Wissler ist als bester Koch Deutschlands geehrt worden und feiert das mit einem Einsteiger-Menü im Restaurant „Vendôme“.
Bensberger Restaurant „Vendôme“Koch des Jahres Joachim Wissler bietet nach Auszeichnung günstigeres Menü an
„Ich bin nach Berlin zu den Rolling-Pin-Awards eingeladen worden, wusste aber nicht wieso“, erzählt Spitzenkoch Joachim Wissler vom Bensberger „Vendôme“ über seine letzte Auszeichnung. „Bei der Veranstaltung wurde ab Platz 100 der besten Restaurants rückwärts gezählt“. Irgendwann muss Wissler gedämmert haben, dass es wieder einmal eine hohe Ehre für ihn geben wird: Platz 1 und damit ‚Chef of the year‘. „Das Schöne an dieser Auszeichnung ist, dass nur Kolleginnen und Kollegen abstimmen, das hat dann schon eine besondere Gewichtigkeit.“
„Eine solche Auszeichnung ist nicht selbstverständlich“
Es war bestimmt auch eine besondere Genugtuung für Wissler, dem der Michelin zwar den dritten Stern aberkannte, was internationale Kundschaft kostetet, dem aber alle anderen Restaurantführer weiterhin die Höchstnote verleihen. „Jede Auszeichnung führt zu einem schönen Gefühl, auch einem nicht falsch verstandenen Stolz. Trotzdem bin ich geerdet, komme ja vom Bauernhof, da ruht man sich wenig auf den Lorbeeren aus. Aber es ist ein Moment, um kurz innezuhalten, eine solche Auszeichnung ist ja nicht selbstverständlich.“ Der stets bescheidene und zurückhaltende Koch feierte den Preis bei seiner Rückkehr mit seinem ganzen Team und einem schönen Champagner.
Menü mit besonderem Preis für Gäste
„Diese Auszeichnung möchte ich als Anlass nehmen, speziell unseren Gästen im Umfeld ein besonderes Menü mit besonderem Preis anzubieten. Wichtig für ein Restaurant wie unseres ist, dass die Menschen in der Region nicht nur darüber reden, und stolz sind, dass es das in ihrer Heimat gibt, sondern dass man als Genussliebhaber auch hingehen kann, wenn mal ein Angebot kommt zu solch einem Preis“.
„Chef’s Choice“ heißt das Menü, ist ab sofort – und mindestens bis ins Frühjahr – buchbar. Es wird nur Mittwoch und Donnerstag angeboten – zwei Tage, an denen die Kapazitäten dafür frei sind. Auch eine vegetarische Variante steht zur Wahl, ein Bereich, in dem Wissler heute ebenfalls als einer der besten und kreativsten Köche des Landes gilt. „Dieses besondere Menü muss immer im Vorhinein gebucht werden, es wird aus fünf Gängen plus Amuse-Bouche und Petits Fours bestehen. Damit können unsere Gäste die Auszeichnung sozusagen aufessen. Eine passende Weinbegleitung wird es auch geben sowie ein Paket mit Übernachtung im Grandhotel Schloss Bensberg.“
185 Euro klingt auf den ersten Blick nach einem stolzen Preis, was sich jedoch relativiert, wenn man die Preise für ein reguläres 6-Gang-Menü (260 Euro) und eines mit acht Gängen sieht (295 Euro). Aufgrund gestiegener Lebensmittel-, Energie- und Personalkosten ging die Preisspirale in letzter Zeit bei vielen Spitzenrestaurants rasant nach oben. Wird das so weitergehen? „Nein, jetzt ist der Punkt erreicht, an dem man den Preis nicht mehr weiter steigern kann. Man muss sich Gedanken machen, wie man die Küche darauf ausrichtet, dass die Wirtschaftlichkeit trotzdem noch gegeben ist. Auch wenn die Kosten weiter steigen.“
Deutsche Gastronomie hat nicht in jüngere Generation investiert
Wissler erzählt, dass bei den Rolling-Pin-Awards der Gästerückgang in der Spitzengastronomie ein großes Thema war. Vor Kurzem vermeldete das Berliner Kult-Restaurant „Ernst“ sogar, dass es unter anderem aus diesem Grund Ende 2024 schließt. „Die Zeit ist nicht leicht“, konstatiert Wissler. „Viele Themen tragen ein kleines Stück dazu bei. Es gibt viel mehr Sternerestaurants als früher, eigentlich eine positive Entwicklung, aber die Esskultur hat sich in Deutschland nicht entsprechend mitentwickelt. Der Luxemburger kommt nach Hause und sagt: habe heute einen tollen Abschluss gemacht, lass uns gut essen! Aber auch: schwere Woche gehabt, lass uns gut essen! In Spanien geht auch ein Malermeister einmal im Jahr in ein Sterne-Restaurant. Die deutsche Gastronomie zahlt jetzt den Preis dafür, dass sie nicht rechtzeitig begonnen hat, in die jüngere Generation zu investieren, indem sie dieser einen Preisvorteil eingeräumt hätte.“
Keine Angst vor dem Spritzenrestaurant
Auch die aktuelle Konsumzurückhaltung sei ein Grund. Schwellenangst, so Wissler, müsse heute keiner mehr vor einem Spitzenrestaurant haben. „Dieses Klischee über ein Restaurant, in dem absolute Spitzenküche geboten wird und für das man sich vorher mittels einem Verhaltenskodex informieren sollte, ist völlig unbegründet und überholt. Klischees wie richtige Kleidung oder welches Besteck man wann nehmen muss, stammen aus alten Tagen, halten sich aber hartnäckig wie nichts anderes. Wie das Gerücht, wer die Teller tauscht, würde freundlich gebeten, das Restaurant nicht mehr zu besuchen. Das hat dann der Taxifahrer von dem und dem erzählt. Der Gast soll einfach kommen, sich fallen lassen und diese wunderschöne kulinarische Karussellfahrt erleben. Es braucht nur ein wenig Mut und Neugierde dafür.“
Manche Gerichte werden von Köchen serviert
Um Schwellenängste abzubauen und Spitzenküche nahbarer zu machen ist Wissler wie einige seiner Kollegen dazu übergegangen, Gerichte auch von Köchinnen und Köchen servieren zu lassen. „Wir haben zwar eine Küche mit großem Fenster aber halt nicht das Flair einer komplett offenen Küche. Das will ich damit ein wenig rüberbringen. Wenn man als Koch dem Gast einen Teller einsetzt und eine Kleinigkeit erläutert, hat das eine ganz andere Glaubhaftigkeit. Es geht auch darum, die Geschichte des Gerichts an den Gast weiterzugeben. So viel Geschichte, dass es nicht stört, aber Neugierde erzeugt.“ Für seine Köche sei dieses Erlebnis ebenfalls wichtig, um zu erleben, wie die Gäste die Speisen wahrnehmen, zudem würde der Service entlastet – die Personalproblematik macht auch vor absoluten Spitzenrestaurants nicht Halt.
Ein anderer Trend ist, dass immer mehr Kochsendungen mit Spitzenköchen ausgestrahlt werden. „Diese Formate wurden mir alle schon angeboten“, erzählt Wissler. „Sie haben einen gewissen voyeuristischen Unterhaltungswert, aber echte Spitzenküche ist nicht salopp unterhaltsam. Das ist wie, wenn man ein Formel-1-Team auf ein Rennen einstellt, da macht keiner Faxen, jeder muss fokussiert und konzentriert sein. Und das ist nicht zu machen, wenn ich in einer rosa Jacke durch das Fernsehstudio hüpfe und mir schnell irgendeinen Teig zusammenrühre – was allerdings auch etwas ist, das man erstmal beherrschen muss.“