Winzer Ferdinand zu Castell-CastellWie der Wein vom Klimawandel profitiert
Der renommierte Winzer und Forstwirt Ferdinand zu Castell-Castell sprach mit unserer Weinexpertin Romana Echensperger über die Folgen des rasanten Klimawandels für die Reben und den Wald. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Wer leidet mehr, die Rebe oder der Baum? Welche Weine profitieren gar? Ferdinand Fürst zu Castell-Castell (54) leitet in 26. Generation das Traditionsweingut seiner Familie im Steigerwald in Franken. Darüber hinaus teilt er sich die Verantwortung für die weiteren Unternehmenszweige Privatbank sowie Forst und Landwirtschaft mit dem Cousin Otto Fürst zu Castell-Rüdenhausen. Damit ist er verantwortlich für 70 Hektar Weinberge und 1800 Hektar Wald. Ein Interview für Wein-Liebhaber.
Fürst zu Castell-Castell, wie erleben Sie den Klimawandel?
Einmal persönlich, früher gab es mehr Schnee und die Jahreszeiten waren klarer abgegrenzt. Aber auch in der Arbeit als Winzer, mit immer früheren Lesezeiten, schnelleren Ernten, höheren Alkoholgehalten und frühreifen Rebsorten wie Bacchus – haben hier mittlerweile ihre Schwierigkeiten.
Kann man den Klimawandel an Zahlen festmachen?
Ja. Seit den 1960er Jahren ist die Durchschnittstemperatur in dieser Region um 1,5 Grad gestiegen. Die Sommer werden heißer und die Niederschläge konzentrieren sich auf wenige Tage. Es gibt deutlich mehr Extremwettereignisse. Das lässt sich eindeutig an Zahlen festmachen.
Ihre Familie kann auf eine über 950-jährige Geschichte zurückblicken und das Schloss Castell ist für sein umfangreiches Archiv bekannt. Gibt es darin Aufzeichnungen über ähnliche Extreme?
Ja. Mitte des 17. Jahrhunderts nach dem 30-jährigen Krieg begann die kleine Eiszeit. Man musste sich nach neuen Rebsorten umsehen, die dem kühlen Klima besser gewachsen waren. So kam der Silvaner nach Deutschland. 1659 wurden in einem Versuch 25 Setzlinge aus Österreich gekauft und in unseren Weinbergen gepflanzt. Man hat sie dann genau beobachtet und dokumentiert. Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte.
Wie kommt der Silvaner heute zurecht?
Silvaner kann sich gut an das wandelnde Klima anpassen. Allerdings muss auch in der Weinbergspflege auf die veränderten Bedingungen eingegangen werden. Es gibt Rebsorten wie den schon erwähnten Bacchus, die verbrennen regelrecht. Wir stellen die Zukunft dieser Rebsorte mittlerweile infrage. Dafür werden Burgundersorten wichtiger, die im jetzigen Klima ganz wunderbar gedeihen. Die Rebsorten werden sich in unseren Weinbergen langfristig verändern.
Hat Franken nicht auch ein Stück weit vom Klimawandel profitiert?
Auf jeden Fall. Es wäre perfekt, wenn es so bleiben würde. Aber davon kann man nicht ausgehen.
Sie besitzen auch ausgedehnte Waldflächen. Wer leidet mehr – die Rebe oder der Baum?
Es gibt nicht den Baum. Genauso wie es für jede Rebsorte auch den passenden Weinberg gibt, so gibt es auch Bäume, die am richtigen oder eben am falschen Standort stehen – und dazu noch das Phänomen schlecht gepflegter Bestände. Nehmen wir das Beispiel der Fichte. Die kam im 19. Jahrhundert im Steigerwald auf, als die ersten Förster in ihrem Studium zum Thema Ertragslehre unterrichtet wurden. Die schnell wachsende Fichte versprach schnellen Gewinn. Sie hat aber, wie jede andere Pflanze, bestimmte Anforderungen an den Standort. Sie ist ein Gebirgsbaum, der flach wurzelt. Im Allgäu ist das kein Problem, denn da regnet es regelmäßig. Anders bei uns im Weinbauklima. Wo sich das Klima verschärft, kommt diese Baumart überhaupt nicht mehr zurecht. Wir haben enorme Probleme mit Sturm- und Trockenschäden oder Borkenkäfern, die auch noch gesunde Fichten angreifen. Die Fichte wird hier verschwinden – wir sind dabei, die Fehler der letzten 150 Jahre zu berichtigen.
Welche Baumarten werden sie ersetzen?
Im aktuellen Klima und an unserem Standort passen Eiche, Kirsche, Linde, Elsbeere und Speierling. Kiefer und Lerche bekommen Probleme mit der Hitze, die Buche vertrocknet und bei Tanne und Douglasie sind wir uns noch nicht sicher. Es ist ein sehr komplexes Thema. Wir dachten, die Esche, die seit zehn Jahren mit einem eingeschleppten Pilz zu kämpfen hatte, wird ebenfalls verschwinden. Jetzt hatten wir zwei trockene Sommer, der Pilz leidet – und die Esche blüht wieder auf.
So wie sich das anhört, ist es sehr schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen?
Deshalb streuen wir das Risiko. Wir pflanzen so viele Baumarten wie möglich. Wir wissen zu wenig über unsere Baumarten. Wie das Klima der Zukunft aussieht, kann man auch nicht genau prognostizieren. Aber wir müssen heute Entscheidungen treffen, die die nächsten hundert Jahre wirken.
Gibt es da nicht Unterstützung von wissenschaftlicher Seite?
Schon, aber auch an den Universitäten ist man teilweise ratlos. Wir haben verschiedene Projekte initiiert. Darunter ein sogenanntes „Analogklimaprojekt“. Dort überlegen wir, wie das Klima in 50 Jahren aussehen könnte und sehen uns Regionen an, wo es heute schon warm ist. In unserem Fall schauen wir, welche Bäume wachsen im Elsass? Dann überlegen wir, ob wir daraus Lehren für unseren Bestand ziehen können. Aber viele dieser Projekte, wie auch die Saatgutforschung, stecken noch in den Kinderschuhen. Die Entwicklung im Wald ist schneller als die Forschung.
Welche Rolle spielen die Wildbestände?
Will man die Artenvielfalt erhöhen, muss man den Wildbestand niedrig halten. Große Probleme haben wir, wo es zu viele Rehe gibt. Ein Reh hat einen kleinen Magen und liebt daher die an Nährstoffen reichen Knospen von jungen Bäumen. Außerdem will das Reh sich ausgewogen ernähren. Es wird immer den Jungbaum anfressen, der am seltensten in einem Revier wächst. Das Reh macht damit alle unsere Bemühungen einer guten Durchmischung zunichte.
Umstritten ist stets auch die Frage, ob exotische Bäume gepflanzt werden sollten.
Silvaner war 1659 auch eine exotische Rebsorte und heute ist sie heimisch wie keine andere. Wir achten im Wald darauf, dass wir keine invasiven Holzarten pflanzen, die sich aggressiv ausbreiten. Aber wir sind der festen Überzeugung, dass wir jetzt alles ausprobieren wollen, wenn wir unseren Enkeln einen gesunden Wald hinterlassen wollen. Die Zeit drängt. Wir müssen alles dafür tun, damit es nicht so schlimm kommt, wie es Klimaexperten befürchten.
Das Gespräch führte Romana Echensperger
Das FACE-Projekt
An der Hochschule Geisenheim wird zum Klimawandel und seinem Einfluss auf den Weinbau geforscht. Ein Projekt ist der Feldversuch „FACE“ (Free Air CO2 Enrichment). Dabei wird untersucht, wie sich höhere CO2-Werte in der Atmosphäre auf die Reben auswirken. Riesling- und Cabernet Sauvignon-Reben werden über mehrere Jahre mit CO2 begast – eine Simulation der im Jahre 2050 erwarteten CO2-Werte. Aus den Ergebnissen entstehen Handlungsempfehlungen für Winzer. Schon jetzt zeigt sich, dass mehr CO2 nicht nur für mehr Pflanzenwachstum sorgt, auch die Erträge steigen deutlich, nicht aber der durchschnittliche Zuckergehalt. In wieweit sich das auf die Qualität auswirkt, kann daher noch nicht final beurteilt werden. Sorge bereitet zudem der erhöhte Wasserbedarf der Reben. Besonders in den vergangenen Jahren hatten die Winzer mit zunehmender Trockenheit zu kämpfen. Der CO2-Effekt wird mit vielen Trockenjahren die Probleme noch verschärfen.
Zwei Castell-Weine vorgestellt:
Die Paradelage
Der Schlossberg ist das Herzstück von Schloss Castell. Auf den kargen Keuperböden des Südhanges wurde Silvaner erstmals in Deutschland angepflanzt. Er ist ein kraftvoller Wein mit vielschichtigen Aromen von Wiesenkräutern, Zitronenzesten, Quitte, Rauch, Toast und Hefearomen. Am Gaumen kommt eine prägnante Salzigkeit zum Vorschein, die den Weinen vom Keuperböden so eigen ist. Trocken ausgebaut und mit 13,5 Prozent Alkohol ausgestattet, entfalten sich im Rachenraum noch einmal alle Aromen. Ein sehr nachhaltiger, körperreicher wie eleganter Weißwein, der zu kräftigen Gerichten wie gefüllter Kalbsbrust schmeckt.
2017 Schlossberg Silvaner Großes Gewächs / Fürstlich Castell’sches Domänenamt / Franken // 28 Euro
Der Klimaprofiteur
Eine der Lagen, die vom Klimawandel profitierten, ist das Kugelspiel. Umrandet von kühlenden Wäldern hatte es der Silvaner in der Vergangenheit oft schwer, dort zur Reife zu gelangen. Doch im Hitzejahr 2018 ist er ausgereift und verfügt trotzdem über animierend frische Aromen. So zeigen sich im Glas Noten von gelben Früchten, Salbei, Minze, Heublumen, Wiesenkräuter und Zitronenzesten. Trotz seiner 14,5 Prozent Alkohol ist es ein eleganter Wein, der im Finish mit zarter Salzigkeit bezaubert, während sich am Gaumen noch einmal alle Aromen entfalten. Ein Silvaner, der zu Fischgerichten wie Forelle Müllerin ebenso passt wie zu vegetarischen Vorspeisen.
2018 Casteller Kugelspiel Silvaner trocken / Fürstlich Castell’sches Domänenamt / Franken // 14,50 Euro, bei Weingut Castell, Tel. 09325/601-60, castell.de
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