Einzelhandel in EuskirchenFrau will mit Café Leerstand in Annaturmstraße bekämpfen
Euskirchen – Eine Sichtschutzfolie da, ein Zu-Vermieten-Schild im Schaufenster dort. Noch immer stehen in der Euskirchener Innenstadt zahlreiche Ladenlokale leer. Doch es tut sich etwas im Zentrum der Kreisstadt. Monika Vinaske hat an der Annaturmstraße ihr Wohnzimmer für die Kunden geöffnet – in Form eines Cafés – und damit einen Leerstand mit Leben gefüllt.
Die Euskirchenerin versteht nicht, warum in der Annaturmstraße so viele Ladenlokale leerstehen. „Hier kommt Laufkundschaft vorbei, und man ist in der Stadt, ohne direkt im Zentrum zu sein“, sagt sie.
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Zudem gebe es auf dem Annaturmplatz zahlreiche Parkplätze. Sie habe neun Jahre das Café Henry an der Kommerner Straße betrieben, im Dezember erfolgte der Umzug an die Annaturmstraße, verbunden mit einer wochenlangen Renovierung. „Meine Stammkunden sind mit umgezogen. Das freut mich sehr“, sagt Vinaske, deren Café tatsächlich wie ein Wohnzimmer daherkommt und mit gemütlicher Atmosphäre überzeugt.
Mehr Unterstützung durch die Stadt gewünscht
Überzeugt sei sie auch davon, dass Euskirchen eine Stadt ist, in der sich Selbstständigkeit und Mut auszahle. Allerdings wünscht sie sich bei der Verwirklichung eines Traums ein bisschen mehr Unterstützung von der Stadt: „Wenn es öfter mal heißen würde, ,mach einfach’, würde das die Sache erleichtern.“
Sie ist nicht die einzige Euskirchenerin, die an der Annaturmstraße ihre Selbstständigkeit lebt. Im Ladenlokal eines ehemaligen Damenbekleidungsgeschäft verkauft ab dem 12. April Julita Kaminski ihre Deko-Artikel. Während dadurch ein monatelanger Leerstand beendet wird, entsteht an der Hochstraße mit der Hausnummer 6 ein neuer: Dort hatte Kaminski bis zum 15. März ihr Geschäft.
In einem Ladenlokal an der Vuvenstraße wurde zuletzt fleißig gearbeitet. In den vergangenen Tagen ruhte die Arbeit allerdings. Doch auch an der Ecke Vuvenstraße/Alter Markt scheint ein Leerstand bald der Vergangenheit anzugehören.
Genau wie im Bereich der Hochstraße 24, wo ein Barbershop eröffnen wird – so steht es zumindest am Schaufenster: „Coming soon“.
Christian Lange, Ausschussvorsitzender für Euskirchen beim Einzelhandelsverband Bonn-Rhein-Sieg-Euskirchen und Chef des Schuhhauses Lange, sieht den kreisstädtischen Einzelhandel als Garant für Qualität.
Er sei daher nicht vom Internet-Handel bedroht: „Das Stadtzentrum ist gut besetzt.“ Natürlich gebe es Betreiber, die aufhörten. Aber im Normalfall sei der Leerstand schnell wieder mit Leben gefüllt.
Statt des Internets habe es vor einigen Jahren eben das Kataloggeschäft gegeben. „In Fachgeschäften gibt es die ehrliche Beratung. Die wird man im Internet nie bekommen. Das wissen die Kunden zu schätzen“, sagt der Experte, der in der Innenstadt weniger Kundenfrequenz registriert hat. Allerdings kauften die Kunden nun viel gezielter: „Die Menschen kommen ganz bewusst nach Euskirchen, um einzukaufen.“
Es gebe regelrechte Ideologen unter den Kunden. „Ich höre die Kunden immer wieder sagen, dass sie mit ihrem Einkauf die Stadt erhalten wollten“, berichtet der Einzelhändler. Wichtig sei allerdings, dass der Einzelhandel den Kunden nicht enttäusche, ihn fair behandele: „Wenn ich heute Schuhe für 140 Euro verkaufe, dürfen die morgen nicht 80 Euro kosten. Sonst vergraulen wir die Kunden.“
Froh über City-Forum
Die Kundenstruktur habe sich verändert – auch in Euskirchen. „Der Kunde kauft nur noch nach Bedarf. Er kauft nur dann, wenn er etwas braucht. Die Veränderung hat aber nichts mit dem Internet zu tun“, so Lange. Er sei froh, dass kein größeres Einkaufszentrum am Klostergarten entstanden sei und das City-Forum nicht abgerissen wurde.
Lange: „Solche Einkaufszentren funktionieren nur dann, wenn es sie seit Jahren gibt und die Kunden sie kennen. Die Passagen in Euskirchen zeigen, dass sie nicht wirklich funktionieren. Das wäre mit einem Einkaufszentrum wohl genauso.“
Das Modehaus Meurer-Breuer an der Neustraße hat vor wenigen Wochen die Türen für immer geschlossen. Aktuell sind die ehemaligen Schaufenster mit Folie beklebt. Dahinter wird laut Lange indes fleißig gearbeitet. Wie er berichtet, soll dort ein modernes Geschäfts- und Bürogebäude entstehen – inklusive Glasfront.
Der Platz am Gardebrunnen habe sich zu einem „Gastro-Hotspot“ entwickelt. Es gebe einen kleinen Umbruch hin zur Eventgastronomie. „So etwas tut der Stadt gut“, meint Lange.
Kostenlose Testlabore in Euskirchen für potenzielle Selbständige?
„Für einen Leerstand in einem Ladenlokal gibt es stets individuelle Ursachen. Ebenso können verschiedene Faktoren zu einer erneuten Nutzung leerstehender Ladenlokale führen. Es gibt eine stete Bewegung“, sagt Silke Winter, Pressesprecherin der Stadt Euskirchen.
Laut Winter stehen die Fachabteilungen der Verwaltung bei potenziellen Ansiedlungen beratend zur Verfügung. Das Integrierte Handlungskonzept Innenstadt sei noch nicht abgeschlossen. Inwieweit der bisherige Prozess konkret zu einer Wiedernutzung eines leerstehenden Ladenlokals geführt habe, lasse sich nicht festmachen. Winter: „Ebenso erhalten wir keine Rückmeldung, ob jemand über unsere Homepage auf die Immobilie gestoßen ist. Meist greifen bei einer neuen Vermietung mehrere Faktoren ineinander.“ Die Wiedernutzung von Leerständen werde seitens der Stadtverwaltung sehr positiv bewertet, berichtet Winter auf Nachfrage.
Der Rat der Stadt Euskirchen wird in der nächsten Sitzung über einen Vorschlag der Partei Die Linke diskutieren. Sie fordert die Verwaltung auf, mit privaten Eigentümern von Immobilien und Geschäftsräumen ins Gespräch zu kommen, mit dem Ziel, leerstehende Objekte in der Innenstadt der Stadt kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Der Wunsch der Partei: Projektweise solle die Stadt die Ladenlokale kostenlos als „Test-Labore für potenzielle Selbstständige, Einzelhändler, Jungunter- nehmer, Vereine sowie Künstler und Studierende ausweisen“. Zudem sollten ab dem Haushalt 2019 jährlich 250.000 Euro eingeplant werden, um in der Kreisstadt Geschäftsräume zu erwerben und so die Möglichkeit zu haben, auf die Ergebnisse des Integrierten Handlungskonzepts zu reagieren.
Aus der Ratsvorlage geht hervor, dass die Verwaltung den Vorschlag ablehnt. „Es ist keine kommunale Aufgabe, auf diese Weise in den Immobilienmarkt einzugreifen und durch niedrigere Mieten Leerstände auf Kosten der Steuerzahler zu beseitigen“, heißt es. Abgesehen davon sei mit 250.000 Euro kein Erwerb von Geschäftsräumen möglich.