Die „Drei ???“-Sprecher Rohrbeck im Interview„Im Studio können wir uns anzicken“
- Seit 40 Jahren spricht Oliver Rohrbeck die Rolle des Detektiven Justus Jonas
- 2002 trauten sich die „Drei ???“ auf die Bühne und füllen seitdem Arenen in ganz Deutschland
- Die Figur des Justus nennt Rohrbeck die Rolle seines Lebens
Oliver Rohrbeck wurde 1965 in Berlin geboren und sammelte schon als Kind in der Sesamstraße Bühnenerfahrung. Nach einer Schauspielausbildung spielte er Theater, übernahm Sprechrollen und verantwortete als Regisseur ganze Film-Synchronisationen.
Oliver Rohrbeck, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt als junger Detektiv Justus Jonas im Jahr 1979?
Oliver Rohrbeck: Ja, ich hatte bei Heikedine Körting (Anm. d. Red. der Hörspiel-Chefin von „Europa“, die alle „Drei ???“-Folgen produziert hat) in Hamburg vorher die „Fünf Freunde“ aufgenommen und auch den „Kleinen Muck“. Jens (Anm. d. Red. Wawrczeck, der Sprecher von Peter Shaw) hatte auch schon mit ihr gearbeitet, nur für Andreas (Anm. d. Red. Fröhlich, Sprecher von Bob Andrews) war das völlig neu. Bei den Aufnahmen war dann Andreas zuerst Peter, und Jens war Bob, und es hat vorne und hinten gehakt. Dann hat Frau Körting gesagt: So, jetzt tauscht ihr beide Mal die Rollen – und plötzlich ging’s.
Woran lag es?
Rohrbeck: Die kamen beide nicht in ihre Rollen rein. Erst mit dem Tauschen ist der Knoten geplatzt. Wir haben am ersten Wochenende gleich zwei oder drei Folgen gemacht. Dann haben wir uns nur gedacht, hoffentlich meldet sich die Frau mal wieder. Das tat sie. Aber wir sind immer davon ausgegangen, dass das noch ein Jahr geht, so eine Serie kann ja nicht ewig dauern. Na ja, und nun sind es plötzlich 40 Jahre.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie für den Rest Ihres Lebens Justus Jonas sein würden?
Rohrbeck: Vielleicht 2000, als wir das erste Mal bei der PopKomm in Köln aufgetreten sind, zuerst noch ohne unsere Gesichter zu zeigen. Da haben wir uns gedacht, dass das wohl doch was Größeres ist, und noch ein bisschen länger gehen wird. Aber dass es 40 Jahre werden wird, und wer weiß, wie lange noch, das war uns nie klar. Das ist einfach nicht normal.
Jens Wawrczeck hat gesagt, er könne sich den Erfolg nicht erklären. Was wäre Ihre Antwort?
Rohrbeck: Das Erfolgsgeheimnis wüsste ich auch gerne. Das wollen ja alle kopieren. Es muss damit zusammenhängen, dass „Die Drei ???“ in Amerika spielen und da doch noch viel Fantasie mit ins Spiel kommt. Für eine Hörspielreihe ist das sicher dankbarer, als wenn man sagt, die spielt in Deutschland und jeder weiß, wie hier eine Bushaltestelle aussieht und sich anfühlt.
Gibt es noch andere Faktoren?
Rohrbeck: Ja, es gibt zum Beispiel nie Leichen. Dafür haben die Fälle immer mit Stimmen aus Wänden zu tun oder Operndiven, die Villen in den Hügeln von Rocky Beach haben, da muss es ja Tausende dieser Villen geben, mit irgendwelchen Katzen und Leuten, die Unwahrheiten produzieren. Das sind oft so absurde Fälle, dass sie es schaffen, die Fantasie zu beflügeln. Und dann wurden früher die Kinder dazu konditioniert, mit den „Drei ???“ einzuschlafen: Du darfst jetzt nicht mehr fernsehen, aber du kannst im Bett noch eine Kassette zum Einschlafen hören. Dabei waren die viel zu spannend zum Einschlafen. Das ist auch Teil der Erfolgsgeschichte: Heute hören das immer noch die Erwachsenen und geben das an ihre Kinder weiter.
Hat sich denn die Dynamik zwischen Ihnen im Studio verändert?
Rohrbeck: Ja natürlich, im Laufe der Jahre sind wir viel inniger geworden, mit allem, was wir zusammen erlebt haben, auf den Tourneen, bei den Aufnahmen, mit den Kollegen, die man da kennenlernt. Wir kennen uns in- und auswendig, wissen, wie der andere reagiert.
Sie sind wie die Rolling Stones...
Rohrbeck: ...oder wie eine Boyband. Wir sind aber nicht so oft zusammen, dass wir uns auf den Nerv gehen könnten. Wir treffen uns alle drei, vier Monate, das hat unsere Freundschaft erhalten. Wir sind auch immer noch das Anfangsteam, die gleichen Sprecher, die gleiche Produzentin und Regisseurin. Und wir sind alle drei Schauspieler geworden. Das hat der Sache auch gut getan.
Und im Gegensatz zu den Rolling Stones streiten Sie sich nicht?
Rohrbeck: Nö, nie.
Sie sind nicht nur alle drei Schauspieler geworden, Sie sind auch alle in jeweils anderen Sprecher-Bereichen aktiv.
Rohrbeck: Andreas und ich haben noch ein paar Jahre lang Theater gespielt, aber das ist ein bisschen wie im Leistungssport, wo man sich auf eine bestimmte Disziplin konzentriert. Deswegen machen wir heute eben Hörbücher und Synchronregie, dabei muss man genauso schauspielern wie auf der Bühne. Markiert man nur die Emotionen, die man in die Stimme legen will, hört sich das blöd an. Ich finde meine Arbeit extrem befriedigend und fühle mich genau dazu berufen.
Sie spielen zwar vorm Mikrofon, aber Sie versuchen nicht, zwanghaft jugendlich zu klingen.
Rohrbeck: Das geht auch nicht. Das ist ja ein schauspielerische Haltung, wenn ich versuche, mich in die Rolle eines 18-Jährigen zu versetzen, dann ist meine Geisteshaltung eine andere, dann klingt die Stimme plötzlich ganz anders (jetzt hört sich Rohrbeck exakt wie ein aufgeregter Justus Jonas an), ohne, dass man sie bewusst verstellt hat.
Gibt es eigentlich eine Art Regelwerk für „Die Drei ???“?
Rohrbeck: Nein, früher, bei den ersten 80 Folgen gab es mehr Mystik und Rätsel, dann wurden die Action-Sequenzen ausgebaut. Und dann hat sich noch etwas entwickelt, was es in den Büchern nicht gibt: Die Dynamik zwischen uns dreien, dass wir uns auch mal anzicken können, das hat sich im Studio so entwickelt.
Sie haben Pubertät und Midlife-Crisis vorm Mikro durchlebt, haderten Sie da auch mal mit der Rolle des Justus, der ja in all der Zeit höchstens fünf Jahre gealtert ist?
Rohrbeck: Ne, überhaupt nicht. Das war immer nur Arbeit und das war total spannend, wenn wir für ein oder zwei Tage mit dem Flugzeug nach Hamburg geholt wurden. Da konnte man gar nicht mit hadern. „Die Drei ???“ sind eher die Abwechslung vom Alltag.
Als Sie 2002 auf Tour gingen, hatten Sie keine Bedenken mehr, Ihre Gesichter zu zeigen?
Rohrbeck: Nein, weil wir da schon zu alt waren, um mit den drei Detektiven verglichen zu werden. Wir wollten auf der Bühne zeigen, wie ein Hörspiel entsteht, mit Geräuschemachern und Musikern. Zum Auftakt in der Hamburger Uni kamen gleich 1800 Leute. Und die nächste Tour war schon eine reine Arena-Tour. Die Veranstalter sagen, es gibt nicht viele Acts, die Arenen ausverkaufen. Da sind wir mächtig stolz drauf.
„Die drei ??? und der dunkle Taipan“ heißt der Fall, der eigens für Ihre neue Tournee geschrieben wurde. Was unterscheidet einen Bühnen-Fall vom Hörspiel?
Rohrbeck: Wir haben 2004 den „Super-Papagei“ in der Hamburger Arena aufgeführt, original wie er auf der Kassette war, aber die alten Fälle sind Kürzungen der Bücher und da hakt es ab und an in den Geschichten. Außerdem waren die nur 45 Minuten lang und live wollen wir schon ein bisschen mehr bieten. Wir müssen auch Sachen einbauen, damit sich die Leute in den oberen Rängen nicht langweilen. Und vor allem müssen wir auf eine Länge von zwei Stunden kommen.
Ihre 200. Folge „Feuriges Auge“, kommt ja jetzt sogar auf eine Länge von fast fünf Stunden!
Rohrbeck: Ehrlich gesagt habe ich die selbst noch nicht gehört.
Sie hören die Folgen nicht?
Rohrbeck: Doch, ich veranstalte ja auch die Record Release Parties. Aber man kann nicht Leute dazu einladen, sich fünf Stunden lang zusammen eine CD anzuhören. Deswegen muss ich bis zur nächsten Autofahrt warten.
Das „Feurige Auge“ beginnt mit der Suche nach Justus. Der erste Detektiv ist herausgehoben, oder?
Rohrbeck: Nein, die ergänzen sich. Die anderen wissen, dass Justus auf Sachen kommt, die ihnen nie einfallen würden. Die nennen ihn ja auch Chef. Ich kann manchmal selbst nicht nachvollziehen, wie er auf diese Sachen kommt. Justus weiß wiederum, dass er ohne die beiden anderen keinen Fall lösen könnte.
Die Grundzüge der drei Detektive kennt jeder: Justus ist neunmalklug und verfressen, Peter sportlich und ängstlich, Bob kennt die Aktenlage. Welche Eigenschaften sind später dazugekommen?
Rohrbeck: Ich glaube, am meisten hat Bob dazugewonnen, der war anfangs am wenigsten beschrieben. Sein Vater arbeitet bei der Zeitung, er wühlt gerne im Archiv, mehr wusste man über den nicht. Andreas hat ihn zum vielseitigen Charakter entwickelt. Sein Bob kriegt immer von irgendwem in die Fresse, hat ständig Schmerzen und oft was mit Frauen.
Gibt es Folgen, an die Sie besonders gerne zurückdenken?
Rohrbeck: Zum Beispiel „Nacht in Angst“, wo Justus ganz wenig auftaucht, weil er im Fahrstuhl feststeckt. Die habe ich neulich wieder gehört und fand sie super. Besonders schön war für mich „Das leere Grab“, wo Justus nach Südamerika fliegt, weil dort angeblich seine Eltern wieder aufgetaucht sind. Das war mal eine emotionale Folge für Justus, das zu Spielen hat Spaß gemacht.
Gibt es Folgen, die Sie lieber vergessen würden?
Rohrbeck: Na ja, es gibt mehrere Fußball-Fälle, die ich ein bisschen dürftig fand. Oder Bob im Weltraum (Folge 92 „Todesflug“).
Wann würden Sie mit den „Drei ???“ aufhören?
Rohrbeck: Wenn es mit unserem Alter so unglaubwürdig wird, dass die Leute uns auslachen, hören wir sofort auf. Man muss immer loslassen können im Leben, und insofern habe ich davor auch keine Angst. Aber es zeichnet sich ehrlich gesagt noch nicht ab.