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40 Prozent mehr UmsatzDer Kölner Karneval ist ein Krisengewinner

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So sahen die Tribünen der Bürgergarde beim Rosenmontagszug (2025) aus.

So sahen die Tribünen der Bürgergarde beim Rosenmontagszug (2025) aus.

Der Kölner Karneval ist ein gigantisches Business. Um 40 Prozent ist der Umsatz im Vergleich zu 2019 gestiegen – auch weil alles im Fastelovend immer teurer wird.

Die Welt steckt in der Krise. 60 Insolvenzen zählt NRW pro Tag, das Wirtschaftswachstum ist nahe Null und die Stadt Köln steht vor einer Schuldenkrise. Und was macht der Kölner da? Richtig, Karneval feiern. Die Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals ist gegenüber dem Niveau vor der Pandemie insgesamt um 40 Prozent gestiegen, auf nun geschätzt 850 Millionen Euro pro Session.

Die fünfte Jahreszeit sichert in der Region 6500 Arbeitsplätze. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group BCG in ihrer Studie zur vergangenen Session. Gemeinsam mit der Rheinischen Hochschule Köln untersucht BCG regelmäßig im Auftrag des Festkomitees Kölner Karneval die Wirtschaftskraft und die Wahrnehmung von Kölns wichtigstem Kulturgut. Die letzte Studie dieser Art fand 2018/19 statt, nun wurden die Ergebnisse der Session 2024/25 gemeinsam in der Rheinischen Hochschule Köln vorgestellt. Vorher wurden die Zahlen im Zehn-Jahres-Rhythmus erhoben.

Hotels sind größte Gewinner

Die Steigerung um insgesamt 250 Millionen Euro Umsatz seit 2019 (600 Millionen Euro) zeigt sich besonders deutlich in der Sparte „Touristik und Veranstaltungen“, der eine rund 70 Prozent höhere Wertschöpfung verzeichnet als vor der Corona-Pandemie. Ein Drittel des Effekts resultiert aus der höheren Nachfrage von mehr Gästen und ausverkauften Events. So meldet die Hotellerie insgesamt 470.000 Übernachtungen, 90.000 mehr als noch im Jahr 2019. Geschätzt lagen die Ausgaben für Übernachtungen bei 109 Millionen Euro, von denen fünf Prozent über die Bettensteuer direkt in die Stadtkasse flössen. „Die Wirtschaftskraft des Karnevals hat sich stark weiterentwickelt und ist ein absoluter Aktivposten für die Stadt Köln“, sagt Dennis Utzerath, Managing Partner bei BCG.

Der Kölner Karneval in nackten Zahlen ist ein gigantisches Business. 2,1 Millionen Besucher wurden in der Session 2025 allein bei den Umzügen gezählt. Eine Million Karnevalisten besuchten die Kölner Sitzungen und Bälle. 1,6 Millionen Kostüme wurden laut Studie verkauft. 120.000 Orden wurden verliehen und zwei Millionen Euro für Zwecke des Karnevals gespendet. Köln ist unangefochten die größte Karnevals-Hochburg der Republik. Die Zahl der Ehrenamtler in den Vereinen steigt laut Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn auf inzwischen 30.000.

Konsum in der Gastro gegen den Trend konstant

Insgesamt größter Profiteur des Kölner Karnevals ist wenig überraschend die Gastronomie. Sie erzielte einen Umsatz von 355 Millionen Euro in der vergangenen Session, ein Plus von 38 Prozent. Hinter der hohen Zahl stecken verschiedene Faktoren. Laut den Studienautoren seien das zum einen stark gestiegene Kosten bei Lebensmitteln, Sicherheit und Personal, andererseits sei ein Grund die Rückkehr zum regulären Mehrwertsteuersatz. Das Argument hinkt allerdings, da die Mehrwertsteuer im Vergleichsjahr 2019 ebenfalls bei 19 Prozent lag und erst später im Zuge der Corona-Pandemie vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt wurde

Ein Preistreiber ist zudem das Bier. 2022 kostete ein 0,2-Liter-Kölsch den Studienautoren zufolge noch unter zwei Euro, inzwischen liege er in den meisten Kneipen bei 2,30 Euro. Zum Vergleich: Im Durchschnitt wurden 2019 rund 1,80 bis 1,90 Euro fällig, das entspricht einem Anstieg um gut 25 Prozent.

Den Autoren der BCG zufolge blieb der Verzehr im Volumen auf dem Niveau von vor der Pandemie. Damit entwickelte sich das Karnevalsgeschäft zwar besser als die allgemeine Gastronomie. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass der Umsatzanstieg um 40 Prozent insgesamt nicht unbedingt einem größeren Besucherzustrom zum Kölner Karneval geschuldet ist, sondern vor allem gestiegenen Preisen. Summiert man die Inflationsraten seit 2019, so liegt der Preisanstieg im Durchschnitt nur bei 20 Prozent, das Karnevalsgeschehen hat sich also doppelt so stark verteuert wie der übliche Warenkorb zur Messung der Inflation. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass die Zahl der Übernachtungen gegenüber 2019 um 90.000 oder 20 Prozent gestiegen ist. Eine direkte Vergleichbarkeit ist ohnehin schwierig, da die Sessionen auch unterschiedlich lang sind. 

Jeder dritte spricht von Saufgelage

Um die Ergebnisse zu generieren wurden 5300 Menschen Ende Februar bis Anfang März online befragt, also abseits des Karnvalsgeschehens in Ballsaal und Kneipe. Die Hälfte gab an, in Köln zu wohnen. Im Durchschnitt waren die Teilnehmer etwas jünger als 40. 95 Prozent bezeichneten den Kölner Karneval als „kulturelles Highlight“. Vier von fünf Befragten antworteten, dass der Karneval für sie ein „prägender Lebensinhalt“ ist.

Allerdings hagelt es auch Kritik am Kölner Karneval. 21,7 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Karneval zu stark zu einer Kommerz-Veranstaltung geworden sei. 30,7 Prozent bejahten die Frage, ob Karneval ein „ausuferndes Saufgelage“ sei, mit Ja. 34,3 Prozent verneinten dies aber.

„Unsere langjährige Studie an der Rheinischen Hochschule Köln zeigt: Die gesellschaftliche und integrative Bedeutung wird heute stärker wahrgenommen“, sagt Silke Schönert, Professorin und Studiengangsleiterin an der Rheinischen Hochschule Köln.

Hoffnungsvoll blickt das Festkomitee nun auf den künftigen Kölner OB Torsten Burmester. Wir müssen mit extremen Kostensteigerungen in den Bereichen Personal, Security, Produktion und Gebühren umgehen. „Wir brauchen kreative Lösungsansätze, um gerade das nicht-kommerzielle Brauchtum langfristig mit einer sicheren Finanzierung aufzustellen. Das ist eine Aufgabe, die wir zusammen mit der neuen Stadtspitze in Angriff nehmen wollen“, sagte Kuckelkorn.