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NRW-LandtagJustizaffäre: Opposition sieht Manipulation

Lesezeit 3 Minuten
Wurden dem Oberverwaltungsgericht wichtige Informationen vorenthalten? In der kommenden Woche muss NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) als Zeuge im Untersuchungsausschuss aussagen. (Archivfoto)

Wurden dem Oberverwaltungsgericht wichtige Informationen vorenthalten? In der kommenden Woche muss NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) als Zeuge im Untersuchungsausschuss aussagen. (Archivfoto)

In der Justizaffäre sieht die Opposition den Verdacht der Manipulation bestätigt. Dem Oberverwaltungsgericht seien unvollständige Akten übermittelt worden.

Das NRW-Justizministerium hat nach Überzeugung der Opposition dem Oberverwaltungsgericht in der Justizaffäre wichtige Schriftsätze vorenthalten. „Wir halten das für eine Manipulation“, sagten die Obleute von SPD und FDP im Untersuchungsausschuss, Nadja Lüders und Werner Pfeil. Das Justizministerium wies den Vorwurf als falsch und irreführend zurück.

Es geht um die Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts mit einer Duz-Bekannten des Justizministers. Das Ministerium habe ausgerechnet den Prozess der mehrfachen Nachbesserungen, mit denen die Bewerberin vom letzten auf den ersten Platz des Bewerberfelds kam, dem Oberverwaltungsgericht, das eine Konkurrentenklage in der Sache zu prüfen hatte, nicht zugesandt. 

Dies gehe aus einem Schreiben des Oberverwaltungsgerichts (OVG) hervor, dem nachträglich aufgefallen war, dass es offenbar nicht alle Schriftsätze bekommen hatte und diese vom Untersuchungsausschuss nachforderte, bevor das Verfahren schließlich gestoppt wurde. 

Aktenvermerk adA

„Das Justizministerium hat versucht, den Rechtsstreit vor dem Oberverwaltungsgericht zu manipulieren“, sagte Lüders. Entscheidende Hinweise gäben auch die Vermerke „adA“ und „zdA“. Während zdA „zu den Akten“ heiße und entsprechend gekennzeichnete Schriftstücke dem OVG mitgereicht wurden, seien Schriftsätze mit adA-Vermerk (außerhalb der Akten) in den Gerichtsakten nicht vorhanden. 

Auffällig sei auch, dass NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) an dem Tag, an dem die zuständige Referatsleiterin ihm mitgeteilt hatte, dass sie die Bewerberin nicht vorn sehe, gegenüber einem Mitbewerber wenige Stunden später von einem Vorsprung der Bewerberin gesprochen hatte, sagte Pfeil. „Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder Bewerbung noch Beurteilung vorlagen.“ 

„Der Minister ist sehr zufrieden“

Wie selektiv die Weitergabe der Schriftsätze sei, sehe man in diesem Fall: Die Tatsache, dass die Referatsleiterin die nachträgliche Bewerbung der Juristin für rechtlich zulässig hielt, sei weitergegeben worden, die Einschätzung, dass sie gegen die Mitbewerber keine Chance habe, sei nicht weitergegeben worden. 

„Das sieht alles aus nach: „Schreib' mal außerhalb der Akten, bis es passt““, sagte Lüders. So sei die Digitalisierung bei den Nachbesserungen zur Schlüsselqualifikation aufgebauscht worden, obwohl sie im Anforderungsprofil der Ausschreibung keine Rolle gespielt habe. 

Als dies nicht gereicht habe, sei der Aufbau einer Abteilung im Innenministerium als Plus hinzugekommen. So sei mehrfach nachgebessert worden, bis die Bewerberin vorne lag und der zuständige Abteilungsleiter der Referatsleiterin geschrieben habe: „Der Minister ist sehr zufrieden“, versehen mit einem Smiley. 

Justizministerium weist zurück: Irreführung

Ein Sprecher des Justizministeriums wies die Vorwürfe als unrichtig und irreführend zurück. Den Gerichten seien die relevanten Verwaltungsvorgänge vollständig vorgelegt worden. Bei den adA-Vermerken handele es sich um interne Notizen, Entwürfe und Einschätzungen, die nicht zum Verwaltungsvorgang gehörten, der dem Gericht vorgelegt wird. Dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss seien solche Unterlagen aber vorzulegen.

Die Juristin hatte sich bei einem gemeinsamen Abendessen mit Limbach für die gut dotierte Stelle interessiert und ihre Bewerbung nachgereicht. In der kommenden Woche muss Limbach als Zeuge im Untersuchungsausschuss aussagen. 

Ein Bundesrichter, der sich ebenfalls beworben hatte, hatte die Auswahlentscheidung als rechtswidrig bezeichnet. Er sprach von „Ämterpatronage“ und „Günstlingswirtschaft“. Er war bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Inzwischen hat das Kabinett seine Auswahlentscheidung zurückgezogen. 

Der Untersuchungsausschuss prüft derzeit, ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft den Ausschlag bei der Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts gab oder, wie es gesetzlich vorgesehen ist, die Kompetenz der Bewerber. 

Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren gestoppt. Das Oberverwaltungsgericht hatte dann als zweite Instanz gegen die Personalentscheidung in eigener Sache keine Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hatte die OVG-Entscheidung aber teilweise aufgehoben und zurückverwiesen. (dpa)