AboAbonnieren

Kommentar

Umstrittene Gault&Millau-Praxis
„Nimmt man Geld für eine Auszeichnung, ist die am Ende wenig wert“

Ein Kommentar von
Lesezeit 2 Minuten
Mann liest die Weinkarte im Restaurant

Seit neuestem nimmt der Gault&Millau auch die besten Weinkarten in seine Bewertung auf. Aber nur gegen Gebühr.

Der Restaurantführer kürt neuerdings auch die besten Weinlisten – gegen Gebühr. Kölner Gastronomen und unser Restaurantkritiker finden diese Praxis problematisch.

Manchmal führen Zeitungsartikel zu erstaunlichen Erkenntnissen. Mein Kommentar zum frisch erschienenen Gault&Millau-Restaurantführer endete mit den Zeilen: „Zu den neu eingeführten Sonderpreisen für die besten Weinlisten muss man nur so viel sagen: Weder die Henne Weinbar, das Phaedra noch das Maximilian Lorenz erhielten in Köln eine Auszeichnung. Albern.“

Kurze Zeit später zitierte Konstantin Tzikas vom Restaurant Phaedra meine Zeilen auf seinem Instagram-Account und schrieb dazu: „Bei 178,50 € ‚Bearbeitungsgebühr‘ kann ich mir vorstellen, dass auch viele andere Kollegen ihre Weinkarte nicht eingereicht haben… Egal ob 10 oder 180 €, es verzerrt einfach das Ergebnis.“ Bitte was? Nimmt der renommierte Gault&Millau etwa Geld für eine Bewertung? Ja, das tut er. Auf seiner Homepage wirbt er dafür mit der Überschrift „Sichern Sie sich einen Spitzenplatz im Gault&Millau!“.

Carsten Henn

Carsten Henn

Carsten Henn, geboren 1973 in Köln, besitzt einen Weinberg an der Terrassen-Mosel, hält Hühner und Bienen und teilt sein Leben mit Katzen. Er arbeitete nach seinem Studium (unter anderem Weinbau) als ...

mehr

Nur wer eine Teilnahmegebühr entrichtet, hat eine Chance auf eine Auszeichnung für seine Weinkarte oder -begleitung. Das bedeutet: Hat ein Restaurant die spektakulärste Weinauswahl Deutschlands, aber ist nicht bereit zu zahlen, wird der Gault&Millau diese nicht auszeichnen. Das erklärt, warum im Buch so viele herausragende Karten nicht erwähnt werden – viele unspektakuläre dagegen ausgezeichnet. Durch sechs Kategorien stellt der Guide zudem sicher, dass potenziell viele, die eine Gebühr zahlen, auch eine Auszeichnung erhalten können.

Die Idee, dass man Geld bezahlen muss, um bewertet zu werden, halte ich für sehr befremdlich.
Tim Moissonnier, Weinhändler

Tim Moissonnier leitet die Weinhandlung „Le Moissonnier – Vins et Spiritueux“ in der Sudermannstraße und ist stinksauer über diese Praxis.„Die Idee, dass man Geld bezahlen muss, um bewertet zu werden, halte ich für sehr befremdlich. Es ist absolut unverständlich, dass Restaurants wie das Phaedra und die Henne Weinbar überhaupt keine Auszeichnung für ihre wirklich sensationellen Weinkarten bekommen haben.“ Auf der anderen Seite scheint der Restaurantführer Akquise für seine neu installierte Einnahmequelle zu betreiben, wie Moissonnier berichtet. „Dass der Gault&Millau eine Weinbar von sich aus kontaktiert und den Inhabern anbietet, dass diese ihre Karte einschicken können, diese dann gegen Geld bewertet wird und letztendlich ausgezeichnet wurde, hinterlässt einen wirklich bitteren Beigeschmack und hat mich sehr schockiert! Für alle Restaurants, die ihre Weinkarte mit Liebe, Passion und Hingabe gestalten und damit seit Jahren schon ihre Gäste begeistern, ist das ein Schlag ins Gesicht.“

Was ist die Auszeichnung für eine Weinkarte durch diese Praxis wert? Wenig. Wer aufgrund dieser ein Restaurant auswählt, wird in vielen Fällen nicht das mit der besten Auswahl an Weinen in einer Stadt besuchen. Es würde mich nicht wundern, wenn Gastronominnen und Gastronomen sich zusammenschließen und diese problematische Praxis bei der nächsten Ausgabe boykottieren.