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Eine Stunde ab Köln HauptbahnhofEin Ausflug nach Jülich – wo schon Napoleon ins Schwitzen geriet

Lesezeit 5 Minuten
Hans-Josef Bülles sitzt an seinem Lieblingsplatz im Brückenkopfpark: Dem Ort der Stille hinter der Festung.

Hans-Josef Bülles leitet den Brückenkopfpark seit 28 Jahren. Ende des Jahres geht er in Rente.

In Jülich vereinen sich Naturerlebnis, Historisches und Wissenschaft. Und Raritäten wie Polarwölfe und weiße Kängurus gibt es hier auch.

Napoleon hat es beim Besuch der Baustelle dann wohl doch kurz den Schweiß auf die Stirn getrieben. Gerade hatte er sich zum Kaiser krönen lassen, kein schlechter und sicherlich kein unterbezahlter Job, könnte man meinen. Dennoch ratterten damals in Jülich in Napoleons Gehirn die Zahlenkolonnen. Wahrscheinlich ging es ihm nicht sehr viel anders als einem privaten Bauherren, dem beim Anblick der aufwändigen Dachkonstruktion in vorausschauender Befürchtung der hohen Handwerkerrechnungen schwindelig wird. Was historisch verbürgt ist: Napoleon stoppte bei seinem Besuch im September 1804 den Bau der Kasemattenanlagen in der Mittelbastion ganz und wies die Arbeiter an, ihre Pläne für die Nordbastion deutlich zu reduzieren.

Vermutlich eine richtige Entscheidung, kam es doch 1814 während der Befreiungskriege ohnehin kaum zu Kampfhandlungen am Brückenkopf und hisste der Kommandant einen Tag nach Napoleons Abdankung ohnehin die weiße Flagge an der Propsteikirche. Das französische Intermezzo im Rheinland war vorüber und die Menschen hier fortan auf dem Papier Preußen. Kasematten hin oder her.

Großer Spielplatz im Brückenkopfpark Jülich

Im Brückenkopfpark steht vor allem Familien ein abwechslungsreicher Tag bevor.

Einziger Freizeitpark NRWs, in dem es neben dem Spiel auch Tiere und Historie gibt

Vielleicht hätte es dem kleingewachsenen Feldherren eine späte Genugtuung bereitet, wenn er erführe, dass sein 880 Meter langes Bauwerk den Jülichern immer noch zu einem Superlativ gereicht. Immerhin ist der Brückenkopfpark laut Hans-Josef Bülles der einzige Freizeitpark NRWs, der Spiel, Tiere und Historie miteinander verbindet. Und Bülles muss es wissen, seit 28 Jahren arbeitet er im Park, überwiegend als Leiter. Eigentlich sollte er nur die Landesgartenschau 1998 vorbereiten und durchführen. Aber irgendwie ist der Würselener dann geblieben und fast zu einer festen Institution wie der Brückenkopf selbst geworden.

Kaum vorstellbar was passiert, wenn Bülles ab kommendem Jahr hier nicht mehr seine Kilometer abläuft jeden Tag. Die Kinder nicht mehr animiert „sich selbst auszuprobieren, zu spielen, nicht bespielt zu werden“. Denn Bülles managt zwar den Park, er ist aber auch gelernter Erzieher und Mechaniker und so sieht man ihn auch oft in Arbeitskleidung über das 33 Hektar große Gelände flitzen. Heute hat er schon eine Reihe von Kabeln gezogen und 500 Stühle im großen Rosengartenzelt mit aufgestellt. Die Abschlussfeier des Berufskollegs. Da packt der „Chef“ gern selbst mit an.

Hans-Josef Bülles sitzt im Brückenkopfpark in Jülich.

Bülles ist nicht nur Prokurist im Park, sondern auch Erzieher, Mechaniker und sogar Standesbeamter.

Auch sonst hat der Brückenkopfpark durchaus Besonderes zu bieten: 430 Tiere, darunter weiße Kängurus, weiße Polarwölfe, einen Zwergenspielplatz für Unter-Dreijährige, Vierhornziegen, Otternachwuchs. Nena ist hier schon dreimal aufgetreten, aber auch Udo Jürgens, Daniel Küblböck oder Caught in the Act. Aber auch Tausende Brautpaare, schließlich ist hier auch eine Außenstelle des Standesamtes beheimatet. Bülles war immer dabei. Auch bei den Trauungen, denn Bülles hat auch einen Lehrgang zum Standesbeamten absolviert. „Die Organisation von rund 1900 Trauungen ging schon über meinen Schreibtisch.“

Einen ganzen Tag kann man im Brückenkopfpark getrost einplanen. Schließlich soll sich hier niemand hetzen und lieber auf einer der Wiesen verweilen. Oder am Ort der Stille hinter der Festungsanlage am Wasser. Früher war das hier mal ein lauter Ort, eine NS-Thingstätte, wo die Nazis ihre germanischen Heldensagen aufführten, heute soll es dem Architektenwunsch zufolge bewusst leise und besinnlich zugehen. Manchmal komme eine Harfenspielerin oder eine Märchenerzählerin, sagt Bülles. „Manchmal sitze aber auch nur ich nach einem langen Arbeitstag hier auf der Bank. Es ist mein absoluter Lieblingsplatz. Hier kann ich runterkommen“, sagt Bülles.

Zitadelle Jülich

Die Zitadelle in Jülich mit dem Schloss ist eine der wenigen im Stil der italienischen Zitadellen erbauten.

Auch Italien gibt es in Jülich: Und zwar auf der Zitadelle

Wer sich doch schon früher loseisen kann, der besucht noch die Zitadelle von Jülich. Die liegt am Rande der kleinen Innenstadt und beherbergt auch das städtische Gymnasium. Dem aufmerksamen Kunsthistoriker wird hier ganz italienisch zumute. Jacek Grubba, Betriebsleiter der Zitadelle, weiß auch warum: „Die Zitadelle wurde im Stil der italienischen Renaissance erbaut – das macht sie in Nordeuropa zu einer Rarität.“ Einst war der Bau die modernste Festungsanlage in Europa. „Niemand konnte sich vorstellen, dass sie jemals eingenommen wird“, sagt Grubba.

Zitadelle Jülich

Die Zitadelle galt nach ihrer Entstehung als uneinnehmbar.

Als die Preußen kamen, galt das freilich nicht mehr. Da war die Festung schon mehrfach belagert worden und dann schoss 1860 die Armee bei einer Belagerungsübung quasi als Amüsement die Mauern kaputt. Grubba zeigt eine Kanone vom Essener Industriellen Friedrich Krupp sowie ein Bild der stolzen Truppen, die vor einem Mauerloch posieren – beides ist in der heutigen Festung ausgestellt. Nebenan geht’s so lustig weiter, wie man es in derart militärischen Gemäuern gar nicht vermuten würde: Nach der Entfestigung wurde die Zitadelle nämlich zur Unteroffiziersschule und bei Abschlussfesten zum feucht-fröhlichen Ort. Auf einer Fotografie feiert eine ganze Stube junger Männer mit Pfeifen, Flaschen und Krügen.

Betriebsleiter Jacek Grubba in der Zitadelle von Jülich.

Jacek Grubba mag am liebsten die Kasematten der Zitadelle. Hier unten ist es schön kühl und ruhig.

Für Grubba ist die Zitadelle allerdings auch Rückzugsort, wenn es beispielsweise im Sommer oder bei Stadtfesten etwas trubeliger wird. „In den Kasematten hier unten hört man nichts und es ist herrlich kühl.“


Jülich kulinarisch: Picknicken lässt es sich besonders schön im Brückenkopfpark. Dort kann man sein eigenes Essen mitbringen, aber natürlich auch Snacks erwerben. Wer essen gehen will, tut das ohne Reue im Bauernhofcafé Schwan, Marktplatz 8. Dort gibt es für alle etwas, die Spezialität ist aber die Brizza (Brezel-Pizza aus Laugenteig).

Termine: Im August gibt es im Brückenkopfpark ab neun Uhr Open-Air-Kino. Außerdem findet ein Märchentag statt, im September das Park- sowie das Apfelfest, im Oktober verbreiten die „Herbstlichter“ im Park eine ganz besondere Atmosphäre.

Forschung: Wissenschaftsinteressierte sollten sich das Forschungszentrum Jülich nicht entgehen lassen. Besuchertouren sind nach Anmeldung für Gruppen ab zehn Personen unter der Woche kostenfrei möglich.

Strandleben: Auch Dolce Vita am Wasser kann Jülich. Am Barmener See gibt es einen kleinen Sandstrand, eine Liegewiese sowie einen nahen Spielplatz. In der Nähe befindet sich zudem das Landschaftsschutzgebiet Drieschlandschaft mit dem Rurmäander, einem seltenen, naturbelassenen Stück Flussaue.

Geschichte: Wer sich für die Zitadelle oder den Brückenkopfpark interessiert, kann hier Gästeführungen buchen.