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Freilichtmuseum, Bergbau, Römer7 Orte in NRW, an denen wir in der Zeit zurückreisen

Lesezeit 8 Minuten
Kommern

Historische Fachwerkhäuser kann man im Freilichtmuseum Kommern besichtigen. 

Hat noch jemand eine alte Tankstelle übrig oder gar einen Bahnhof? Das LVR-Freilichtmuseum in Kommern würde sich darüber sehr freuen. Gesucht wird auch eine Autowerkstatt aus den 1950-er oder 1960-er Jahren. Während die bisherigen Baugruppen Gebäude umfassen, die etliche Jahrhunderte alt sind, wird in der neuen Baugruppe „Marktplatz Rheinland“ die deutsche Nachkriegsgeschichte bewahrt: von der rheinischen Kneipe über eine Milchbar und das erste Fertighaus bis hin zu einem Flüchtlingscontainer aus den 1990-ern.

„Der Vorteil ist, dass wir in der neuen Baugruppe auf Zeitzeugen zurückgreifen konnten“, erläutert Daniel Manner, Pressesprecher des Freilichtmuseums. So hat Kawa Abbas, ein Flüchtling aus dem Irak, dafür gesorgt, dass sein schmales Container-Zimmerchen, in dem er zwölf Jahre lebte, inklusive der ursprünglichen Möbel erhalten geblieben ist. Auch in den Häusern stimmt jedes Detail: von der gelb-braun-orangefarben gemusterten Tapete und dem Elektrorasierer im Badezimmer bis zum VW-Käfer und dem Opel Admiral in der Garage.

Museum zeigt früheres Leben am Niederrhein und im Bergischen Land

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79 originale Gebäude aus der früheren preußischen Rheinprovinz sind in Kommern zu sehen. 

Das LVR- Freilichtmuseum Kommern/Rheinisches Landesmuseum für Volkskunde wurde im Sommer vor 60 Jahren eröffnet. Die Anlage in Trägerschaft des Landschaftsverbandes Rheinland wächst seitdem ständig und ist mit über 100 Hektar eines der größten Freilichtmuseen Europas. 79 Gebäude aus der früheren preußischen Rheinprovinz sind dort in den Baugruppen Eifel, Niederrhein, Bergisches Land und Westerwald zu sehen. Die Bauernhöfe, Mühlen, Werkstätten und Gemeinschaftsbauten wie Schul- und Backhaus, Tanzsaal oder Kapelle stehen beispielhaft für das Wohnen und Arbeiten der Landbevölkerung seit Ende des 15. Jahrhunderts. Alles ist liebevoll eingebettet in eine idyllische Landschaft mit Äckern, Bauerngärten und Obstwiesen.

Für die unterhaltsame wie lehrreiche Zeitreise sollte man sich unbedingt Zeit nehmen und eventuell eine Wiederholung planen. Denn das Angebot reicht vom modernen Guerilla-Garten bis zum „Bratort“, jener Original-Würstchenbude aus der Kölner „Tatort“-Serie, die derzeit die Besucher zu Fritten und Currywurst einlädt. In Kommern ist auch die legendäre „Tante Emma“ noch lebendig und heißt Dagmar Guhlemann.

„Meine Oma hatte in Oberkassel einen kleinen Kiosk. Ich war als Zehnjährige sehr stolz, dass ich ihr helfen und Süßigkeiten in Spitztütchen abfüllen durfte.“ Die gebürtige Düsseldorferin, früher Zahnarzthelferin, hat sich mit der Rolle der Ladenbesitzerin über den Förderverein des Museums einen Traum erfüllt. Die 62-Jährige bietet Produkte „anno 1930“ an, darunter Kernseife, Brause, Schnäpse, Ziegenkäse und Wurstwaren.

Über 200.000 Besucher pro Jahr im Freilichtmuseum

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Der Schmied Dieter Knoll kommt bei der Arbeit gern mit Besuchern ins Gespräch. 

Dieter Knoll, der Schmied in der kleinen Schlosserei, ist fröhlich pfeifend bei der Arbeit. Er war mehrmals im Fernsehen zu sehen, darunter auch in der „Sendung mit der Maus“. Der 52-Jährige kommt gern mit Besuchern ins Gespräch. „Ich war schon als Kind öfters im Museum. Als ich vor 13 Jahren von der Stellenausschreibung eines Kunst- und Hufschmiedes erfahren habe, habe ich mich beworben.“ Wie alle anderen Mitarbeiter ist er nicht nur für die Darstellung des früheren Dorflebens, sondern auch für die alltäglichen Instandsetzungs- und Pflegearbeiten wie die Reparatur historischer Türbeschläge oder die Klauenpflege der Tiere zuständig. Die Pferde, Kühe, Esel, Ziegen oder Hühner machen das Dorfleben noch authentischer.

In Kommern ist man stolz darauf, das Freilichtmuseum mit der größten Waldfläche in Europa zu sein. Die vielen Bäume machen den Rundgang bei Hitze deutlich angenehmer. Normalerweise kommen pro Jahr weit mehr als 200.000 Besucher. Die rund 60 Mitarbeiter und weiteren Saisonkräfte sind deshalb über die Corona-Lockerungen sehr froh: Endlich können sie wieder aktiv werden. In der Baugruppe Eifel diskutiert Andrea Rolfes-Köhnen gerade mit einem Besucher-Ehepaar über Schädlingsbekämpfung, kein Wunder, spielt die 57-Jährige doch hier die Mausefallen-Krämerin, ihr zu Füßen Museumskatze „Mausi“.

Urban Gardening, Löwenzahn-Limonade und Kleider aus Brennesselstoff

TanteEmma

Dagmar Guhlemann arbeitet in einem typischen Tante-Emma-Laden anno 1930 und hat sich damit einen Traum erfüllt. 

Gespielte Geschichte soll es demnächst auch in der Nachkriegsausstellung geben: mit einer „Avon-Beraterin“ in Sachen Kosmetik. Unter anderem sorgt eine Einbahnstraßenregelung dafür, dass die Pandemie-Auflagen erfüllt sind. Viele Angebote sind sicherheitshalber nach draußen verlagert worden.

Eine spezielle Ausstellung widmet sich vorindustriellen Küchengärten bis hin zum heutigen „Urban Gardening“. Das Museum betont seine Naturverbundenheit und hat das „Unkraut“ wiederentdeckt: „Wir lassen es jetzt auch einmal stehen, selbst wenn es unordentlich aussieht“, sagt Manner. Denn was zu Großmutters Zeiten selbstverständlich war, werde nun wiederentdeckt: Wildkraut-Produkte wie Löwenzahn-Limonade, Waschmittel mit Seifenkraut und Kleider aus Brennnesselstoff seien im Trend. Landwirtin Antonia Zimmermann, gerade mit einem Rasenmäher unterwegs, berichtet über das neue Projekt der ehrenamtlichen Ackerwildkräuterpaten. Wer sich ausbilden lassen und fachkundig helfen wolle, so die 39-Jährige, sei jederzeit im Team willkommen.   

Infos zum Tipp

Anfahrt: Das Museum ist über die A1 zu erreichen. Die Adresse fürs Navi: 53894 Mechernich-Kommern, Eickser Straße. Parkplätze sind ausreichend vorhanden. Wichtig: Der Anstieg zur Kasse ist steil und der kostenlose Fahrservice wegen der Pandemie eventuell weiter eingestellt. Vom Bahnhof Mechernich gibt es eine Taxibus-Linie im Stundentakt (vorzubestellen unter 02441-99454545 oder www.rvk.de). Hunde willkommen, dürfen aber nicht in die Häuser.

Öffnungszeiten: Tgl. 9-19 Uhr. Je nach Corona-Lage ist der Zugang nur mit Online-Buchung oder über 02234/9921555 möglich.

Tickets: Erwachsene 9,50 Euro; bis 18 Jahre gratis. Kinder und Jugendliche müssen aber vorher eine „Freikarte“ buchen. kommern.lvr.de oder Tel. 02443/99800 oder kommern@lvr.de

Das könnte Sie auch interessieren:

Sechs weitere Orte für eine Zeitreise im Rheinland

1. Spielend in der Vergangenheit

Wer im Niederrheinischen Freilichtmuseum Dorenburg in Grefrath (Kreis Viersen) nur eine kleinere Ausgabe von Kommern vermutet, wird ihm nicht gerecht: Es hat seinen eigenen Charme und hält vor allem für Kinder ein vielfältiges Angebot bereit, darunter eine Ausstellung von Original-Spielzeug aus drei Jahrhunderten. An der Kasse wird Nachwuchsspürnasen eine Detektiv-Lupe ausgehändigt, mit der sich im Museum geheime Texte entschlüsseln lassen. Und nicht nur Erwachsene informiert das Museum lebendig über Architektur, Handwerk, Traditionen sowie Wirtschafts- und Lebensweisen. Danach ist unbedingt das Pannekookehaus empfohlen, in dem sich alles um leckere Pfannekuchen dreht.

Adresse fürs Navi: Am Freilichtmuseum 1, 47929 Grefrath. Auskünfte unter 02158 9173-0.  

www.kreis-viersen.de/de/inhalt-41/niederrheinisches-freilichtmuseum/

2. In die Tiefe gehen

Im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum werden im  Anschauungsbergwerk und mit dem Seilfahrtsimulator Einblicke sogar unter Tage ermöglicht. Auf dem 1,2 Kilometer langen unterirdischen Streckennetz lernen Besucher den Arbeitsalltag und technische Entwicklungen kennen. Vom Fördergerüst der ehemaligen Zeche Germania aus, dem größten Exponat, reicht der Blick weit über das Ruhrgebiet.

Am Bergbaumuseum 28, 44791 Bochum. www.bergbaumuseum.de. Besucherservice:  0234/5877-126

3. Auf den Spuren der Römer 

Die Römer hatten großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Region und brachten dem Rheinland durch ihre jahrhundertelang währende Militärpräsenz gegen die Germanen beispiellose kulturelle Fortschritte. Der heutige APX, der Archäologische Park Xanten, entführt die Besucher sehr anschaulich in diese Zeit. Dort befand sich einst die Colonia Ulpia Traiana bzw. das Lager Vetera als bedeutendster Rheinhafen des römischen Imperiums. Im APX sind Gebäude teilweise nachgebaut, darunter ein Amphittheater.

Adresse fürs Navi: Trajanstraße 10, 46509 Xanten (Eingang LVR-Römer-Museum) oder Am Rheintor. apx.lvr.de. Besucherservice: 02801 / 988 9213.

4. Düsenjäger im Kinosaal

Wer sich für die Nachkriegsgeschichte der Region im Speziellen oder die Militärluftfahrt im Allgemeinen interessiert, der sollte, zum Beispiel im Rahmen einer Tages-Fahrradtour rund um das niederrheinische Weeze, unbedingt das RAF-Museum am dortigen Flugplatz ansteuern. Ein deutscher Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, an die britische Royal Air Force Germany zu erinnern, die im Kalten Krieg entlang der niederländischen Grenze drei große Fliegerhorste betrieb. RAF Laarbruch, der heutige Flughafen Niederrhein, war der erste britische Flugplatz in NRW.

Was im „Museum für Frieden und Freundschaft“ rund um die ehemalige Kirche und im früheren Kinosaal zusammengetragen worden ist, ist sehenswert, darunter sogar ein Abfangjäger „Hawker Hunter“. Insgesamt sind 2000 Exponate zu sehen. Die Pandemie schränkte die Öffnungszeiten stark ein. Daher empfiehlt es sich, den Vereinsvorsitzenden Heinz Willi Knechten zuvor anzurufen: 0178 – 1356324. 

5. Zeitreise zu den Kotten

Wichtige Info: Wuppertal wurde von der Hochwasser-Katastrophe schwer getroffen. Auch der Balkhauser Kotten bleibt bis auf weiteres geschlossen. Publikumsverkehr und Veranstaltungen können ebenfalls nicht stattfinden.

Das Bergische Land gilt als Wiege der Industrialisierung in Kontinentaleuropa. „Die Bergischen Drei“, die Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal, laden deshalb in ihre Museen zur Zeitreise ein. In Solingen geht es bis heute um Schneidwaren und Besteck; Werkzeuge und Maschinen aus Remscheid haben ebenfalls Weltruf. Und Wuppertal machte sich vor allem als Chemie- und Textilstandort einen Namen.

Mancherorts wird noch in Hämmern, Kotten und Schmieden längs der Bäche und Flüsse wie anno dazumal produziert – als Geschichtsunterricht zum Anfassen und Ausprobieren. Der malerisch an der Wupper gelegene Balkhauser Kotten zeigt zum Beispiel die Handwerkstradition der Solinger Schleifer (www.balkhauser-kotten.de). Weitere Ziele sind zu finden unter: www.bergisch-mal-drei.de

6. Spinnerei im Park

Die Textilfabrik Cromford in Ratingen war die erste auf dem europäischen Kontinent. Die Baumwollspinnerei mit barockem Herrenhaus ist in einen alten englischen Landschaftspark eingebettet. In der „Hohen Fabrik“ von 1797 erleben die Besucher im Schaubetrieb anhand originalgetreu nachgebauter Spinnmaschinen die Herstellung von Baumwollgarn wie vor 200 Jahren. Eine innovative Ausstellung erzählt vom wirtschaftlichen Handeln in politisch unsicheren Zeiten wie auch von ganz privaten Dingen – den Lieblingsspeisen, der Jagd, Heiratsabsichten, dem Umgang mit den Dienstboten oder den Vorbereitungen eines Festes rund um die Familie des Industriepatriarchen Johann Gottfried Brügelmann.

LVR-Industriemuseum Textilfabrik Cromford, Cromforder Allee 24, 40878 Ratingen.  

www.industriemuseum.lvr.de/de/die_museen/ratingen/textilfabrik_cromford.de

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Wir wünschen einen schönen Sommer!