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Elektrobike statt EpoE-Bike-Test in den Wäldern des Sauerlandes

Lesezeit 8 Minuten
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Radfahrer seit dem vierten Le­bens­jahr: Autor Christian Seiter (44).

Sauerland – Mein erstes Mountainbike habe ich als Jugendlicher in den späten 1980ern besessen. Als Kind des südlichen Schwarzwaldes hatte ich allergrößten Spaß daran, Mensch und Material bis zum Äußersten zu treiben. Tagelang pflügte ich querfeldein durch die Wälder. Und es gab Steilhänge, die konnte ich nur im ersten Gang erobern – wenn überhaupt.

**Dieser Test wurde durchgeführt im September 2017.**

Ein kleiner Hilfsmotor wäre mir damals gut zupass gekommen. Aber die Technik war noch längst nicht soweit. Heute ist es vorwiegend das Bergische Land, wo die dicken Stollen meines MTB über Feld- und Waldwege rollen. Die Hänge sind dort nicht ganz so giftig wie im Schwarzwald. Aber auch dort kommt man ganz gut ins Schwitzen – was ja auch Sinn der Übung ist. Die Möglichkeit, ein E-Mountainbike zu testen, habe ich also dankend angenommen.

Meine Erfahrungen mit einem elektrisch verstärkten MTB beschränken sich bis dahin auf eine Tour vor drei Jahren. In den österreichischen Alpen. Etwa 500 Höhenmeter eines Berges wollen wir mit dem Fahrrad erklimmen. Um pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu sein. Aber der Akku ist nicht mehr frisch – und so endet die Unterstützung jäh nach knapp einer Viertelstunde. Danach ist alles noch viel anstrengender. Hätten wir uns doch nie auf die Motorisierung eingelassen: Das Pedelec ist viel schwerer als ein herkömmliches Fahrrad. Wir fluchten.

„Die neuen Akkus sind deutlich leistungsstärker, behaupten die Userportale im Internet.“

Mit zeitgemäßen Modellen sollte sich dieses Drama nicht wiederholen: Die neuen Akkus sind deutlich leistungsstärker, behaupten die Userportale im Internet. Und genau davon möchte ich mich überzeugen. Für den Test reise ich ins Sauerland, wo ich mich mit dem Fahrrad-Experten Marc Brodesser verabredet habe.

In seiner Bikeschule Ridefirst gibt der Wahl-Sauerländer Kurse für alle möglichen Bike-Formen. Vom Mountainbike über Rennrad bis zum Einrad. So nutze ich die Gelegenheit und erhalte neben der Probefahrt auf dem elektrisch verstärkten MTB neuester Generation nebenbei noch einen Kurs in Fahrtechnik. Auch wenn ich in meinem Leben insgesamt vermutlich schon zwei Mal um die Welt gefahren bin – viele seiner Tipps werde ich als wertvoll mit nach Hause nehmen.

Ich treffe Brodesser am späten Vormittag in Willingen beim Fahrradhändler mitten im Ort. „Craftshop“ ist für Skifahrer im Winter, und nun im Sommer für Wanderer und Biker der Anziehungspunkt. Craftshop-Monteur Markus Wind hat mein Bike für diesen Tag schon vorbereitet: Ein KTM Macina Force. Neben dem normalen Pedal-Antrieb mit neun Gängen sorgt ein 250-Watt-Elektromotor von Bosch für unterstützenden Vortrieb.

Die Betonung liegt dabei auf Unterstützung. Denn ganz ohne Treten gibt der Motor keine Energie frei. Über ein Display am Lenkrad ist die Stärke in vier Stufen wählbar: Eco (50 Prozent Unterstützung), Tour (120 Prozent), Sport (210 Prozent) und Turbo (300 Prozent). Alles geregelt.

Entspannter über die Höhenzüge

Der Motor ist auf 25 Stundenkilometer gedrosselt, was bedeutet, ab dieser Geschwindigkeit gibt es keine Unterstützung mehr. Kein Problem, denke ich. Da die Motorisierung des Bergrads in erster Linie darauf angelegt ist, auch steilste Hänge zu schaffen – oder zumindest entspannter über Höhenzüge zu kommen –, sollte diese Einschränkung ja wohl keine allzu große Rolle spielen.

Das Fahrrad auf meine Größe einstellen, dann geht es los. Den ersten leichten Anstieg gehe ich mit Eco-Unterstützung an. Fühlt sich an, als ob jemand moderat anschiebt. Marc, der neben mir mit einem herkömmlichen MTB strampelt, erzählt mir etwas – und kommt immer mehr ins Schnaufen dabei. Ich atme noch entspannt durch die Nase und denke mir: Mann, bin ich fit!

Probehalber schalte ich die Unterstützung aus und siehe da, nun steigt der Puls unmittelbar auch bei mir in die Höhe. Okay, wäre auch etwas vermessen gewesen, meine Fitness über die des Profis zu stellen. Die Schubkraft im leichten Anstieg, der sogenannte Uphill Flow, hat also schon mal überzeugt. Jetzt können echte Berge kommen!

Technik-Übungen für die Abfahrt

Bevor wir uns auf den Ettelsberg wagen, stehen noch ein paar Technik-Übungen an. Später werde ich sehr froh sein, diese Tipps erhalten zu haben, helfen Sie mir doch vor allem bei der Abfahrt, stets die richtige Position auf dem Fahrrad zu behalten. Die Grundposition für den Mountainbiker wird von meinem Fahrlehrer als Cowboy bezeichnet.

Aufrecht und entspannt auf dem Fahrrad stehen und die Arme links und rechts schön breit machen, rät er. In dieser Haltung ist man perfekt dafür gewappnet, alle Schläge durch Hubbel, Wurzeln und was der Waldboden sonst noch bietet, abzufedern und stets mittig über dem Rahmen zu bleiben. Je schwieriger das Gelände wird, desto tiefer gehen Arme und Beine.

Ein weiterer Grundsatz lautet: „Leichte Arme, schwere Beine“. Was bedeutet, dass das Gewicht des Körpers auf den Beinen liegt und eben nicht auf den Armen abgestützt wird. Schmerzen nach längerer Fahrt die Schultern oder schlafen die Hände ein, ist die Belastung falsch – also die Haltung.

Nächster Schritt. Wir wollen Hindernisse überspringen – Stöcke oder große Wurzeln. Dafür zuerst den Lenker aus einer tiefen Haltung startend dynamisch nach vorne schieben und den Schwerpunkt des Körpers nach hinten verlegen. In der Folge hebt sich das Vorderrad. Jetzt andersherum: Das Hinterrad kommt hoch, wenn man die Füße an den Pedalen einklemmt und explosiv nach oben springt. Mit dem schweren E-Bike gar nicht so einfach.

Die wertvollste Übung unserer Trainingseinheit ist das Kurvenfahren. Wichtig ist, zu Beginn der Kurve den Körper in Fahrtrichtung einzudrehen. Dann das Bike in die Kurve neigen und den (für die Bergabfahrt heruntergestellten) Sattel an das kurveninnere Bein anlehnen. Nach links funktioniert das bei mir deutlich besser als nach rechts. Dass ich eine klare Schokoladenseite habe, ist aber nach Ansicht meines Fahrlehrers absolut normal – und fast immer fällt die Linksdrehung leichter.

„Tour, Sport, Turbo – jeder Klick zündet die nächste Stufe.“

Also dann: Rauf auf den Berg! Ziel unserer Tour ist also der Ettelsberg, 837 Meter hoch und der Hausberg Willingens. Ich starte im Eco-Modus. Das Display am Lenkrad zeigt mir an, wie voll der Akku ist und wie lange ich im jeweiligen Modus noch fahren kann. Im Eco-Betrieb sind noch gut 100 Kilometer drin.

Je mehr Power ich zuschalte, desto weiter reduziert sich auch die mögliche Distanz. Aber selbst im Turbo-Modus könnte ich noch knapp 30 Minuten bergauf strampeln. Das Durchhaltevermögen des Akkus überzeugt mich jedenfalls schon mal – erkennbar ein Fortschritt gegenüber den Schwächen meiner ersten E-Bike-Erfahrung, die mich fast einen Sonnenaufgang gekostet hätten.

Nun wird es Zeit, einmal alle Modi auszutesten. Tour, Sport, Turbo – jeder Klick zündet die nächste Stufe. Jede wirkt wie eine zusätzliche Gangschaltung, nur dass man bei gleichbleibender Trittfrequenz immer schneller bergan fährt. Turbo kommt mir tatsächlich fast wie Mofafahren vor. Ich cruise federleicht dem Gipfel entgegen. Hat fast ein wenig was von Lance Armstrong in seiner aktiven Zeit. Nur, dass mein kleiner Helfer nicht Epo, sondern Elektro heißt.

Auch stilistisch gibt es einen Unterschied. Während Armstrong am Steilhang stets aus dem Sattel ging, bleibe ich – auf Empfehlung des Experten – sitzen. Durch die Unterstützung ist es gar nicht notwendig, aus dem Sattel zu gehen. Zudem ist dies auch für den Antrieb nicht zu empfehlen, da der Motor im Wiegetritt unregelmäßig anschiebt. Eine hohe und gleichmäßige Trittfrequenz sorgt dagegen für einen perfekten Schub.

Steilpassagen mit einem Hauch von Fahrtwind

An einer besonders steilen Passage üben wir das Anfahren am Berg. Damit ich vom Vortrieb des Bikes nicht nach hinten abgeworfen werde, soll ich mich ganz klein machen: Mit dem Hintern auf die Sattelspitze rutschen und den Kopf tief über dem Lenker halten. Sobald man den Po aus dem Sattel hebt, besteht die Gefahr, dass das Hinterrad durchdreht.

Der Schwung, mit dem mich das Fahrrad nun nach vorne peitscht, ist beachtlich. Im Turbo-Modus sind mir bergauf plötzlich Steilpassagen möglich, die bisher undenkbar gewesen wären. Und das mit einem Hauch von Fahrtwind.

Mit deutlich weniger Aufwand als mein Coach erreiche ich den Gipfel des Ettelsbergs. Fast euphorisch freue mich auf die bevorstehende Abfahrt. Nun kann ich getrost auf meine elektrische Unterstützung verzichten, dafür sind die Tipps vom Fahrrad-Experten umso wichtiger.

Adrenalinreiche Abfahrt auf dem Freeride-Trail

Der Freeride-Trail, den wir nehmen, hat es in sich. Sehr steile Abhänge und extreme Kurven-Kombinationen erfordern hohe Konzentration. Adrenalin, das ich gebrauchen kann, als ich in einer der ersten Kurven nur mit Mühe einen Sturz verhindere.

Dank des tiefen Schwerpunktes, den das Rad mit dem zentral im Rahmen verbauten Motor hat, ist das hohe Gewicht des MTB kein negativer Faktor. Die Bremsen, die ich nun ordentlich im Gebrauch habe, sind ebenfalls top, so dass ich den wilden Ritt durch die Wälder unbeschadet überstehe.

Von Sprüngen über die Hügel, wie sie andere Fahrer vollführen, bin ich weit entfernt. Dennoch macht das Abfahren auf dem Trail unglaublichen Spaß – wir nehmen gleich noch einmal die Gondel nach oben, um uns erneut dem Geschwindigkeits-Rausch hinzugeben. Zugegeben: Dafür ist der Motor wirklich nicht notwendig.

Fazit: Unterwegs im Rheinland würde ich eine Motorisierung meines Rades eher nicht in Betracht ziehen. Aber in den Hügeln des Bergischen Landes, erst recht aber für Ausflüge ins Sauerland oder in andere Mittelgebirge, macht diese Ausstattung durchaus Sinn. Allerdings sind die Preise, die für Mountainbikes mit Elektromotor derzeit noch aufgerufen werden, immer noch ziemlich saftig. Bei 2000 Euro geht der Spaß gerade erst los. Da lohnt sich für den Anfang ganz sicher ein Tagestrip nach Willingen oder Winterberg, um dort ein Bike im Verleih zu testen. Im Craftshop kostet das Leihrad zum Beispiel 40 Euro für einen Tag. Vermutlich werden die Kaufpreise in den kommenden Jahren günstiger werden. Warte ich’s also ab. Für ein E-Bike ist man schließlich nie zu alt.

**Dieser Test wurde durchgeführt im September 2017.**