Interview mit Koch Stevan PaulDas machen die Deutschen falsch beim Salzen
- Salz ist der wichtigste Geschmacksverstärker beim Kochen.
- Die Deutschen salzen falsch. Auch sonst ranken sich viele Mythen um die richtige Menge.
- Im Interview erzählt der Koch Stevan Paul, wie man richtig mit dem Salz umgeht und warum koscheres Salz gerade das beliebte Maldon Salz aus England ablöst.
Köln – Salz ist der wichtigste Geschmacksträger in der Küche. Die Deutschen salzen falsch, sagt der Koch und Foodjournalist Stevan Paul. Im Interview erklärt er, wie es richtig geht und warum sich Salz in den letzten Jahren zum Lifestyleprodukt entwickelt hat.
Herr Paul, Salz wird oft verteufelt, aber für ein gelungenes Gericht ist es essenziell. Warum?
Stevan Paul: Salz ist ein fantastischer Geschmacksverstärker. Es hebt das Aroma eines jeden Gerichts, ohne den Eigencharakter zu beeinflussen. Wer sich salzfrei oder salzarm ernähren muss, weiß, wie fad Essen schmecken kann.
Lauchstängel ohne Salz sind also nur das halbe Vergnügen. Was raten Sie jemandem, der wirklich auf den Natriumgehalt achten muss?
Dann empfehle ich, auf andere Würzstoffe zurückzugreifen wie Misopaste, Sojasauce oder vietnamesische Fischsauce. Die haben den Vorteil, dass sie mit wenig viel Geschmack erzeugen, haben aber den Nachteil, dass sie längst nicht so neutral sind wie Salz, und das Gericht stark färben.
Im Gegensatz zu den Leuten, die eher sparsam salzen, gibt es solche, die noch vor dem Probieren nachsalzen. Ist das übertrieben?
Das ist vor allem eine schlechte Angewohnheit, weil es nicht nur viel über den Konsum und die Geschmacksnerven aussagt, sondern auch der Köchin oder dem Koch gegenüber ziemlich respektlos ist.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich Salz in den letzten Jahren zum totalen Lifestyleprodukt entwickelt hat. Im Supermarktregal nehmen Salze mehrere Meter ein, fast jeder Balearen-Urlauber hat Salz von den Estrenc-Salinen zuhause oder hübsches Ibiza-Salz im Regal stehen.
Es ist tatsächlich ein großes Interesse entstanden. Was einerseits mit erfolgreichem Marketing zu tun hat und andererseits einer viel größeren Auseinandersetzung mit den Dingen geschuldet ist: Wo kommt was her? Diese Frage stellte sich früher niemand.
Viele Leute schwören auf englisches Salz, das besonders „flaky“, also knusprig, ist. Berechtigt oder gutes Marketing?
Das Maldon Salz ist das populärste Salz im Moment. Es ist wirklich speziell, weil jedes Kristall pyramidenförmig ist. Beim Draufbeißen entsteht der Knuspereffekt, der es von den anderen Meersalzen stark abheben lässt. Es kommt aus einer Saline bei Essex, an der Mündung des Blackwater River. Aber im angloamerikanischen Raum wird es gerade vom Trend „koscheres Salz“ abgelöst.
Koscheres Salz? Ist reines Salz nicht per se koscher?
Ja, doch, der Trend kommt natürlich aus der jüdischen Küche und ihrer Tradition. Es ist einfach ein grobkörniges Salz, das sich sehr gut für die Herstellung von koscherem Fleisch eignet. Damit Fleisch koscher ist, muss nämlich jegliches Blut entfernt werden. Dazu verwenden die Juden Salz. Und grobes Salz eignet sich besonders gut, weil es sich im heraustretenden Blut nicht so schnell auflöst. Konkret: Koscheres Salz ist grobkörniges Natursalz, kein raffiniertes oder mit Jod versetztes Salz – und im Moment sehr angesagt.
Wie lassen sich denn die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen beim Salz erklären?
Die Geschmacksrichtung des Salzes wird wie der Wein auch vom Terroir, der Umgebung, beeinflusst. Salz kann mild, scharf oder stechend sein. Es kann nach Algen, Ton oder Erde schmecken, sauber oder modrig riechen. Es ist vollkommen klar, dass Salz aus der französischen Region Guérande an der südlichen Atlantikküste der Bretagne anders schmeckt als Salz aus dem westindischen Staat Gujarat, nördlich Mumbais am arabischen Meer.
Wievielerlei Salzsorten braucht denn ein ambitionierter Koch?
Man muss da kein riesiges Fass aufmachen, ein reines Haushaltssalz und ein grobkörniges Meersalz genügen. Das leicht kristalline Fleur du Sel ist auch schön, um im Nachgang zu salzen. Etwa Brote, Gemüse oder Steaks. Aber von Gewürzsalzen halte ich gar nichts.
Kein Limettensalz?
Auf keinen Fall. Das steht nur im Regal herum und wird muffig über die Jahre. Wenn ich zum Beispiel ein Fischfilet würzen will, nehme ich Salz und Limettenabrieb. Das ist frisch und schön. Die einzige Ausnahme, die ich bei den aromatisierten Salzen mache, sind Rauchsalze. Die sind richtig geräuchert, unterscheiden schon dadurch von all den modischen Gewürzsalzen und bringen ein fantastisches Aroma in ein Chili con Carne oder ins Gulasch. Aber Vorsicht: Sie sind intensiv, ein Hauch genügt. Richtig salzen sollte man dann mit einem herkömmlichen Salz am Ende des Garprozesses, wenn die Flüssigkeit so reduziert ist wie erwünscht. Das gilt übrigens für jedes Schmorgericht, das stundenlang auf dem Herd oder im Ofen mehr zieht als köchelt: Durch die Reduktion der Flüssigkeit intensiviert sich der Geschmack. Deshalb kommt das Salz zum Schluss.
Apropos Hauch: Sie sind ein Verfechter von der berühmten Prise Salz im Kuchen. Warum?
Nicht nur im Kuchen, in jedes Dessert muss eine Prise Salz. Die Süßspeise wird dadurch viel komplexer, runder. Genauso wie die Tomatensoße, eigentlich sehr viele herzhafte Gerichte, etwas Süße vertragen. Mit dem Kontra wird jeweiliges Gericht runder, aromatischer, vollmundiger.
Ist beim Nudelwasser auch eine zaghafte Hand gefragt?
Im Gegenteil. Egal, mit welchem Salz sie salzen, das Nudelwasser muss richtig kräftig gesalzen sein. Dasselbe gilt auch für das Wasser, in dem Sie Gemüse kochen: Es muss richtig salzig schmecken.
Salz soll doch so ungesund sein...
Genau da liegt der Fehler: Wir salzen beim Kochen mit einer Schranke im Kopf: Viel zu spät und dann im Nachgang viel zu viel. Wenn das Gargut früh gesalzen wird, intensiviert sich der Geschmack, am Ende muss nicht nachgesalzen werden. Ich salze immer direkt und viele Stunden vorher. Fleisch zum Beispiel, egal ob es sich um Steaks oder einen Braten handelt. Weitläufig gilt das heute immer noch als No-Go, aber es hat immense Vorteile. Weil Salz außer seiner Eigenschaft als Geschmacksverstärker darüber hinaus eben auch als ein schöner Zartmacher gilt. In meiner Ausbildung habe ich noch gelernt, nach dem Garprozess zu salzen, weil angeblich zu viel Feuchtigkeit entzogen würde, aus Fleisch wie Gemüse. Das ist wirklich Schwachsinn, kann ich heute dazu nur sagen.
Zur Person
Stevan Paul ist Koch, Rezeptentwickler, kulinarischer Journalist und: Kochbuchautor. Sein Handwerk gelernt hat er vor mehr als 30 Jahren als Lehrling bei Albert Bouley. Im Laufe seiner Wanderjahre und danach erlangte er die Überzeugung: Jeder Mensch kann kochen, kochen lernen. Jeder hat dabei seinen eigenen Geschmack und individuelle Vorlieben.
Bei welchen Gerichten ist Salz ein Muss?
Unbedingt muss es zu Fleisch, Geflügel und in kräftige Brühen.
Und wobei schadet es eher?
Bei zarten Fischfilets rate ich zu einem sensiblen Umgang. Weil die Struktur des Fisches eine ganz andere ist als beispielsweise bei einem drei Zentimeter dicken Steak.
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Noch einen Tipp, für jene, die wirklich auf das Geschmackserlebnis verzichten müssen?
Wie anfangs erwähnt, ist es wirklich schwierig, weil es keinen adäquaten Ersatz gibt. Verwendet man stattdessen zum Beispiel mehr Kräuter, kommt immer eine zweite Geschmacksebene ins Gericht. Was ganz gut funktioniert, ist mit Algen zu kochen. Aber sie sind auch wesentlich komplizierter in der Verarbeitung. Wenn man gezwungen ist, eine Suppe ohne Salz herstellen zu müssen, dann kann ich nur empfehlen, die doppelte Menge an Gemüse, Knochen und Kräuter zu nehmen und mit Sojasoße abzuschmecken. Dann gilt: Viel hilft viel.