Ran ans GemüseWie der Anbau im Garten und auf dem Balkon gelingt
Herr Phlippen, Gemüsegärtnern ist eine hohe Kunst. Womit kann ich anfangen, wenn ich noch gar keine Ahnung habe?
Salate zum Beispiel sind genügsam. Sie wachsen fast überall, brauchen keinen tiefgründigen Boden, und man gewöhnt sich an das Gießen und die Schädlingskontrolle. Tomaten, Chilis, Paprika gehen gut im Topf. Kaufen Sie ruhig vorgezogene Pflanzen. Auch an Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen können sich Anfänger wunderbar heranwagen. Die kann man säen, sie keimen leicht und man bekommt ein gutes Gefühl für Wachstum. Ganz einfach sind auch Zwiebeln und Knoblauch. Sie werden nur in die Erde gesteckt.
Muss ich auf irgendetwas achten?
Der Standort muss stimmen: Ohne Sonne wächst kein Gemüse. Was angebaut wird, hängt vom Boden ab. Ist er lehmig, sandig, sauer? Die meisten Gemüse mögen einen pH-neutralen, lehmigen Boden – der bleibt schön feucht und hält die Nährstoffe.
Und wenn ich nur einen Balkon habe – was kann ich dort anpflanzen?
Kräuter, Chilis, Tomaten, Pflücksalate – das ist alles möglich. Der Balkonkübel ist ein Mini-Hochbeet. Und wenn er 40 Zentimeter tief ist, können Sie darin sogar Wurzelgemüse wie Möhren und Pastinaken ziehen. Und, derzeit mein Lieblingsgemüse: die Süßkartoffel. Für eine richtige Ernte braucht man aber einen großen Topf, etwa 50 bis 70 Liter Erde.
Sie haben einen Garten in Alfter. Was bauen Sie selber an?
Ich habe immer viele Tomaten gezogen und Kartoffeln. Momentan ist meine Frau Marion die Macherin in unserem Garten, sie hat ein Hochbeet mit Pflücksalaten und Topinambur. Ein Hochbeet ist übrigens überall günstig, wo der Boden schlecht ist, und es hilft auch bei der Schädlingskontrolle. Und das Mikroklima ist gut: Sonne kommt nicht nur von oben, sondern auch von der Seite.
Welche Pflanzen möchten Sie selber mal ausprobieren?
Okraschoten. Die blühen schön, sie gehören zu den Hibiskusgewächsen. Ich mag Gemüse, die hübsch sind. Das ist vielleicht genetisch bedingt: Mein Großvater war Gärtner, mein Vater Textildesigner.
Liegt Ihnen das Gemüse also im Blut?
Ich bin in einer kleinen Gemüsegärtnerei am Niederrhein aufgewachsen. Aber es gab auch Initialerlebnisse. In New York habe ich mal ein Urban-Gardening-Projekt besucht. Es war spannend zu sehen, wie Leute in Brooklyn und der Bronx ihr Gemüse anbauen – aus Kostengründen und um nicht in der Fastfood-Schleife zu hängen. Als Biologe habe ich aber auch wissenschaftliches Interesse. Mich interessiert die Herkunft der Gemüse, ihre Wirkstoffe.
Warum ist das Gärtnern wichtig?
Man hat Erdung, Berührung mit der Natur. Gerade mit Nutzpflanzen ist das ganz direkt spürbar. Man isst sie, versorgt sich selber. Wenn man mit einer Gemüsekultur anfängt, geht man aber auch mit anderen Augen einkaufen. Man hat eine andere Wertschätzung. Und gerade in einer Zeit, in der einem die Welt manchmal unsicherer vorkommt, gibt eigenes Gemüse ein gutes Gefühl, eine Sicherheit.
Ist Selbstversorgung daher heute so im Trend?
Es gibt eine Sehnsucht nach Erdung. Säen, aufziehen, ernten – das kennen viele gar nicht mehr. Ein bisschen „Zurück zur Natur“, denn Gärtnern hat einen psychologischen und selbstheilenden Aspekt. Dazu kommt: Man kann die Aufzucht kontrollieren, bei diesen Nahrungsmitteln hat kein Konzern die Finger drin gehabt. Auch wenn es nur ein paar Töpfe sind und keine komplette Selbstversorgung.
Wie lautet Ihr Tipp für alle, die schon etwas mehr Erfahrung und mehr Platz haben?
Bauen Sie die Indianischen Schwestern an: Mais, Bohnen, Kürbis. Die Maya und nordamerikanische Indianer nutzen traditionell den Platz mit diesen Pflanzen optimal aus: Der Mais ist Kletterstange für die Bohnen, die den Boden verbessern. Der Kürbis ist mit seinen großen Blättern lebender Mulch. Probieren Sie ein Streifenbeet mit neun Mais, drei Bohnen und Kürbissen dazwischen! Man muss nur anfangs den Boden einmal vorbereiten, damit die Pflanzen gut einwurzeln können.
Gibt es eine Königsdisziplin im Gemüsebau?
Spargel ist eine raffinierte Sache! Dazu muss aber der Boden perfekt sein, und wenn Sie stechen wollen und nicht die grünen Triebe ernten, brauchen Sie ein Hügelbeet. Spargel ist nicht ganz einfach: Wie viel Ernte kann man einer Pflanze zumuten? Auch braucht es Geduld, man kann erst drei Jahre nach der Pflanzung ernten.
Oft ist im Frühjahr der Elan groß, doch mit Schnecken, zu viel oder zu wenig Regen folgt dann die Enttäuschung.
Wie verkraftet man Rückschläge?
Sie brauchen immer ein Ass im Ärmel: Spinat, Radieschen, Pflücksalat oder Feldsalat können ausgesät werden, wo mal etwas schiefgegangen ist. Die laufen schnell auf und erhalten das Ernteglück aufrecht.
Und was darf denn außer Salaten und Bohnen sonst noch ins Gemüsebeet kommen?
Säen Sie Ringelblumen, Tagetes und Kapuzinerkresse dazwischen. Die blühen nicht nur schön, sondern haben sogar eine Schutzwirkung: Tagetes duften und verwirren die Schädlinge, so dass sie ihre Opferpflanze nicht mehr finden. Pflanzen Sie Beerensträucher. Die tragen verlässlich Früchte, da hat man ohne viel Aufwand ein Selbstversorgergefühl. Auch Kräuter sind sehr genügsam. Rosmarin und Lavendel kennt man, die brauchen einen sonnigen Platz. Und Melisse und Pfefferminze wachsen schnell.
Ihr Tipp für alle, die jetzt loslegen wollen?
Suchen Sie nicht direkt die Riesenherausforderung. Fangen Sie mit etwas einfachem an, Tomaten im Topf zum Beispiel. Das klappt bei jedem, der weiß, dass man gießen muss. Auch eine schlecht gepflegte Tomate bringt Früchte, und die schmecken, wenn sie richtig reif sind, so viel besser als jede aus dem Geschäft.
Und nebenbei kann man etwas für die Umwelt tun?
Achten Sie in Ihrem Garten auf ein ökologisches Gleichgewicht. Verzichten Sie auf synthetisch hergestellte Dünger, Insektizide und Herbizide. Ein Garten sollte möglichst artenreich sein, entscheiden Sie alles aus einer naturliebenden Perspektive. Wie ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können Sie das Gesicht der Welt verändern.“
Das Gespräch führte Ina Sperl
Buchtipp
Markus Phlippen: „Gemüse und Kräuter im Garten. Naturnah gärtnern: alles, was man als Selbstversorger wissen muss – Für Balkon und Garten“. Becker Joest Volk Verlag, 428 S., 39,90 Euro.
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Trendgemüse im Anbau
Süßkartoffel
Sie ist nicht nur eine Augenweide – immerhin ist sie mit den Prunkwinden verwandt – sondern schmeckt auch gut. Süßkartoffeln werden am besten vorgezogen gekauft und nach den Eisheiligen (im Mai) ins Beet oder den Pflanzkübel gesetzt. Frost vertragen sie nicht. Im Frühherbst wird geerntet. Auf dem Balkon braucht die Süßkartoffel mindestens einen 30-Liter-Topf.
Knollenfenchel
Wird vorgezogen gekauft oder im Mai direkt ins Beet gesät. Er mag lockeren Boden und gedeiht auch gut auf dem Balkon. Fenchel kann nach etwa drei Monaten geerntet werden. Vorsicht, die Pflanze schießt schnell und blüht, dann ist sie nicht mehr essbar. Fenchel ist besonders bekömmlich wegen seiner ätherischen Öle, die verdauungsfördernd wirken.
Rucola
Die Senfrauke ist der ideale Balkon-Salat: Rucola keimt schnell und braucht nicht viel Platz. Im April ausgesät, lässt sich schon rund sieben Wochen später eine gute Portion ernten. Bei behutsamem Pflücken wächst der Salat nach. Es gibt zahlreiche Sorten, die sich in der Blattform unterscheiden. Den scharfen Geschmack erhalten sie durch die enthaltenen Senföle.
Koriander
Koriander hat ein intensives Aroma, das nicht jedermanns Geschmack ist. Dafür blüht das Kraut schön in feinen weißen oder blassrosa Dolden. Koriander wird ab April einfach in den Gartenboden gesät und liefert dann im Hochsommer frische Blätter, im Frühherbst die Samen. Dass manche Menschen den Geschmack als seifig empfinden, ist genetisch bedingt.
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