Unsere vierte Radtour führt vom südlichen zum nordöstlichen Aussichtspunkt am Tagebau Hambach, durch Wälder, Felder und verlassene Dörfer.
Exklusive FrühlingstourMit dem Fahrrad zum Froschkonzert an der Abbruchkante
Das Konzert der Frösche ist fast ebenso beeindruckend wie der Ausblick. Sie empfangen den Radfahrer an der südlichen Abbruchkante des Tagebaus Hambach mit ihrem Gequake, sie rufen aus Tümpeln und Pfützen heraus, die der Regen in die vom Menschen zerrissene Landschaft gemalt hat. Es ist, als würde die Natur daran erinnern wollen, was hier einst war: Wälder und Moore, so weit das Auge reicht.
Verlassene Dörfer und Abbruchkante
Im vierten und abschließenden Teil unserer „Rauf-aufs-Rad“-Serie zum Frühlingsstart geht es zum Tagebau Hambach. ADFC-Tour-Guide Clemens Rott hat eine abwechslungsreiche Route durch Wälder, Felder, verlassene Dörfer und zu zwei Aussichtspunkten an der Abbruchkante zusammengestellt. Es geht über 35 Kilometer in zwei Schlenkern vom Bahnhof Buir zum Bahnhof Sindorf. Die An- und Abreise per S-Bahn bietet sich an, in Buir stehen am Bahnhof aber auch Parkplätze zur Verfügung. Dann müssen zusätzliche zehn Kilometer mit dem Rad für die Fahrt von Sindorf zurück nach Buir eingeplant werden – oder man spart sich vom Aussichtspunkt Terra Nova aus den Bogen über Sindorf und navigiert direkt wieder nach Buir.
Vom Start-Bahnhof radeln wir zunächst süd-westlich aus dem Dorf heraus. Am Buirer Fließ geht es über die Bahnschienen, die A4 und die Grubenbahn-Strecke, dann weiter an Feldern vorbei in Richtung Merzenicher Erbwald. Wir fahren an gelbem Raps entlang, die leuchtend-frische Farbe wird uns an diesem Tag immer wieder begegnen. Im Wald empfängt uns angenehme Kühle, so radeln wir ganz entspannt bis zur südlichen Ecke der Hambacher Abbaugrube. Der Aussichtspunkt auf dieser Seite ist ein nicht weiter erschlossener, wenig besuchter Ort. Ein Schotterweg führt nach rechts und links an der Kante entlang und es lohnt sich, ein kleines Stück in jede Richtung zu fahren und den Ausblick zu erkunden.
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Aussichtspunkt Terra Nova - Blick auf die Hambacher Grube
Vor uns liegt im flirrenden Sonnenlicht eines frühen Sommertages ein riesiges Loch. Die Reste der Millionen Jahre alten Pflanzen sind unter Schichten von Sedimentgestein zu Braunkohle geworden, und die wird hier seit 1978 gefördert und verstromt. Später, am Aussichtspunkt Terra Nova auf der anderen Seite, lernen wir von Schautafeln, dass die Grube derzeit rund 170 Meter tief ist. Und dass das ursprüngliche Abbaufeld des Tagebaus Hambach einen Braunkohlevorrat von 2,5 Milliarden Tonnen bis in eine Tiefe von 450 Metern umfasste. „Angesichts des geplanten Ausstiegs aus der deutschen Braunkohleverstromung bis Ende 2038 werden diese Vorräte nun nicht mehr vollständig in Anspruch genommen“, wird auch noch mitgeteilt.
See zur Naherholung statt Kohleabbau
Die Frösche feiern ausgelassen. Vielleicht den aufziehenden Sommer, vielleicht das Erwachsenwerden der unzähligen Kaulquappen in den kleinen und größeren Wasserlöchern. Vielleicht aber auch die Aussicht, dass hier nach dem Ende des Kohleabbaus ein großer See angelegt werden soll. Dessen Befüllung mit Rheinwasser werde laut RWE 2030 beginnen, bereits zehn Jahre später könne eine erste Wasserfläche zur Naherholung genutzt werden.
Wir radeln von der südlichen Gruben-Ecke auf einem anderen Weg durch den Wald zurück zur Ellener Straße, dort biegen wir links ab und fahren in Richtung Alt-Morschenich. Wir durchqueren das größtenteils verlassene Dorf, es verströmt eine unwirtliche Atmosphäre. Durch den vorgezogenen Kohleausstieg wird es den RWE-Baggern nun doch nicht zum Opfer fallen. Jetzt wartet es auf seine Wiederbelebung als „Ort der Zukunft“, wie die Gemeinde Merzenich ihre Vision nennt. Am nördlichen Ende des Ortes fahren wir nach rechts in Richtung Hambacher Forst. Wer die Beine lockern möchte, biegt zunächst nicht ab, sondern findet ein paar Meter weiter geradeaus ein idyllisches Plätzchen: Unter einem blühenden Kastanienbaum lädt eine Bank zum Verweilen ein.
Auf der Route geht es vorbei am kleinen Flugplatz Morschenich, an sonnigen Wochenend- und Feiertagen herrscht hier reger Betrieb. Wir steuern in Richtung Alt-Manheim, zum nächsten verlassenen Ort. Hier imponiert die ehemalige Pfarrkirche St. Albanus und Leonhardus, die zwischen abgerissenen Häusern und Bauwägen allen Wirrungen trotzt. Die zwischen 1898 und 1900 erbaute Kirche wurde 2019 entweiht, in Manheim-neu entstand als Ersatz eine Kapelle. Ob die alte Kirche erhalten bleiben kann, ist noch unklar.
Unsere Tour geht weiter durch den Bürgerwald Steinheide, zeitweise wird es laut, weil wir am Kart-Club Kerpen entlangfahren. Wir queren noch einmal die Autobahn, radeln am idyllisch gelegenen Reitergut Steinheide und der hübschen Kapelle Geilrath vorbei und erneut über die Autobahn. Dann geht es entlang der B477 in Richtung Aussichtspunkt Terra Nova. Hier gibt es Liegestühle direkt an der Abbruchkante, ein Restaurant und ein Informationszentrum. Bei schönem Wetter bieten mobile Eiswagen Abkühlung an und Kinder finden Vergnügen auf dem Spielplatz oder beim direkt nebenan gelegenen Fußballgolf Berrendorf.
40 Millionen Tonnen Braunkohle pro Jahr
Müde Radler können hier ein Weilchen entspannen und staunen, bevor es über Heppendorf nach Sindorf geht – oder eben zurück nach Buir. Diese Grube ist so unglaublich, mit dem Auge kaum zu erfassen. Hier arbeiten die größten Bagger der Welt, erfahren wir auf den Infotafeln. Sie sind 220 Meter lang, 96 Meter hoch und 13.500 Tonnen schwer. Pro Jahr wurden im Tagebau Hambach rund 40 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Und wie sieht die Zukunft aus? RWE verweist auf die Sophienhöhe am Nordrand des Tagebaus, wo die Rekultivierung bereits begonnen hat und ein Ausflugsziel mit Wanderwegen und Wildgehegen entstanden ist. Oder auf den Speedway Terra Nova, die ehemalige Fernbandtrasse, die nun über 14 kreuzungsfreie Kilometer Inline-Skatern und Radfahrern eine Schnellbahn bietet.
Der See, der in Teilen der Abbruchgrube entstehen soll, ist bislang nicht mehr als ein Schaubild. Es mutet unwirklich an vor dem Hintergrund des riesigen Lochs in der Landschaft. Aber Mensch und Frosch dürfen sich wohl drauf freuen.
Eckdaten zur Tour
Hambacher Tagebau von Buir nach Sindorf: Schwierigkeitsgrad: leicht, für alle Waldweg-tauglichen Räder geeignet, auch mit Anhänger befahrbar. Die Wald- und Feldwege sind teilweise mit dicken Schlaglöchern versehen, hier ist hin und wieder ein wenig Geschick gefragt.
Länge der Tour: Die komplette Strecke geht über 35 Kilometer. Wer mit Kindern unterwegs ist und nur eine kleinere Runde drehen will, kann nach 16 Kilometern geradeaus zurück nach Buir fahren, anstatt links in Richtung Alt-Manheim abzubiegen.
Start und Ziel: Wir starten am S-Bahnhof Buir und beenden unsere Tour am S-Bahnhof Sindorf, beide sind mit der S19 zu erreichen. Wer mit dem Auto anreist, muss zehn Kilometer extra von Sindorf zurück nach Buir einplanen – oder direkt vom Aussichtspunkt Terra Nova zurück nach Buir navigieren.
Navigation: Eine einfach zu handhabende Navigation per Mobiltelefon macht das Erkunden neuer Rad- oder auch Wanderwege heute zum Kinderspiel. Die GPS-Daten der vier Frühlings-Radtouren, die der ADFC-Experte Clemens Rott exklusiv für das Magazin zusammengestellt hat, lassen sich über die Navigations-App Komoot abrufen. Alle Strecken wurden kurz vor der Veröffentlichung getestet, trotzdem können natürlich neu aufgetretene Hindernisse (zum Beispiel umgestürzte Bäume oder aktuelle Sperrungen) auftauchen.
Die Grundfunktionen von Komoot sind kostenlos, lediglich für erweiterte Funktionen und Offline-Kartenmaterial muss gezahlt werden. Wichtig: Bei längeren Touren Powerbank nicht vergessen, um das Handy bei Bedarf wieder aufzuladen. Sonst kann es passieren, dass man ziemlich verloren im Wald strandet und sich durchfragen muss, anstatt ganz entspannt den Komoot-Anweisungen zu folgen.
GPS-Angaben zur Tour: kurz.adfc.koeln/magazin
Highlights auf der Tour:
- Einkehr: Forum Terra Nova
- Sehenswürdigkeiten: Südlicher Aussichtspunkt Tagebau Hambach
- Ehemalige Pfarrkirche St. Albanus und Leonhardus in Alt-Manheim
- Aussichtspunkt Terra Nova
- Speedway Terra Nova