Rheinland für Entdecker„The Best of Rokoko“ am Schloss Augustusburg
Eigentlich hatte Clemens August von Bayern (1700–1761) keine Absichten, Erzbischof von Köln und Kurfürst zu werden. Sein älterer Bruder Philipp Moritz (1698-1719) war für den geistlichen Posten vorgesehen. Allerdings starb dieser mit nur 21 Jahren an den Blattern, während Clemens August und er in Rom Theologie studierten.
„Ich denke, Clemens August hätte sich vielleicht auch mit der Funktion eines Abtes zufriedengegeben. Er hätte dann ein Kloster geleitet und wäre nicht fünffacher Bischof und sechsfacher Reichsfürst gewesen“, sagt Christiane Winkler (51), Sprecherin der Brühler Schlösser Augustusburg und Falkenlust.
Winkler geht durch die prachtvollen Räume von Augustusburg, die gereiht wie Perlen an einer Schnur zum Audienzsaal führen, in dem der damalige Kurfürst Anfragen des Adels entgegennahm. Die Räume, mit aufwendigen Stuckverzierungen an den Decken und schweren und handgefertigten Wandteppichen voller Jagdszenen, dienten nur einem Zweck: Repräsentation. „Die Leute, die zum Kurfürsten wollten, wurden ihrem Rang gemäß vorgelassen. Teilweise hat das Warten wohl länger gedauert als die eigentliche Audienz“, erklärt Winkler.
Augustusburg in Brühl, Grundsteinlegung 1725 und Fertigstellung 1768, zeigt die politische Seite des Kurfürsten. Während es im Inneren des Schlosses keinen Tanzsaal gibt, gilt der Garten als ein solcher – nur unterm freien Himmel. „Hier wächst nichts, wie es will“, sagt Winkler und deutet auf die Büsche, die dicht zusammengesetzt wurden. „Der Fürst zwingt auch der Natur seinen Willen auf. Er hat alles unter Kontrolle.“ Im ersten Moment klingt das nach einem nahezu größenwahnsinnigen Adeligen, der sich als von Gott eingesetzt betrachtet. Aber ganz so einfach lässt sich der Hausherr nicht in eine Schublade stecken.
Anfahrt und Kontakt
Adressen: Schloss Augustusburg, Parkplatz Max-Ernst-Allee.Falkenlust, An Schloss Falkenlust, 50321 Brühl.
Öffnungszeiten: Montag geschlossen; Dienstag bis Freitag 9 bis 12 Uhr (letzter Einlass), 13.30 bis 16 Uhr (letzter Einlass); Samstag, Sonn- und Feiertage 10 bis 17 Uhr (letzter Einlass).Telefon: 0 22 32/4 40 00; mail@schlossbruehl.de www.schlossbruehl.de
Christiane Winkler arbeitet seit 2004 fest angestellt für die Schlösser in Brühl. Bereits während ihres Geschichts- und Kunstgeschichtsstudiums war sie für die Schlösser tätig und führte Touristen durch die Bauten im Rokokostil, die seit 1984 auf der Liste, an fünfter Stelle, des deutschen Weltkulturerbes der Unesco stehen.
Obwohl Winkler in beiden Schlössern vermutlich jeden Winkel kennt, bekommt sie immer noch strahlende Augen, wenn sie sowohl von den Bauten als auch von deren einstigen Besitzer spricht. Hätten sich der Kurfürst und Winkler je kennengelernt, sie wären vermutlich prächtig miteinander ausgekommen. „Was für ein Mensch er war, wird vor allem in seinen Tagebüchern und Briefen deutlich. Nicht auf den großen Gemälden oder Büsten, die es von ihm gibt“, sagt Winkler.
Sie hat recht. Auf den Leinwänden ist ein schlanker Mann mit schmalem Gesicht, schmaler Nase und grauer Perücke abgebildet. Entweder in geistlicher Kleidung oder in einer blau-silberfarbenen Uniform, die er zu seinen legendären Falkenjagden trug. Stilisierte Bilder ohne persönliche Eigenschaften eines Mannes, der aus einem der ältesten deutschen Adelshäuser, dem der Wittelsbacher, stammte.
Eine Ahnung davon, wie Clemens August als Privatmann war, gibt ein Porträt, das über einem Kamin in einem kleinen Zimmer im Jagdschloss Falkenlust hängt. Das Zimmer trägt wegen der mit chinesischen Lackmalereien verzierten Wänden den Namen „Chinesisches Lackkabinett“. Passend dazu trägt Clemens August auf dem Bild einen seidenen Hausmantel, hält in seiner rechten Hand eine Tasse Tee, eine weinrote Schlafmütze auf dem Kopf. Am liebsten möchte man sich zu ihm setzen, mit ihm Tee trinken und ein wenig plaudern. Beispielsweise: Warum besuchte er gerne Maskenbälle? Der letzte Ball, an dem Clemens August teilnehmen konnte, war ein Karnevalsball im Februar 1761 in Koblenz, bei dem er vermutlich einen Schlaganfall erlitt und an den Folgen starb. Beigesetzt ist er in der Familiengruft im Kölner Dom.
„The Best of Rokoko“
Auch er selbst gab sich zu Lebzeiten gern als Ballveranstalter. „Es soll ein Bauernball gewesen sein. Dafür mussten die Gäste Lose ziehen, auf denen Rollen standen. Entweder Magd, Knecht oder Schmied. Aus einem Fundus konnten sich die Gäste passende Kleidungsstücke aussuchen und anziehen“, erzählt Winkler. Damals empfand niemand diese Art der höfischen Unterhaltung als despektierlich gegenüber der arbeitenden und armen Bevölkerung.
Im Gegenteil: Der Adel verband mit dem Landleben die Natur, die wiederum ein Symbol für Freiheit und Ausbruch aus den starren, gesellschaftlichen Konventionen bedeutete. Heute würde ein solcher Maskenball wohl aufgrund moralischer Maßstäbe nicht stattfinden.
Dass der Kurfürst wohl den Pomp liebte, zeigt das Treppenhaus in Schloss Augustusburg, bis zu dessen Vollendung 20 Jahre vergingen. „So etwas gibt es weltweit nicht noch einmal. Das ist sozusagen »The Best of Rokoko«“, sagt Winkler, während sie auf ein Steingebilde aus Goldbüste, Wappen und Theatervorhang weist. Rechts kniet lebensgroß die Nobilitas (Adel) und links die Modestia (Bescheidenheit). Unter dem Theatervorhang: der Hausherr. „Darin wird die gesamte Theatralik seiner Person deutlich“, erklärt Winkler – ohne diesen Satz negativ zu meinen.
Ein Faible für die Künste
Im Gegenteil. Der Kurfürst hatte ein Faible für die musischen Künste und wollte jedem Gast, der zu ihm kam, zeigen, wie bedeutend und einflussreich er war. Winkler: „Er hatte an die 40 Ämter und Posten inne, sowohl geistliche als auch weltliche. Jeder, der mit der Kutsche hier vorfuhr, wusste direkt, mit wem er es zu tun hatte.“ Das steinerne Ensemble als eine Visitenkarte.
Wenn Christiane Winkler einen schlechten Tag hat, wie sie selbst sagt, gehe sie gerne zum Treppenhaus und besehe sich die Säulen aus Stuckmarmor und die bemalte Decke in Pastelltönen. „Das hier ist für mich ein ganz harmonischer Ort“, sagt sie. Das Muster der polierten Säulen aus Stuckmarmor ist kein zufälliges. So wird letztlich auch an diesem marmornen Beispiel der Wille des Hausherrn deutlich, alles zu beherrschen und zu kontrollieren.
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Weitere Tipps rund um den Ausflug
Anreise: Mit der Bahn kommen Besucher auf der Strecke Köln–Bonn mit den Zügen RB 48 und RE 5 oder mit der Mittelrheinbahn der Linie 26 bis zum Bahnhof Brühl. Von dort aus sind es etwa 300 Meter Fußweg zum Schloss Augustusburg. Ebenso ist eine Anreise mit der Stadtbahnlinie 18 von Köln oder Bonn aus bis Brühl-Mitte möglich.
Der Fußweg bis zum Schloss ist etwa 800 Meter lang. Mit dem Auto geht es entweder über die Autobahn 555 (Köln–Bonn) bis zur Abfahrt Godorf/Brühl oder über die Autobahn 61 (Koblenz–Mönchengladbach) bis zum Kreuz Bliesheim, weiter über die Autobahn 553 bis zur Abfahrt Brühl-Ost/Wesseling. In der Stadt Brühl der Beschilderung „Schloss Augustusburg“ folgen.
Einkehr: Im Jagdschloss Falkenlust, das zu Fuß bequem über den Park von Schloss Augustusburg zu erreichen ist (2,5 Kilometer), befindet sich nicht nur ein Museum, sondern in einem der damaligen Pferdeställe auch das „Café und Restaurant Falkenlust“.
Für Kinder: Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren können mit ihren Eltern auf Entdeckungstour durch die Schlösser und Gärten gehen. Neu ist für Kinder von vier bis sieben Jahren die eineinhalbstündige Tour „Die fabelhaften Märchen im Schloss Falkenlust“. Zu festen Terminen besteht die Möglichkeit, die Räume und Treppenhäuser hinter den Dienstbotentüren im Schloss Augustusburg zu erkunden. Dazu erzählt das Personal dann spannende Geschichten. Treffpunkt im Kassenraum des Schlosses. Preise, Öffnungszeiten und Termine gibt es auf der Internetseite des Schlosses.
Gutwetter-Alternative: Der Schlosspark von Augustusburg kann auch unabhängig vom Museum besichtigt werden und ist kostenfrei zugänglich. Mitte Mai hat bereits die neue Pflanzensaison für die Schlossgärtnerei begonnen. Etwa 40 000 Sommerblumen aus dem Gewächshaus sind in die Blumenbeete gepflanzt worden.
Wichtiger Hinweis: Das Betreten der Blumenbeete und das Lagern und Picknicken auf den Wiesen sind nicht gestattet. Es werden Führungen durch die Garten- und die Parkanlage angeboten, die zwei Stunden dauern. Infos auf der Schloss-Internetseite (s. Kontakte).Der nützliche Tipp: Fotos dürfen in den Schlössern Augustusburg und Falkenlust nicht gemacht werden. Garten- und Parkanlage sind davon nicht betroffen.
Für Radfahrer: Die Stadt Brühl bietet Touren an. Unter anderem „Zehn Seen sehen“ (28 Kilometer). Start: Kaiserbahnhof Kierberg. Die Route führt durch die Wälder zu den Seen des Naturparks Rheinland. Ein kleinerer Rundkurs ist etwa 16 Kilometer lang.