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Homeschooling mit SportWarum Bewegung für Kinder jetzt so wichtig ist und Tipps

Lesezeit 5 Minuten
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Wie digitaler Sport zur Zeit eine Alternative sein kann.

  1. Für Kinder ist es besonders schwierig, viel Zeit drinnen zu verbringen. Sie haben einen natürlichen Bewegungsdrang.
  2. Der Kölner Sportpsychologe Jens Kleinert erklärt, welche Rolle Bewegung in der Entwicklung von Kinder spielt.
  3. Wir haben analoge und digitale Spiele- und Bewegungstipps mit einer ordentlichen Portion Action gesammelt, die man auch in einer kleinen Wohnung durchführen kann.

Kinder brauchen Bewegung. Klar, wissen wir. Rennen, klettern, hüpfen – am liebsten den ganzen Tag lang. Dieser unbändige Bewegungshunger trieb uns ja schon vor den Corona-Einschränkungen manches Mal in den Wahnsinn. Aber da boten Schulhöfe, Kindergarten-Außengelände, Spielplätze, Ausflüge oder gesellige Garten-Nachmittage mit Freunden immerhin viele Gelegenheiten, den Bewegungshunger zu stillen. Kinder konnten sich müde toben, waren am Abend ganz zahm und fielen schnell in den Schlaf.

Sportpsychologe erklärt

Und jetzt? Ist privilegiert, wer einen Garten mit Trampolin oder den Wald vor der Tür hat. Alle anderen müssen wahlweise ums Mobiliar oder das eigene Nervengerüst bangen – oder nach neuen Möglichkeiten suchen, den Nachwuchs auf Trab zu halten.

Eine Auswahl an Ideen für die Bewegung haben wir weiter unten für Sie zusammengestellt. Es gibt keinen Aus-Schalter für den Bewegungshunger von Kindern. Er ist ein Grundbedürfnis, steckt ganz tief in ihnen drin und ist ungemein wichtig für gesundes Großwerden. „Kinder sind in einer ganz entscheidenden Phase der körperlichen, aber auch psycho-sozialen Entwicklung“, sagt Jens Kleinert, Sportpsychologe an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Und diese Entwicklung funktioniert nur durch körperliche und soziale Aktivität.“

Mit Bewegung erkunden Kinder die Welt

Warum das so ist? „Weil Bewegung für Kinder die beste Möglichkeit ist, die Welt zu erkunden“, erklärt Moritz Daum, Entwicklungspsychologe an der Uni Zürich. Das fängt bei den ganz Kleinen damit an, dass sie Dinge in den Mund stecken, und so etwas über ihre Beschaffenheit lernen. Dass sie um den Tisch krabbeln und auf Stühle klettern – und so Dreidimensionalität erfahren. Dass sie auf einer Mauer balancieren, und so die Gefahren der Schwerkraft kennenlernen.

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„Bewegung ist für Kinder ein extrem wichtiges Hilfsmittel, um zu lernen“, sagt Daum. Ihre Informationsaufnahme läuft weniger über abstrakte Wege wie Lesen oder Hören. Ihr wichtigstes Aufnahmemedium ist zunächst der Körper – denn in der Evolution hat das „verkörperlichte Wissen“ immer eine große Rolle gespielt. „Der Körper hat sich an die Umwelt angepasst und das Denken an den Körper“, erklärt Daum. Es gebe Theorien, wonach die menschliche Sprache aus körperlichen Gesten entstanden sei. Der Mensch habe zunächst mittels Gesten kommuniziert, bis er die Hände brauchte, um Werkzeug benutzen zu können. Erst dann entwickelte sich die gesprochene Sprache.

Warum regelmäßiges Austoben wichtig ist

Der enge Zusammenhang zwischen Körper und Geist sei im Übrigen bis heute in vielen Wörtern zu erkennen, betont der Entwicklungspsychologe. „Begreifen“ oder „erfassen“ etwa beschreiben kognitive Vorgänge mit körperlichen Begrifflichkeiten. Also nicht böse sein mit den Wilden im Wohnzimmer. Sie können nicht anders. Und brauchen auch dann, wenn sie aus dem Krabbelalter heraus sind und schon lesen und schreiben können, regelmäßige Austobe-Möglichkeiten.

Nach Schulaufgaben brauchen Kinder Bewegungspausen

Wir Großen sind da nicht anders, nur weniger auffällig. Statt übers Sofa zu turnen, wippen wir mit dem Fuß unter dem Tisch oder malträtieren die Druck-Funktion unseres Kugelschreibers. „Wir kanalisieren unsere körperliche Energie oft in etwas Unsinniges, um kognitive Ressourcen frei zu machen“, sagt Daum. Kinder können das noch nicht so gut gleichzeitig. Sie brauchen nach einer Phase der Konzentration – zum Beispiel auf Schulaufgaben – zum Ausgleich Bewegungszeit. Ihnen diese zu verschaffen, ist für Eltern in Corona-Zeiten schwieriger als sonst – aber nicht unmöglich.

Spiele-Tipps für Zuhause:

1. Klassische Bewegungsspiele

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Bewegungsspiele sind wichtig für die kindliche Entwicklung.

Es braucht nicht immer moderne Spielplätze mit ergonomischem Turngerät, Freizeitparks oder Erlebnis-Schwimmbäder – auch mit ganz einfachen Bewegungsspielen lassen sich Kinder bei Laune halten. Viele davon sind über die Jahre ein wenig in Vergessenheit geraten, aber wer sich erinnert: Mit wenig Aufwand gut umsetzbar. Topfschlagen, Sackhüpfen, Eierlaufen, Seilspringen, Gummitwist, Stelzen laufen (lassen sich aus ein paar Holzresten schnell zusammenzimmern), Dosenlaufen (lassen sich aus zwei Konservendosen und etwas Wäscheleine prima selbst machen), Parcours (aus allem, was da ist, im Garten oder in der Einfahrt einen Hindernisparcours aufbauen), Dosenwerfen oder Hula Hoop. www.kinderspiele-welt.de

2. Brettspiele mit Bewegung

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Auch aus klassischen Brettspielen kann man Bewegungsspiele machen.

Auf kleinem Raum aktiv sein, auch noch drinnen, das geht. Spiele mit integrierter Bewegung sind zum Beispiel von Haba „Gänsemarsch“ (6,95 Euro) und „Ratz-Fatz in Bewegung“ (39,95 Euro) oder von Ravensburger die „Dschungel-Olympiade“ für den Tiptoi-Stift (39,99 Euro). Aber auch ein simples „Mensch-ärgere-dich-nicht“ kann in ein Bewegungsspiel verwandelt werden: Einfach einzelnen Feldern mit farbigen Markierungen oder kleinen Post-it-Zetteln bestimmte Aufgaben zuordnen, etwa fünf Liegestütze, fünf Sit-ups, fünf Hampelmänner, einmal die Treppe hoch und wieder hinunter laufen, einmal auf allen Vieren um den Esstisch krabbeln. Diese muss ein Spieler erfüllen, sobald eine seiner Figuren auf einem markierten Feld landet. www.gesellschaftsspiele.de

3. Digitale Workouts

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Wie digitaler Sport zur Zeit eine Alternative sein kann.

Die digitale Welt hat einiges zu bieten, um Kinder in Bewegung zu halten.

Auch Spitzensportler engagieren sich aktuell online und wollen Kinder zu Hause zu Bewegung animieren. So produziert der Weltklasse-Fechter Max Hartung mit seinem Kollegen Matyas Szabo im Rahmen ihres Demaskiert-Podcasts Trainingsvideos für Kinder, sie sind auf YouTube unter „Fechttraining für zu Hause“ zu finden. Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo lädt Kinder ebenfalls digital zu gemeinsamen Sport-Stunden ein, ihre Videos finden sich bei YouTube unter „Herzsprung“.

Der Basketball-Bundesligist Alba Berlin sendet zur Zeit über YouTube eine tägliche Sportstunde für drei verschiedene Altersklassen. Ein einfaches Bewegungsprogramm hat der Bayrische Rundfunk mit dem ehemaligen Skirennfahrer Felix Neureuther erarbeitet – zu finden in der Mediathek des BR und bei YouTube. Auch der Deutsche Fußball Bund liefert Ideen für kleine Ballfreunde, auf der Homepage des DFB finden sie sich unter „Training & Service“. Und speziell für die ganz Kleinen hat der TSV Bayer 04 Leverkusen seine Eltern-Kind-Turnstunden ins Netz verlegt.

www.youtube.com/albaberlinwww.br.de/mediathekwww.dfb.de/startwww.tsvbayer04.de