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Carolin Kebekus„Für mich ist die Mutterschaft augenöffnend gewesen“

8 min
Carolin Kebekus

Carolin Kebekus 

Carolin Kebekus hat im vergangenen Jahr ein Kind bekommen und nun ein Buch über ihre Erfahrungen und gesellschaftliche Rollenerwartungen geschrieben.

Frau Kebekus, gesellschaftlich gilt das Thema Mutterschaft nicht als großartig erfolgversprechend. Ist es Ihnen leicht gefallen, offensiv mit diesem schlechten Image umzugehen?

Ich wusste natürlich: Ich werde diese Schwangerschaft auch im Programm zum Thema machen - weil ich immer alles zum Thema mache, was in meinem Leben passiert. Und ja, ich habe schon erst mal gedacht: Oh, wie wird jetzt mein Publikum reagieren? Wird sich da die Hälfte abwenden, weil die sagen: Gar keine Peniswitze mehr, sondern jetzt so weichgespültes Mama-Zeug?

Und sind Ihnen solche Reaktionen tatsächlich begegnet?

Als ich schwanger wurde, mussten wir schon die Promo für die Tour machen. Ein Kollege von der PR sagte: Hey, wir posten jetzt mal einen Ausschnitt, wo du lustige Witze machst, die du schwanger geschrieben hast. Aber wir können ja dazuschreiben: Im Programm später, da geht es natürlich nicht nur um Schwangerschaft und das Kind. Da dachte ich so: Hä? Wieso soll ich mich denn jetzt vorher schon dafür entschuldigen, dass ich das Krasseste, was ich je gemacht habe im Leben zum Thema mache? Über diese Erfahrung als Frau und Mutter in dieser Gesellschaft, darüber, dass ich plötzlich ein ganz anderer Mensch bin - da darf ich jetzt bloß nicht zu viel drüber sprechen? Der Druck, der auf Frauen ausgeübt wird, ein Kind zu bekommen, ist so krass. Und bitte nicht nur eins – ein Kind ist ja egoistisch - man muss ja zwei haben, mindestens. Aber wenn du die dann hast: Dann halt bitte den Mund, dann interessiert es uns auch nicht mehr, dann sei weiter die lustig unkomplizierte sexy Frau.

Haben Sie geahnt, wie viel Comedy-Potenzial so eine Schwangerschaft und Geburt mit sich bringt?

Als ich schwanger auf der Bühne war, habe ich gemerkt: Das ist ja ein Geschenk! Ich konnte quasi allem, was ich erzähle, nochmal eine andere Tiefe geben, weil ich einfach sichtbar schwanger war. Ich war einfach working mom on stage sozusagen. Und nein, dass das dann so viel an Comedy-Potenzial hat, das habe ich vorher nicht gewusst. Diese ganzen Erwartungen, den ganzen Hass, den man abbekommt, weil man schwanger auf der Bühne steht! Und das habe ich dann natürlich auch in der Sendung  DCKS (Die Carolin Kebekus Show) benutzt.

Schwanger auf der Bühne: Carolin Kebekus 2023 im E-Werk.

Schwanger auf der Bühne: Carolin Kebekus 2023 im E-Werk.

Sie zitieren in Ihrem Buch auch Hass-Kommentare der letzten Zeit. Ist das über das Maß, das Sie gewohnt sind, hinaus gegangen, seit sie schwanger waren?

Das war schon speziell. Ich hatte das Gefühl, schwanger ist man wie so ein öffentliches Gut. Jetzt muss sich die Gesellschaft auch Sorgen machen, ob ich das alles richtig mache, denn ich trage ja in mir ein Mitglied der Gesellschaft. Also hat jeder etwas dazu zu sagen. Da habe ich gemerkt, dass da eine ganz andere Befehlshaltung dahinter ist. Wie viele Leute mir alleine geschrieben habe, dass ich zu alt bin. Einer hat geschrieben: So alt schwanger zu werden - peinlich.

Haben Sie gemerkt, dass sie diese ganzen gesellschaftlichen Erwartungen auch selbst verinnerlicht haben?

Ich habe das Gefühl, dass es bei meiner Generation so ist, dass man auch die Rolle der eigenen Mutter verinnerlicht hat. Als ich geboren wurde, ist meine Mutter zu Hause geblieben. Sie hatte einen Kindergarten in Bonn geleitet und eigentlich wollte sie gerne wieder zurück in den Beruf - aber es gab damals gar keine Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten. Also war sie immer zu Hause. Und dieses Bild von ihr hat mich natürlich geprägt: Man kommt nach Hause und die Mama ist immer da und bastelt was mit mir. Ich habe zum Beispiel zu allen meinen Geburtstagen so schöne Fotoalben bekommen. Und ich kann das alles nicht mal im Ansatz erfüllen - darüber schreibe ich auch im Buch. Weil ich eben arbeite. Trotzdem dasselbe zu leisten wie meine Mutter - das ist einfach unmöglich. Obwohl ihr Vorbild so präsent ist.

Ihr Leben als erfolgreiche Comedienne ist sicher nicht repräsentativ für die meisten Mütter.

Mir wird immer wieder bewusst, dass ich ein wahnsinnig privilegierter Mensch bin. Ich arbeite selbstständig, ich verdiene sehr gut, ich kann mir Betreuung kaufen, ich kann mir eine super Kita leisten. Und wenn jetzt jemand anrufen würde: Das Baby ist krank und muss abgeholt werden, hätte ich die Möglichkeit zu sagen: Wir müssen den Dreh abbrechen, oder wir müssen das Interview abbrechen. Da habe ich einfach eine große Freiheit, das alles so zu arrangieren, dass es passt. Und viele Menschen, die mich hierbei unterstützen. Trotzdem macht man sich als Selbständige natürlich Gedanken, egal wie erfolgreich man ist. Ich habe auch gedacht: Oh je, ein halbes Jahr nicht da sein, ein halbes Jahr keine Sendung!

Der Druck ist derselbe, egal wie privilegiert man ist. Man kann sich natürlich einfachere Lösungen kaufen.
Carolin Kebekus

Sie sind dann ja auch tatsächlich ein halbes Jahr nach der Geburt auf Tour gegangen.

Ja, der Vater des Kindes ist mitgekommen und hatte das Baby die ganze Zeit in der Trage. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre ein Jahr zu Hause geblieben! Ich hatte ja einen Kaiserschnitt und danach wahnsinnig lange Schmerzen, weil es irgendwelche Komplikationen gab. Es war wirklich furchtbar. Und ich glaube, wenn ich das nicht oder erst später hätte verarbeiten können - das wäre für mich nicht gut gewesen. So war es genau richtig: Ich konnte wieder auf die Bühne gehen, auch wenn ich nachts nicht gepennt habe und es teilweise auch echt abenteuerlich war. Für mich, nicht fürs Baby – das war noch so klein, dass es ihm egal war, ob der Papa es in Köln oder in Gummersbach in der Trage rumschleppt.

Das heißt, die Tour hat auch therapeutisch gewirkt?

Total! Ich habe gerade das Hörbuch eingesprochen. Und währenddessen hatte ich immer wieder so „Ach, ja!“-Momente. Tatsächlich ist es ja so, dass man super viel vergisst und verdrängt. Das finde ich schon krass und für mich ist es super wichtig, mit dem Buch so ein Zeugnis von dieser krassen Zeit zu haben.

Es gab also für Sie viel zu verarbeiten?

Der Druck ist ja derselbe, egal wie privilegiert man ist. Man kann sich natürlich einfachere Lösungen kaufen. Ich habe zum Beispiel eine Kita, die sich super geil kümmert. Ich muss nicht in der Straßenbahn stehen und irgendjemand kommt und sagt: Oh, Sie halten das Baby aber gar nicht richtig oder sowas. Das trauen sich die Leute nicht. Aber natürlich bekomme ich das in meinem Umfeld mit, wie krass der Druck auf Mütter ist in der Gesellschaft. Und ich mache ihn mir auch noch selbst. Schließlich wusste ich, das wird sehr wahrscheinlich mein einziges Kind bleiben. Es gibt jetzt keine Ausrede: Das Kind braucht das beste Spielzeug, gesunde Ernährung, altersgerechte Förderung. Das hat mich wahnsinnig gemacht! Und definitiv verstärkt Social Media diesen Druck noch. Gleichzeitig hat es mir auch geholfen, in Videos zu sehen, dass auch andere übermüdete Mütter gegen den Türrahmen laufen.

Sie machen sich im Buch viel über die Absurditäten in den Sozialen Medien lustig. Warum machen einen die perfekten Kinderzimmer dort so fertig, obwohl man doch weiß, dass auch die Realität der Influencerinnen ganz anders aussieht? Und warum schaut man sich das überhaupt an?

Natürlich weiß ich, dass die Körperbilder, die mir bei Social Media gezeigt werden, gefiltert und bearbeitet sind. Natürlich weiß ich, dass das alles keine realen Körper sind, die mir da gezeigt werden. Und trotzdem macht das was mit mir. Auch wenn ich weiß, dass das Quatsch ist. Außerdem: Wenn man so viel stillt – dann kann man ja auch nicht viel was anderes machen, ein Buch konnte ich dabei nicht so gut halten. Und dann habe ich mich halt die ganze Zeit durch die Sozialen Medien gescrollt. Und mein Algorithmus weiß bis heute ganz genau, wie alt mein Kind ist und was es mir anzeigen muss. Gerade sind das diese Videos von den übertrieben perfekten Brotdosen.

Natürlich weiß ich, dass das alles keine realen Körper sind, die mir in den Sozialen Medien gezeigt werden. Und trotzdem macht das was mit mir.
Carolin Kebekus

Haben Sie das Gefühl, dass Sie ein Vorbild für jüngere Frauen, die das Buch lesen oder im Publikum sitzen?

Ich hoffe, dass das ein bisschen so ist. Denn für mich ist diese ganze Mutterschaft so augenöffnend gewesen! Ich habe jetzt ein ganz anderes Bewusstsein für das Leben meiner Mutter und meiner Großmütter und allen anderen Frauen. Ich habe einfach ein anderes Verständnis dafür, was Frauen, was Mütter leisten. Und damit fängt ja auch mein Buch an: Dass die Gesellschaft eine Mutter wertschätzt, die sich aufopfert für ihre Kinder, die sich völlig zerreibt, nie auf sich und immer nur auf die Kinder geguckt hat. Und ich finde, das klingt wie ein Albtraum! Ich hoffe sehr, dass mein Kind sieht: Die Kita macht das Frühstück und das Mittagessen. Und die Mama guckt auch, dass es ihr gut geht und macht sich eben nicht kaputt. Das bedeutet ja auch, dass das Kind an dem Vorbild lernt, für sich zu sorgen und zu gucken, dass es ihm selber gut geht. Ich will dem Kind ja auch vorleben: Ich bin Mutter, und ich gehe auch arbeiten. Und wenn du groß bist, will ich, dass überall Frauen mehr Teilhabe haben und das Leben dann für sie leichter wird.

Wie blicken Sie beim Thema Feminismus in die Zukunft?

Ich habe diesen Optimismus in mir, zu denken: Frauen gehen keinen Schritt mehr zurück. Wir lassen uns das nicht mehr nehmen. Aber man sieht ja leider überall auf der Welt, dass das passiert. Wie in Amerika, wo es jetzt Staaten gibt, in denen Abtreibung komplett illegal ist – egal warum. Junge Mädchen sterben dort, weil sie es dann mit irgendwelchen zwielichtigen Methoden versuchen. Frauen sterben, weil sie ein Baby mit einem Gendefekt haben, das nicht lebensfähig ist - und trotzdem nicht abgetrieben werden darf. So etwas passiert in Amerika – das hätte ich früher nicht geglaubt. Und wenn man sich anguckt, wie viele Leute in Deutschland die AfD wählen. Die wollen ja im Grunde auch Frauen sehr einschränken, um es mal vorsichtig auszudrücken. Ich meine, ich bleibe auch super gerne mal zu Hause und backe was für das Baby - und wenn ich dabei noch Designerklamotten anhaben darf, super! Aber doch nicht für den Rest meines Lebens. Das ist ja ein Frauenbild, das total rückschrittig und rechts geprägt ist. Und sowas wird jetzt sogar von Frauen immer mehr propagiert. Frauen, die als Influencerin eigentlich ein großes Business hinter sich haben. Und dann erzählen: Es ist so toll, sich so zurückzunehmen für den Mann!


Carolin Kebekus: „8000 Arten, als Mutter zu versagen“, 192 Seiten, 22 Euro. Die Buchpremiere ist am 30. November im Kölner Gloria, die Veranstaltung ist ausverkauft.