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Rheinland für EntdeckerZu Besuch bei der Hüterin der Garten-Arche

Lesezeit 7 Minuten
Freilichtmuseum Lindlar4

Blick auf die Bar­bara-Ka­pel­le, die am höchsten Punkt des Mu­se­ums­ge­län­des liegt.

  1. In den kommenden Wochen nehmen wir Sie mit auf eine Reise an 25 Orte unserer Heimat, die garantiert einen Besuch wert sind.
  2. Marianne Frielingsdorf zieht im Freilichtmuseum Lindlar Gemüse und Obst, das es nirgends mehr zu kaufen gibt. Ein Besuch an ihren üppigen Beeten.

Marianne Frielingsdorf pflückt eine orange leuchtende Blüte und reicht sie der Besucherin: "Probieren Sie mal!" Und fügt angesichts der skeptischen Reaktion hinzu: "Taglilien schmecken wie Zuckererbsen. Nur zu." Im Mund knackt es, dann breitet sich ein wohlig herbes Aroma aus. Her mit weiteren Kostproben! "Aber den Stempel sollten Sie nicht essen."

Da gehorcht man wohl besser. Marianne Frielingsdorf ist Kräuterfrau, sie und ihre Kolleginnen hüten die Beete der "Bergischen Gartenarche", sie liegen gleich am Eingang des LVR-Freilichtmuseums in Lindlar, das sich dem bäuerlichen Leben in der Region widmet.

Freilichtmuseum Lindlar

Marianne Frielingsdorf zieht im Freilichtmuseum Lindlar alte Gemüse- und Obst-Sorten.

An die sanfte bergische Hügellandschaft schmiegen sich neben vielen anderen historischen Gebäuden der "Hof zum Eigen" mit Backhaus, Zehntscheune und Wohnhaus, eine alte Schmiede, ein Bandweberhaus, der Müllerhammer und seit neuestem das Forsthaus Broichen (aus Bergisch Gladbach) und die Barbara-Kapelle aus Hellenthal. Das Museum dokumentiert bäuerliches Leben aus früheren Jahrhunderten, alle Gebäude sind Originale und wurden hier wieder aufgebaut. Handwerker zeigen längst vergessenes Können und machen in der Schmiede, am Backofen (aus dem nach drei Stunden Vorheizen duftendes Brot und Kuchen angeboten werden), aber auch auf den Äckern auf beeindruckende Art und Weise klar, wie kräftezehrend die Arbeit in der Landwirtschaft früher war.

Und wie laut: Wenn der Webstuhl rattert, auf dem Bänder gewirkt werden, halten sich die Gäste spontan die Ohren zu. Marianne Frielingsdorf hofft, dass Kinder, die sehen, wie viel Arbeit früher in die Stoffherstellung investiert werden musste, ein anderes Verhältnis zu der Hose, dem Pullover bekommen, den sie tragen. "Früher wurde Bekleidung von Generation zu Generation weitergegeben." Heute landen T-Shirts nach einer Saison im Altkleidersack. In Lindlar kann man den Weg der Wolle vom Schaf über die Schur bis zur Verarbeitung beim Stricken verfolgen.

Museum für Pflanzen

Wenn man so will, dann sind die Gärten von Marianne Frielingsdorf auch eine Art Museum, ein Archiv für Pflanzen, für Gemüsesorten und Blumen, wie es sie nirgendwo mehr zu kaufen gibt. Frielingsdorf ist Mitbegründerin der "Bergischen Gartenarche", sie hat das Ziel, Gartenpflanzen, deren Geschichte mindestens 50 Jahre im Bergischen Land zurückverfolgt werden kann, aufzuspüren, zu erhalten und zu vermehren.

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Blick in das um­fang­rei­che Sa­men­ar­chiv in Marianne Fri­e­lings­dorfs Schrank

Die alten Sorten sollen wieder in den Gärten der Region etabliert werden, nur so bleibt die traditionelle genetische Vielfalt erhalten. Bei Gemüsesorten ist es wichtig, dass sie vor 1950 angebaut wurden, denn nur so kann gewährleistet werden, dass es sich um alte Landsorten und nicht um Neuzüchtungen handelt.

Das Samenarchiv wird in Gläsern jeder Größe gelagert, ein ganzer Schrank voll lädt zum Stöbern ein. Was für Namen: Schabziger Klee, Nesselblättrige Glockenblume, Pastinaken, Schlachtschwarz, Engkohl, Roter Fuchsschwanz, Färberwaid. Helle Körnchen, ovale Bohnen, unscheinbare graue Krümel - alles Schätze aus der Region. Jetzt nur nicht den Anfängerfehler begehen und möglichst viele Samen auf engsten Raum in die Erde stecken.

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Marianne Frielingsdorf hat die Spendernummer 32, jede Art, die sie dem Archiv hinzufügt, erhält hinter der Stammnummer einen Buchstaben des Alphabets. Die Kräuterfrau "ist schon zweieinhalb mal durchs ABC", sie allein hat mehr als 70 Samensorten beigetragen. "Das hört sich viel an", sagt sie, "Aber wir haben viel zu spät angefangen, die Samen zu sammeln." Wir, das sind Gartenfreunde, die sich Anfang der 90er Jahre in der Biologischen Station des Naturschutzbundes zusammengefunden haben. Wenn Frielingsdorf durch die grüne Seite des Museums mit vielen großen Bäumen führt, hat sie immer den dicken Ordner mit Fotos und Beschreibungen all ihrer Schätze unterm Arm. Im Vorbeigehen grüßen wir den Gärtner, der Salate und Kohl, Möhren und Kartoffelpflanzen im Färbergarten pflegt - mit einem altertümlichen Ritzhok, einem Furchenzieher.

Die Frau mit der Silberbrille, den kinnlangen grauen Haaren, dem schwarzen T-Shirt und der geblümten Gartenschürze konnte sogar Samen aus dem Garten ihrer Großmutter beitragen. Die Liebe zur Natur hat sie von ihren Eltern übernommen, das Leben auf dem Land ebenso: "Ich kann noch Kühe melken." Und sie weiß, zu welchem Kraut sie greift, wenn sie Magengrimmen hat: Schafgarbe: "Und dann ist bald alles wieder gut." Man müsse nur, findet sie, in den Garten gehen. Gegen alles sei irgendein Kraut gewachsen.

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Auch die Ziegen gehören zum Mu­se­ums­per­so­nal.

Warum die alten Sorten verdrängt worden sind? "Sehen Sie, diese Erbsen hier, die kann man nicht an einem Tag abernten, und dann ist alles gut. Da pflückt man jeden Tag ein paar - und das drei Wochen lang." Für die Großproduktion sind solche Arten nicht geeignet - da muss binnen weniger Tage alles erledigt sein. Dafür schmeckten ihre Erbsen aber einfach besser. Nebenan reckt sich Baumspinat, bis zu drei Meter hoch kann er werden. Und daneben, viel kleiner, "ewiger Kohl" - eine Sorte, die von Frühling bis in den Herbst wächst und jede Gemüsesuppe mit einigen Blättern adelt.

Frielingsdorf bietet im Museum Führungen durch die Gärten an, aber auch Nachmittagskurse zum Kochen mit Wildkräutern wie Gundermann(kraut) oder Knoblauchsrauke oder für Salate mit Blüten. "So viele Mineralstoffe und Vitamine kriegen Sie sonst nie auf einmal zusammen. Dazu eine leichte Vinaigrette mit etwas Honig. Fertig." Und dann sind da noch die kleinen weißen Nelken. Die kann man nicht essen, aber sie duften - die Lieblinge der Kräuterfrau, ebenfalls gerettet aus Großmutters Garten. Sie haben nur einen Nachteil: Beim ersten Regen sind sie ruiniert und faulen. Marianne Frielingsdorf hat sie gerettet.

Womit wird gedüngt im Museumsgärtchen? Natürlich mit Mist aus dem Museum. Hühner, Schafe, Kühe und Schweine (alte Rassen) gehören in Lindlar zum Personal - und Pferde grasen auf der Wiese, so malerisch, dass einem ganz wehmütig wird, wenn man wieder zurück muss in die Großstadt. Kater Sammy frisst im Museumsgarten die Wühlmäuse.

Kontakt und weitere Empfehlungen für Freilicht-Fans

KontaktLVR Freilichtmuseum Lindlar, 51789 Lindlar022 66/9 10-0Öffnungszeiten: 1. März bis 31. Oktober, Dienstag bis Sonntag,10 bis 18 Uhr,im Winter 10 bis 16 UhrEintritt: Erwachsene 6 Euro,Kinder bis 18 Jahre freiwww.freilichtmuseum-lindlar.de

Anreise: A4 Richtung Gummersbach bis zur Abfahrt Untereschbach, dann 15 km über die L 299 bis zum ausgeschilderten Museumsparkplatz. Aus Osten kommend die A4-Ausfahrt Engelskirchen nutzen und der Beschilderung folgen.

Mit der Bahn: RB 25 nach Gummersbach, Haltestelle Engelskirchen, ab da Buslinie 331 (Taxibus, eine Stunde vorher unter 02261-911-271 anmelden, Gruppen drei Tage vorher)Das Museumsgelände ist hügelig. Festes Schuhwerk empfiehlt sich. Nicht alle Gebäude sind mit Kinderwagen oder Rollator gut zu erreichen. Geländetaugliche Rollstühle mit und ohne Elektroantrieb können ausgeliehen werden (Reservierung unter 02266/471920).

Einkehrtipp: Der Lingenbacher Hof auf dem Museumsgelände (mit Biergarten) bietet regionale Hausmannskost (auch vegetarisch) und ein Kuchenbuffet. Es ist aber auch erlaubt, einen Picknick-Korb von zu Hause mitzubringen und auf dem Gelände Rast zu machen.Sonderprogramme im Museum: Es gibt spezielle Führungen und Kurse für Kinder und Jugendliche. Erwachsene können von einer Einführung in die Imkerei über das Dengeln von Sensen bis hin zum Besenbinden vielerlei Handwerke kennenlernen, sogar das einspännige Arbeiten mit einem Pferd. Großveranstaltungen sind der Bauernmarkt am 25. und 26. August, das Obstwiesenfest am 7. Oktober und das Äepelsfest (Kartoffelfest) am 21. Oktober.

Der nützliche Tipp: Wanderer finden ein gut ausgeschildertes Wegenetz in der Gemeinde Lindlar - so den Steinhauerpfad, auf dem man viel über Steinbrüche lernt (zwei Stunden, 5,6 Kilometer). Der Bergische Panoramasteig führt ebenfalls an Lindlar vorbei.

Radler: Die Bahntrasse Sülztalbahn bietet eine Radtour im Tal des Flüsschens Sülz. Der Radweg von Lindlar nach Wipperfürth durchs Bergische (der auch bis nach Leverkusen und an den Rhein führt) bietet Varianten für E-Biker, Tourenfahrer und Mountainbiker.

www.suelztalbahn-lindlar.de

www.lindlar-touristik.de

Kontrastprogramm: Das Metabolon in Lindlar-Engelskirchen. Früher war das Areal eine Mülldeponie, heute bietet das Informationszentrum rund um Energiegewinnung und Entsorgung einen Blick übers Bergische und die längste Doppelrutsche Deutschlands. Man kann dort Crossgolfen und Klettern. (Anmeldung: 0800/805 80 50)

www.metabolon.de

Übernachtung: Auf dem Museumsgelände gibt es die Herberge "Gut Dahl", dort können (Schüler-)Gruppen übernachten, man sollte aber langfristig planen, die Herberge ist oft ausgebucht.