Hat die Varroamilbe es einmal in den Bienenstock geschafft, haben die Völker nur eine geringe Chance zu überleben. Wie können Imkerinnen und Imker ihre Tiere schützen?
„Imker-Schreck“ VarroamilbeDer kleine Feind der Honigbiene
Sie gilt als der schlimmste Feind der Honigbiene: die Varroamilbe. Wenige Millimeter groß, oval, rotbraun gefärbt und mit bloßem Auge gut zu erkennen. Entdeckt hatte die Milbe vor mehr als 100 Jahren der Insektenkundler Edward Jacobson auf Java in Bienenvölkern der Art Apis cerana indica. Inzwischen ist sie zum wahren „Imker-Schreck“ geworden: Bienenvölker, die die Milbe befällt, überleben das meist nicht.
Warum ist die Milbe für Bienen so gefährlich?
Die Varroamilbe stellt vor allem für den Bienennachwuchs eine Gefahr dar. Weibliche Milben haben messerscharfe Mundwerkzeuge, mit denen sie die Haut der Bienenlarven und Bienenpuppen durchstechen können. Die Milben ernähren sich vom Fettkörper und Blut der Larven und schwächen sie dadurch. Auch erwachsene Bienen können die Parasiten befallen, erklärt das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Gleichzeitig überträgt die Varroamilbe Viren und Bakterien. Zum Beispiel das Akute Bienen-Paralyse-Virus, das Entwicklung und Orientierungssinn der Bienen stört. Oder das Flügeldeformationsvirus, das dafür sorgt, dass junge Bienen mit verkrüppelten Flügeln geboren werden, was sie flugunfähig macht. Die Erreger genauer untersucht hat Anfang des Jahres eine Studie der Universität Ulm. Sie schwächen das Immunsystem der Honigbienen. Sie kommen nicht über den Winter und sterben vorzeitig.
Wie kommt die Milbe in den Bienenstock?
Honigbienen kommen regelmäßig mit anderen Bienenvölkern in Kontakt. Im Herbst, wenn die Nahrung knapp ist, stehlen Bienen die Wintervorräte schwächerer Völker. Nicht selten sind schwache Bienenvölker jedoch von der Varroose, also dem Befall der Varroamilbe, betroffen. Die Milben wandern auf die räubernden Bienen über und gelangen so in den anderen Bienenstock.
Auch der Mensch trägt dazu bei, dass sich die Milbe ausbreitet, indem Bienenköniginnen und Ammenbienen gehandelt und über Ländergrenzen hinweg transportiert werden. Oder indem verschiedene Bienenvölker vereinigt werden. Ist nur eines der Tiere von Milben befallen, haben die Parasiten leichtes Spiel.
Wie verbreitet ist der Parasit?
Die Varroamilben haben sich weltweit ausgebreitet. Nur in der Antarktis sind sie nicht verbreitet , weil sie bei Minustemperaturen und ohne Bienen als Wirte nicht überlebt.
Wie erkennt man einen Befall?
Sind an den Larven rotbraune Punkte zu sehen, haben die Parasiten die Brut befallen. Bei erwachsenen Bienen sollten Imker und Imkerinnen am Hinterleib nach den Milben Ausschau halten. Bei frisch geschlüpften Bienen wird der Befall meist durch verkrüppelte Flügel oder einen deformierten Hinterleib sichtbar. Auch wenn die Bienenkolonie im Herbst plötzlich stirbt, ist das ein Indiz dafür, dass sie mit den Milben befallen gewesen ist.
Muss man den Befall melden?
Nein, der Befall mit Varroamilben ist in Deutschland nicht anzeige- oder meldepflichtig. Doch in Österreich ist die Varroose als Tierseuche anzeigepflichtig; in der Schweiz ist sie als zu überwachende Seuche eingestuft und damit meldepflichtig.
Was können Imker gegen die Milbe tun?
Imkerinnen und Imker können Varroazide einsetzen, also chemische Wirkstoffe wie Ameisensäure. Die Flüssigkeit verdunstet im Bienenstock und verteilt sich im gasförmigen Zustand, heißt es in einer Infobroschüre des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer. Das Gas dringt in die Brutzellen ein und tötet die Milben. „Verdunstet aufgrund hoher Außentemperaturen zu viel Ameisensäure, wird die Bienenbrut geschädigt. Wenn zu wenig verdunstet, bleibt die Wirkung hingegen aus.“ Milben mit Ameisensäure bekämpfen sollte man nur in der Zeit, in der die Bienen keinen Honig produzieren.
Zahlreiche Wildbienen sind ausgestorben
Im Jahr 2022 wurden in Deutschland laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft insgesamt 996.000 Bienenvölker gezählt. Das entspricht einem Durchschnitt von 2,8 Völkern pro Quadratkilometer. Deutschlandweit gehören 605 Arten zu der Familie Apidae, unter anderem die Honigbiene (Apis mellifera). Alle anderen Bienenarten neben der Honigbiene werden auch als Wildbienen bezeichnet, erklärt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) auf seiner Website. Laut Roter Liste der gefährdeten Arten sind nach Nabu-Angaben 48 Prozent der Wildbienen in Deutschland in ihrem Bestand gefährdet oder bereits ausgestorben.
Jederzeit möglich sind biotechnische Verfahren. Dazu gehört, die Bienenbrut während der Drohnenbrutaufzucht zu entnehmen. So haben die Milben keine Chance, die Larven und Puppen zu erreichen. Oder man bildet Ableger: Man entnimmt den Bienenvölkern Brutwaben – und damit auch Varroamilben, die in den Brutzellen sitzen – und verringert so die Varroabelastung im Muttervolk. „In einem brutlosen Jungvolk lassen sich die Milben mit geeigneten Verfahren abtöten“, heißt es in der Broschüre.
Alternativ kann es helfen, einen Gitterboden oder ein Brett mit Sieb für den Boden zu verwenden. Erwachsene Bienen putzen sich im Stock, sodass ein Teil der Milben auf natürliche Weise abfällt. Ist ein Gitterboden vorhanden, fallen die Parasiten durch das Gitter und können nicht zurück.
Wie könnte man Bienen langfristig schützen?
Es gibt Bienen, die ein sogenanntes varroasensitives Hygieneverhalten aufweisen, hat unter anderem eine Studie von französischen und neuseeländischen Forschenden 2015 festgestellt. Die Bienen erkennen den Befall und entfernen die Milben. „Die Züchtung varroaresistenter Honigbienenvölker stellt derzeit die größte Hoffnung auf eine langfristige Lösung zur Bekämpfung des Befalls durch Varroa destructor (Fachbegriff für die Varroamilbe, Anm. d. Red.) dar“, heißt es in der Studie.
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