Ist doch peinlich.
Imre Grimm

Es ist demütigend, von seinem Körper dermaßen im Stich gelassen zu werden. Habe ich Dich, Körper, nicht immer liebevoll versorgt? Mit Toffifee, ausreichend Schlaf und sogar mal mit Salat (damals, an diesem Mittwoch Anfang 2018)? Muss Du Dich dann dermaßen erbärmlich gleich dem erstbesten Bazillus ergeben? Und überhaupt: Hatten wir, du blöder Körper, dieses olle Infektionsding nicht mit Corona durchgespielt? Infektion – das war so ein Karl-Lauterbach-Ding von gestern. Sowas hat man doch nicht mehr. Total uncool. Aber der feine Herr Körper muss ja unbedingt mitmachen bei jedem viralen Mist, der so durch die Lande zieht. Ist doch peinlich.

So weit ist es gekommen, Körper. Es ist Februar. Sechs von zehn Menschen leiden aktuell unter Infektionen (und die anderen vier finden sie toll, oder was?). Wenn Hieronymus Bosch mich jetzt malen würde, hinge mein metaphysisches Ebenbild lauchartig gefesselt an einer Stange, durchbohrt von rostigen Pfeilen. Zwei grässliche Gnome mit Vogelgesichtern und blutenden Augen trügen mich in Richtung Höllenschlund, und aus meinem geöffneten Brustkorb ragte ein rasselnder Klapperschlangenkopf.

In Wahrheit liege ich stagnierend auf dem Sofa, werfe mit kleinen Bazillusbomben aus Taschentüchern um mich und gucke bei „Fixer Upper“ zu, wie ein texanisches Ehepaar aus einer Bruchbude in Waco immer den gleichen Country-Life-and-Garden-Pseudoantik-Traum mit Kücheninsel zaubert. Bis mir so langweilig ist, dass ich mich hinsetze und mir eine Kolumne darüber abpresse, dass mir so langweilig ist, dass ich mir eine Kolumne darüber abpresse, dass mir so langweilig ist, dass…

Schönes Wochenende und gute Besserung.


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