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Konflikte am ArbeitsplatzSchwamm drüber, Chef!

Lesezeit 4 Minuten
Ein nachdenklicher junger Mann sitzt in dieser Illustration an einem Schreibtisch

Nachdenklicher Mann am Schreibtisch

Wir verbringen acht Stunden am Tag mit unserer Arbeit. Konflikte sind da unausweichlich. Warum ausgerechnet Verzeihen ein gutes Mittel sein kann.

Die Chefin stellt einen Mitarbeiter bloß, der Kollege erhält die zugesagte Beförderung nicht: Im beruflichen Alltag kommt es unausweichlich zu Konflikten. Wie geht man damit um und verhindert, dass Probleme nicht verschleppt und zur Dauerbelastung werden? Eine Expertin erklärt, wie und wann Verzeihen helfen kann.

Frau Bülow, was berichten Ihre Klientinnen und Klienten? Was sind häufige Konflikte am Arbeitsplatz?

Eine der häufigsten Ursachen für die Konflikte ist die schlechte Kommunikation. Oft erwächst aus Missverständnissen ein Problem, das sich dann verselbstständigt. Auch unterschiedliche Arbeitsstile – die eine Seite strukturiert, die andere eher unorganisiert – führen immer wieder zu Konflikten. Ebenso unterschiedliche Persönlichkeiten, die zu Grenzverletzungen führen. Da klaut beispielsweise eine Kollegin oder ein Kollege eine Idee und glänzt damit in der Chefetage.

Wie reagieren die Betroffenen?

Den meisten Konflikten ist nur eine kurze Interaktion vorausgegangen. Das eigentliche Problem entsteht dann im Kopf, wenn sich das Gedankenkarussell dreht. Viele beginnen dann die vermeintlichen Vergehen innerlich in einem Buch zu notieren. Sie sammeln die Vorfälle, fühlen sich nicht geschätzt – stecken damit aber fest. Eine Opferrolle.

Was macht das mit ihnen?

Das ist natürlich unterschiedlich: Manche verlieren das Vertrauen, leiden still und zunehmend unter dem schlechten Betriebsklima und können nicht mehr gut arbeiten. Andere haben Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen bis hin zu depressiven Verstimmungen.

Sind Konflikte am Arbeitsplatz komplizierter zu lösen als im privaten Umfeld?

Ja, in den meisten Fällen ist das so. Das liegt vor allem an der Beziehungsdynamik. Durch das vorwiegend Formelle im Berufsleben kommt es schneller zu Unterstellungen: Man glaubt, das Gegenüber sei gemein oder hinterlistig – dabei kann man manchmal den anderen Menschen nur nicht richtig einschätzen.

Außerdem spielen die Abhängigkeiten und Machtstrukturen eine Rolle – man kann sich in der Regel nicht aussuchen, mit wem und für wen man arbeitet. Und nicht zuletzt gibt es häufig eine gewisse Öffentlichkeit: Etwa, wenn Vorgesetzte eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter vor Kunden bloßstellen.

Wie kommen Betroffene aus ihrem Gedankenkarussell?

Ein hilfreicher Schritt ist das Verzeihen. Statt zurückzuschlagen oder Abstand zu suchen, geht es dabei ums Entgegenkommen. In der Psychologie empfiehlt man dafür die REACH-Methode.

Wofür steht das?

R steht für Recall the hurt, also: an die Verletzung erinnern. Man sollte sich fragen, was man für Emotionen hat – und diese annehmen. Und: Man muss sich bewusst dafür entscheiden, zu vergeben.

E steht für Empathie with your partner, also: dem Gegenüber Empathie entgegenbringen. Man sollte sich in die Lage der anderen Person hineinversetzen und versuchen, die Absichten zu verstehen. Eingestehen, dass Menschen nicht unfehlbar sind.

A steht für Altruistic Gift, also: sich uneigennützig zeigen „Ich vergebe dir!“ Zu signalisieren, dass es für mich jetzt abgehakt und okay ist – das ist auch immer eine große Chance, dass sich etwas verändert.

C steht für Commit, also: zum Verzeihen verpflichten. Man sollte aktiv zur Vergebung verpflichten, sich davon nicht abbringen lassen, den Blick nach vorne richten.

H steht für Hold onto forgiveness, also: an der Vergebung festhalten. Verzeihen ist ein Prozess, der Zeit braucht – besonders, wenn wieder Gefühle wie Wut oder Ärger aufkommen, sollte man sich daran erinnern, dass man sich für die Vergebung entschieden hat.

Das klingt alles stark, also ob man sich unterordnen sollte …

Im Gegenteil: Wer verzeiht, demonstriert seine normative Autorität und verlässt die Opferrolle. Noch besser ist es natürlich, man entschärft die Konflikte so schnell wie möglich. Dazu gehört es auch, Kleinigkeiten anzusprechen. Etwa so: „Du hast gestern einen Satz gesagt, der mir noch lange durch den Kopf ging. Wie genau hast du das gemeint ...“

Wann hilft Verzeihen nicht weiter?

Wenn bestimmte Grenzen überschritten werden: Gewalt, Missbrauch, schwere Vertrauensbrüche, Mobbing. Dann muss es andere – eventuell sogar strafrechtliche – Schritte geben.


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.