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Österreichische KücheGasthaus Scherz in Köln liefert klassisches Handwerk auf höchstem Niveau

Lesezeit 3 Minuten
Auf einem Teller werden Kaiserschmarrn und Zwetschgenröster serviert.

Eine der wichtigsten Positionen auf der Karte des Gasthauses Scherz: der Kaiserschmarrn

Seit zehn Jahren betreiben Michael Scherz und sein Team das Gasthaus in der Luxemburger Straße – ein Mix aus feinem Restaurant und Brauhaus.

Michael Scherz und sein Team haben einen sehr besonderen Ort geschaffen und ich musste wirklich länger darüber nachdenken, was dieses Gasthaus so außergewöhnlich macht. Das Ladenlokal ist schick und gleichzeitig gemütlich. Der Service tänzelt zwischen Fine Dining und Brauhaus-Taktung.

Die Menükarte spiegelt diesen Eindruck. Österreichische Klassiker wie Backhendl, Tafelspitz und Kaiserschmarrn stehen neben Forellenmousse, Entenleber-Terrine und Crêpe Suzette. Es fühlt sich ein bisschen nach old school Haute Cuisine an, aber man sitzt in einem holzvertäfelten Wirtshaus mit Kegelbahn im Keller und in regelmäßigen Abständen werden Teller mit riesigen Schnitzeln vorbei getragen.

Julia Floß

Julia Floß

Julia Floß ist ausgebildete Köchin und Patissière und hat viele Jahre in verschiedenen von Gault-Millau und Guide Michelin ausgezeichneten Küchen gearbeitet, bevor sie Journalismus und Medienkommunika...

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Und dann dämmert so langsam, was das Besondere beim Scherz ist: Begeisterung. Unprätentiöse Begeisterung. Hier geht es nicht um Sterne und Eitelkeit, hier hat einfach jemand richtig Bock zu kochen und sich mit Produkten auseinanderzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger.

Den Start macht der Marillen-Spritz. Wie Sie vielleicht unlängst bemerkt haben, sobald irgendwo das Wort Marille aka Aprikose draufsteht, bin ich interessiert. Generell mag ich die kleine Aperitifkarte sehr gerne. Eine schöne Mischung aus Drinks mit und ohne Alkohol. Auch hier liest man die österreichischen und frankophilen Ausprägungen zwischen den Zeilen.Der hausgemachte Aperol muss beim nächsten Besuch dringend probiert werden.

Michael Scherz, Koch und Inhaber des Gasthauses, serviert die Schweinderlterrine

Michael Scherz, Koch und Inhaber des Gasthauses. Jedes Gericht war nach Meinung unserer Kolumnistin handwerklich präzise ausgearbeitet und in sich komplex gestaltet.

Tafelspitz-Bouillon mit Rindfleischklops und Grieß, Backhendl vom Freilandhuhn, Wiener Schnitzel vom Kalb mit Kartoffelgurkensalat und Wildpreiselbeermarmelade – die Klassiker aus Österreich sind die Visitenkarte des Hauses und unverhandelbar. Der Tafelspitz ist so zart, dass er beinahe von der Gabel plumpst. Das Schnitzel kommt als goldbraunes, knusprig aufgeplustertes Kissen, innen herrlich saftig. Fun fact: Entgegen der klassischen Wiener Garnitur, bestehend aus Zitrone, Sardelle und Kaper, wird man in Österreich häufig vor die Wahl gestellt: Zitrone oder Preiselbeeren. Im Gasthaus Scherz kommt netterweise beides.

Wichtigste Position auf der Karte ist das Dessert: Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster

Die meiner Meinung nach wichtigste Position auf dieser Karte ist das Dessert, der Kaiserschmarrn. Bescheiden getarnt als zerrupfter Pfannkuchen mit ein bisschen Puderzucker, liegt auf dem Teller ein Berg kleiner, enorm fluffiger Teigstückchen, die allesamt mit einer hauchdünnen, wahnsinnig knusprigen Schicht Karamell umhüllt sind. Der obligatorische Zwetschgenröster bringt Frucht und Säure – ein absolut fabelhaftes Zusammenspiel.

Die Gerichte auf der darauffolgenden Seite lassen sich, auf Wunsch, zu einem Menü zusammenstellen. Ich wählte Schweinderlterrine, Entenbraten und den Apfelstrudel. Jedes Gericht war handwerklich präzise ausgearbeitet und in sich komplex gestaltet. Bittersalate und Kartoffeldressing zur würzig-senfigen Terrine, Quitte, Maronen und Rotkohl zur Ente und der Apfelstrudel wurde mit Tonkabohne und Kardamom auf das nächste Level gehoben.

Der Innenraum des Gasthauses Scherz

Das Gasthaus Scherz ist schick und gleichzeitig gemütlich.

Schade, dass ich das ausgerechnet von den einzigen zwei vegetarischen Gerichten auf der Karte nicht sagen kann. Der Teller voll Pilze mit Fregola war einigermaßen überschaubar und wirkte einfallslos. Ähnliches gilt für das fermentierte Gemüse mit Kernöl-Kressecreme. Dabei ist die österreichische Welt der Mehlspeisen eine Art fleischfreies Eldorado. Naja, vielleicht verirrt sich ja doch mal ein Kaspressknödel oder Schlutzkrapfen auf die Karte. Ich behalte das auf jeden Fall im Auge.

Ähnlich wie den Konzeptladen „another brot“ im Gottesweg. Noch ist mir das Konzept nicht ganz klar. Es gibt ein ganz köstliches Pastrami-Brisket-Sandwich, Flaschenweine und ein paar Eisbecher to go, ab dann wird’s neblig. Wie ich das Team Scherz einschätze, brodelt da schon die nächste Idee und sie wird wie immer unprätentiös und voller Begeisterung sein.

Gasthaus Scherz, Luxemburger Straße 256, 50937 Köln, Öffnungszeiten: Di-Sa 17-23 Uhr, Sonntag 12-20 Uhr, Tel: 0221/16929440, www.scherzrestaurant.de

Julias Auswahl:

  1. Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster // 11 Euro
  2. Entenbrust und -keule mit Blaukraut, Kloß, Maronen, Quitte und sehr viel Sauce // 37 Euro
  3. Blattsalate, vorrangig herbe und bittere, Erdäpferldressing mit Schweinderl Terrine // 12 Euro
  4. Fermentiertes Gemüse mit Kernöl- Kressecreme, Rauchmandel und Kräutern // 12 Euro
  5. 3 Gänge-Menü // 40 Euro
    Aufpreis für die Ente // 12 Euro