Nur wenige Gastro-Betriebe schaffen es auf fünf Google-Sterne. Eine kleine Reibekuchenbude in der Kölner Altstadt gehört dazu.
Fast-Fünf-Sterne ReibekuchenKölner Rievkoochebud sorgt bei Google für Aufsehen
Es brutzelt nicht. Wobei, vermutlich brutzelt es schon, schließlich trifft da drinnen geriebene Kartoffelmasse auf heißes Rapsöl. Doch wer vor dem Imbiss in der Salzgasse steht, der hört etwas anderes: Klackern. Es klackert einmal. Zweimal. Fünfmal. Dann kommt Christina Steier mit ihren etwas wild hochgesteckten Haaren aus dem Inneren der Bude hervor und stellt eine Schale mit Reibekuchen auf die Theke. Das Klackern ist nicht das einzige, mit dem ihr Imbiss „Rievkoochebud“ an diesem Donnerstagmittag auffällt. Dabei macht sich der Laden so klein wie möglich, eingeklemmt zwischen Kneipen in der vom Tourismusbetrieb geprägten Kölner Altstadt.
Nicht einmal Stehtische sind zugelassen, dafür ist die Gasse zu schmal. Vor Ort kann man den Imbiss leicht übersehen, im Internet eher nicht. Wer auf Google nach Restaurants und Imbissen in der Gegend sucht, wird ziemlich schnell auf die Rievkoochebud stoßen. Aus gutem Grund. Es gibt in Köln nur ein paar Cafés, die auf die Höchstwertung von 5,0 Sternen bei Google kommen, außerdem eine Filiale einer türkischen Fast-Food-Kette. Die hat allerdings nicht mal 100 Bewertungen. Die Reibekuchenbude gehört zum erlauchten Kreis der Speisebetriebe, die 4,9 Sterne erreichen.
Damit spielt der Ein-Frau-Betrieb, der ausschließlich den rheinischen Kartoffelklassiker anbietet, in derselben Liga wie mehrere indische und vietnamesische Gaststätten, ein Japaner und ein Hotelrestaurant. Im Internet feiern sie Steiers Reibekuchen mit Sätzen wie „Die besten Reibekuchen, die ich je gegessen habe.“ Oder: „Wenn es nicht soweit wäre von Hannover, wären wir jeden Tag da.“ Auf Englisch klingt ein Lob so: „The best and the cheapest reibekuchen in town.“ Wie hat die Frau das hinbekommen? Heute ist kein guter Tag für Reibekuchen. Draußen sind es um die null Grad, es fängt an zu schneien. Usselig, sagt Steier.
Frische Reibekuchen mit Dips und Cremes
Touristen sind kaum unterwegs. Und auf die setzt sie neben den Kunden aus den umliegenden Büros, die hier ihre Mittagspause machen. Ein paar von ihnen sind aber auch heute rausgekommen und warten aufs Essen. Die Reibekuchen sind etwas kleiner als üblich, fast schon Plätzchen, dazu gibt es nicht nur Apfelmus und Rübenkraut, sondern auch Räucherlachs, Kräuterquark, Knoblauchcreme und Honig-Chili-Dip. Manchmal rührt Christina Steier auch Dattelcreme zusammen. Die Ware verkauft sie durch eine geöffnete Flügeltür aus Holz. Bei jeder Bestellung sagt sie „Dauert fünf Minuten“ oder wie lang auch immer es dauert. Am Wochenende harren sie hier schon mal eine Stunde aus.
Die Reibekuchen werden frisch zubereitet. Steier will den Leuten die Chance geben, sich noch mal anders zu entscheiden, falls es ihnen doch zu lang dauert. Dann gibt sie mit einem Esslöffel Teig in die eckige Pfanne. Das Rapsöl muss heiß genug sein, sonst saugt der Teig zu viel Fett auf. Wenn der Rand anfängt, dunkel zu werden, dreht sie das Küchlein mit der Zange um. Drei Minuten braucht so ein Reibekuchen im Schnitt. Dann dreht sie ihn noch mal kurz um, damit das Fett auf der oberen Seite wieder erhitzt wird. Das ist wichtig für den nächsten Schritt. Steier packt jeden einzelnen Reibekuchen mit einer Küchenzange und schüttelt das Fett aus ihnen heraus. Andere legen sie bloß auf ein Abtropfgitter. Deshalb sind die Reibekuchen auch etwas kleiner, weil sie sonst auseinanderfielen.
Christina Steiers Trick: Reibekuchen gegen Ellbogen
Aber auch das reicht Steier noch nicht. Sie ist überzeugt, dass das Fett sich noch besser abschütteln lässt, wenn das untere Ende der Zange gegen ihren Unterarm knallt. In den ersten Tagen dieser Idee hatte sie ständig blaue Flecken und Verbrennungen. Um sich zu schützen, schnitt sie zunächst den Boden aus einem Coffee-To-Go-Becher und steckte die Hand hindurch. Schließlich stieß sie im Internet auf einen Unterarmschutz aus Plastik, den Bogenschützen verwenden, damit die Bogensehne sie nicht verletzt. Deshalb hört man es in der Salzgasse nun täglich klackern. Es ist das Geräusch, das entsteht, wenn das Ende der Zange auf Plastik trifft.
2019 hat Christina Steier ihre Bude eröffnet. Erfahrung in der Gastronomie hatte sie vorher bloß als Kellnerin gesammelt und gelegentlich in der Küche. Der Plan war eigentlich ein anderer. Nach dem Abitur studierte sie BWL, obwohl sie über sich sagt: „Eigentlich habe ich nichts an BWL in mir.“ Angesichts der Bürojobs, die nach dem Studium folgten, dachte sie irgendwann: „Das kann ich nicht bis zu meiner Rente machen. Jetzt bin ich noch jung und probiere was anderes.“ Im August 2019 sah sie sich das leerstehende Lokal in der Salzgasse an, in dem vorher Burger und Pizza angeboten worden waren. Sie stellte fest, dass in der Altstadt alles verkauft wird, Currywurst, Döner, Pizza, Pommes, aber Reibekuchen? Den bekommt man in Köln nur auf Wochenmärkten und in den Brauhäusern, meist an bestimmten Tagen.
Rievkoochebud in Salzgasse: Top-Bewertungen auf Google
2004 musste die berühmte Reibekuchenbude vorm Hauptbahnhof schließen, weil sie einem moderneren Stadtbild weichen sollte. Reibekuchen hatte Steier schon als Kind gerne gegessen, besonders von Oma, aber Reibekuchen selbst gemacht? Selten. Es gibt viele erstaunliche Momente in ihrer Geschichte, aber dieser ist der erstaunlichste: In kaum mehr als einer Woche, so schildert sie es, eröffnete sie ohne große Erfahrung ihren Imbiss. Einen Tag gab sie sich, um das Braten auszuprobieren. „Dann ging's direkt los. Auf einmal standen hier die Leute, und ich habe versucht, die Reibekuchen zu machen. Am Anfang waren sie oft schwarz“, sagt sie. Sie lernte dazu. Zum Beispiel, dass es wichtig war, die Hand übers Öl zu halten, um festzustellen, wie heiß es war.
Zum Beispiel, dass sie nicht zu viele Reibekuchen in die Pfanne legen durfte, weil das Öl sonst abkühlt. Zunächst schälte und rieb sie die Kartoffeln noch selbst, aber dann ging die elektrische Reibe kaputt, die sie vom Vorgänger übernommen hatte. Nun holt sie die geriebenen Kartoffeln bei einem Bauern in der Region ab, den Rest macht sie selbst. Eier, Mehl, Salz, Pfeffer und Muskat kommen zu den Kartoffeln in den Teig, aber eigentlich arbeitet sie bis heute an den Details, wie der Trick mit der Küchenzange zeigt. „Ich werde manchmal damit aufgezogen, ob ich meinen Reibekuchen auch Namen gebe“, sagt sie.
Außen knusprig und innen weich, so soll's werden. Als aufgrund des Lockdowns kaum jemand kam, wollte sie mal über Lieferando liefern. Den Vertrag hatte sie bereits ausgefüllt, aber als sie einmal zur Probe die Reibekuchen ein- und zehn Minuten später wieder auspackte, um sie zu probieren, begrub sie den Plan. Sie waren nicht mehr kross genug. „Ich dachte, nee, dann verkaufe ich lieber nix.“ Die Rückmeldungen der Kunden, auch auf Google, geben ihr Recht. Zu Beginn hatte sie sogar 5,0 Sterne, dann aber beschwerte sich einer, dass er zu lange warten musste. Mittlerweile ist sie froh, dass es so gekommen ist. Sonst denken die Leute noch, dass die Bewertung gekauft ist oder nur Bekannte mitmachen.
An diesem Donnerstag schauen trotz des Wetters noch einige Kunden vorbei. „Gerne auch zehn“, antwortet der Tourist aus Aschaffenburg auf Steiers Ankündigung, es dauere fünf Minuten. Er sagt, er sei hier gestern schon vorbeigelaufen, bloß war er leider satt. Eine Frau aus Stuttgart, die gerade aus der Susanna-Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum kommt, hat vorhin auf Google einen Imbiss gesucht, der typische Gerichte aus Köln anbietet. So ist sie hier gelandet. Eine Büro-Angestellte holt Reibekuchen für sich und ihre Kollegen. Für jeden gibt es einen.
Vier ältere Frauen, die Französisch miteinander sprechen, schauen sich das Ganze erst mal neugierig an, dann bestellen sie vier Portionen, drei mit Knoblauch, eine mit Apfelmus. Gerade ausländischen Touristen muss Steier erst einmal erklären, was das überhaupt ist, Rievkooche. Potato cakes, sagt sie meist. Schließlich holt eine Frau, die gegenüber in einem Büro arbeitet ist, ihre Bestellung in einer Papiertüte ab. Sie zieht in wenigen Tagen nach München und muss lange ohne die Fast-Fünf-Sterne-Reibekuchen aus der Salzgasse auskommen. In der Tüte sind 15 Stück.
Rievkoochebud, Salzgasse 6, 50667 Köln. Öffnungszeiten: mittwochs bis sonntags 12 bis 20 Uhr, Instagram: @rievkoochebud