Die Kunst des BrotbackensÜber die Herausforderungen des Sauerteigs
- Jetzt, wo wir viel Zeit in den heimischen vier Wänden verbringen, freuen sich viele über mehr Zeit für aufwändige Experimente in der Küche.
- So auch unsere Autorin Julia Floß, die von Focaccia bis Bärlauchbrot schon vieles probiert hat - sich am vermeintlich simplen Sauerteig aber immer noch die Zähne ausbeist.
- Warum man das Brotbacken wie eine Wissenschaft betrachten muss, verrät sie hier.
Mein allerliebster Ort, egal ob vor, nach oder während einer Pandemie, ist meine eigene Küche. Hier kann ich tüfteln und probieren, stress-backen, Rezepte entwickeln und verfeinern oder einfach ein Spiegelei in die Pfanne hauen, wenn mir danach ist. Aktuell nutze ich den Hausarrest, um mich mit langfristigen Projekten zu beschäftigen, zum Beispiel Fermentation.
Regelmäßig blubbert ein Focaccia-Teig auf irgendeiner Fensterbank vor sich hin, die erste Fuhre Kimchi geriet etwas zu salzig, aber dennoch sehr lecker, der Sauerkrautstampfer war letzte Woche in der Post und wartet auf seinen Einsatz.
Ob ich nicht etwas über Brot schreiben könnte. Sauerteig sei doch so ein beliebtes Thema und die Leute hätten doch gerade so viel Zeit. Na ja, Bananenbrot ist auch ein beliebtes Thema, aber deshalb muss ich’s ja noch lange nicht unterstützen. Sauerteig und die Kunst des Brotbackens ist für meine Begriffe eine Wissenschaft.
Zum Scheitern verurteilt
Natürlich hab auch ich diese selbst ernannten Bäcker im Freundeskreis. Sie haben alle eins gemein, eine gewisse Form der Pedanterie. Zum Teil nimmt das sogar manische Züge an. Das bringt der Sauerteig einfach mit sich. Wenn man sich zu Hause, in der eigenen Küche, diesem Thema widmet, ist das nicht nur mit sehr viel Zeit, sondern auch mit viel Enttäuschung verbunden.
Hat man den Sauerteig ausreichend angefüttert? Stimmt die Raumtemperatur? Hab ich den Teig richtig gezogen ohne dabei die Luft aus ihm rauszudrücken? Durfte er lange genug ruhen? War der Ofen heiß genug? Hab ich die Tür zu früh aufgemacht? Ist mein Brot durchgebacken? Warum ist die Kruste nicht richtig knusprig geworden? All diese Fragen, diese Zweifel. Auf dem langen, sehr langen Weg zum duftenden Brotlaib, kann so viel schief gehen.
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Oder der Klassiker: am Tag des Backens schmeckt das mühselig geknetete Brot ganz vorzüglich, um sich über Nacht in einen zähen Klumpen Stahlbeton zu verwandeln. Diese Zurückweisung vom eigenen Backwerk muss man erstmal verkraften. Ich kann das nicht. Meine Geduld und mein seelischer Zustand lassen das einfach nicht zu. Zu oft wurde ich enttäuscht.
Hefeteig sei Dank
Nicht so vom Bäcker meines Vertrauens. Der liefert einfach immer ab. Der weiß, wie’s geht, hat die nötigen Gerätschaften und freut sich über Kundschaft. Nach jedem gescheiterten Versuch fragt man sich als Hobbybäcker, warum so’n perfekter Brotlaib eigentlich nicht 25 Euro kostet? Angemessen wär’s.
Ich bleibe beim Hefeteig. Das schont meine Nerven. Im Moment verbrauche ich die letzten Trockenhefe-Reserven. Die, die sich auch außerhalb der Krisenzeit ganz hinten im Vorratsregal verstecken – zwischen dem Backpulver und der Gelatine. Daraus knete ich Rosinenweckchen, Bärlauchbrot, Brioche und Focaccia. Dafür braucht man auch Zeit und ein wenig Übung, aber der Hefeteig weiß meine Liebe wenigstens zu schätzen. Social Distancing kann ich ertragen, aber nicht die Zurückweisung von meinem eigenen Gebäck.
Julias Tipp Eine, die sich wirklich auskennt: Stefanie Herberth erklärt auf ihrem Blog alles rund um das Thema Brot und Hefegebäck. Für Anfänger und Fortgeschrittene. Sie hält sogar Ideen bereit für die Hefe- und Mehlknappheit in hiesigen Supermärkten. Unter www.hefe-und-mehr.de finden Sie weitere Informationen.