Zwei Familien aus Köln und Bergisch Gladbach vermieten ihre Bullis an fremde Menschen. Wir haben das ausprobiert.
Van-SharingUnterwegs im Zuhause von Anderen – wie ist das?
Wer Camping mag und nicht nur zelten will, wünscht sich oft einen eigenen Bulli. Man kann damit fahren, wohin man will und hat sein eigenes Bett immer dabei. Schlafen mitten in der Natur ist möglich, trotzdem muss man nicht auf eine sichere und gemütliche Höhle verzichten, in die man sich auch bei Regen entspannt verkriechen kann. Mehr Freiheit geht kaum.
Der einzige Haken: Campingbusse und Wohnmobile sind sehr teuer. Nicht jeder kann oder will sich ein solches Fahrzeug leisten. Und wohin damit, wenn man gerade nicht unterwegs ist? Die meisten Bullis stehen fast das ganze Jahr irgendwo herum. Es wäre doch eine gute Idee, die Bulli-Besitzer mit denen zusammenzubringen, die im Bulli unterwegs sein wollen, aber keinen eigenen haben.
Das dachten sich auch die beiden Niederländer Mark de Vos und Foppe Mijnlieff, die sich bei einer Campingtour durch Neuseeland kennenlernten. 2015 gründeten die beiden die Plattform Goboony. Ähnlich wie bei Airbnb können Bulli-Besitzer ihr Fahrzeug bei Goboony gratis einstellen und durch das Vermieten Geld verdienen. Der Name stammt vom neuseeländischen Ausdruck „in the boonies“, was so viel heißt wie „mitten im Nirgendwo“. Mittlerweile umfasst die Plattform fast 10.000 Fahrzeuge und ist in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden vertreten. Etwa 150.000 Menschen nutzen jährlich das Angebot.
Auch in Köln gibt es mit Rental Holidays eine Firma, über die private Bullis, Wohnwagen und Wohnmobile vermietet werden. Jasper Fiebelkorn, Marius Ruppel und Jan Woltering sind selbst passionierte Camper und haben das Start-up 2020 gegründet. Außerdem kann man auf den Seiten von MyVanture, Roadsurfer, Freeway Camper oder Roadfans ebenfalls Camping-Fahrzeuge ausleihen. Die gehören aber keinem anderen Menschen, es hängen keine Gefühle daran.
Fremder Dreck im eigenen Bett
Ist es nicht seltsam, sein kleines eigenes Reich, was ähnlich privat und intim ist wie ein Schlafzimmer, in völlig fremde Hände zu geben? Sich darauf verlassen zu müssen, dass die Fremden liebevoll mit dem eigenen Herzstück und Wohnzimmer umgehen und es heile zurückbringen? Fremden Dreck in seinem Bett zu haben?
Tom Notermans aus Köln hat kein Problem damit, seine Lieblinge an andere abzugeben. Er hat sogar zwei Wohnmobile bei Goboony eingestellt. Den Kastenwagen „Pumba“ von Pössl hat er im vergangenen Jahr fünfmal an andere Menschen vermietet. Pro Tag ist das ab 109 Euro möglich. Im Sommer wird er zum ersten Mal selbst mit seiner Familie darin unterwegs sein. Sein Schätzchen ist der Alkoven Simba, ein umgebauter Citroen-HY, der ab 99 Euro pro Tag zu haben ist. Der war bisher erst einmal ausgeliehen, aber da gleich für drei Monate am Stück.
Aufwachen und in den Himmel schauen
Notermans selbst war mit dem Wagen bisher nur in Italien, aber nicht im Urlaub, sondern um sein Traum-Mobil umbauen zu lassen. Wer dies bei ihm mietet, bekommt also ein absolutes Einzelstück geboten. Vorne hellblaue Citroen-Oldtimer-Schnauze und hinten solides Wohnmobil der Marke Hobby. „Als ich mal einen ähnlichen Umbau gesehen habe, habe ich mich direkt darin verliebt und wollte auch so ein Unikat haben. Mit das Schönste an dem Wagen ist, dass hinten rechts auch ein Fenster ist und die Passagiere auch auf der Rückbank die Aussicht genießen können“, erzählt Notermans. Die Aussicht genießen kann man in diesem Wohnmobil aber im Grunde überall, denn Fenster gibt es auch über den Schlafplätzen. „Egal, wo man aufwacht: Man kann in den Himmel schauen“, schwärmt Notermans.
Er selbst kann sich keinen anderen Urlaub vorstellen: „Man fährt los und hat direkt Urlaubsgefühl. Man kann anhalten, essen und schlafen, wo man möchte.“ Seine Frau Melanie musste sich zunächst an das Leben im Wohnmobil gewöhnen. Schließlich sind die beiden nicht als Paar unterwegs, sondern haben auch noch die Töchter Maja (12) und Charlotte (10) sowie Hund Jack dabei. „Ich fand es ganz am Anfang zu eng und es gab keine Kaffeemaschine. Es hat drei Tage gedauert, bis ich es schön fand“, erinnert sie sich an ihren ersten Wohnmobilurlaub in Frankreich. Mittlerweile genießt sie die Zeit unterwegs in der Natur und dass jeder Campingplatz anders ist.
„Mit den meisten Campern versteht man sich sowieso“
Beide haben kein Problem damit, dass auch andere Menschen in ihren Wohnmobilen schlafen. „Wir haben noch keine schlechten Erfahrungen gemacht“, sagt Tom Notermans. Und weiter: „Man schaut sich die Leute an, ob die Mentalität passt. Aber mit den meisten Campern versteht man sich sowieso.“ Seine Frau Melanie ergänzt: „Ein Wohnmobil zu vermieten, finde ich weniger intim als die eigene Wohnung. Es ist ja nur ein Zuhause auf Zeit.“ Wichtig ist ihnen vor allem, dass die Fahrzeuge nicht 49 Wochen im Jahr einfach nur herumstehen. „Dafür sind sie zu teuer. Ich finde es nett, so etwas zu teilen, auch der Umwelt zuliebe“, sagt Tom Notermans.
Auch Melanie und Patrick Winkel aus Bergisch Gladbach vermieten seit zwei Jahren ihren privaten Bulli, wenn sie ihn nicht selbst brauchen. So können sie einen kleinen Teil der Anschaffungskosten refinanzieren. Der VW California von 2017 kostet komplett Camping-ready ausgestattet mit Dachzelt, Gasflasche und Herd, Kühlschrank, Geschirr, Markise, Klimaanlage, Schränken, Tisch und Stühlen um die 60.000 Euro. Für 103 Euro pro Tag kann man ihn mieten, für längere Buchungen gibt es bis zu 10 Prozent Rabatt. Im Preis enthalten sind die Versicherung und 750 Freikilometer in der Woche. Als Kaution sind vor Fahrtantritt 1500 Euro zu zahlen. Wenn unterwegs nichts passiert, bekommt man das Geld natürlich zurück.
„Man muss sein Gefühl nach hinten schieben“
Als der Bulli noch ganz neu in der Familie war, ist es den beiden nicht leicht gefallen, ihn an Fremde abzugeben. „Man muss sein Gefühl ein bisschen nach hinten schieben und der Rationalität Platz machen“, erklärt Patrick Winkel. Mittlerweile fallen ihnen die Vermietungen leichter, weil sie nur gute Erfahrungen gemacht haben und der Bulli immer in einem guten Zustand zurückkam „Wir haben viele nette Leute kennengelernt, die sehr pfleglich mit dem Wagen umgegangen sind. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Campen einfach ein Lifestyle ist, bei dem man auf einer Wellenlänge ist“, vermutet Melanie Winkel. Vielleicht aber auch daran, dass die beiden so nett sind und dass der Bulli so super in Schuss ist. Da will man nichts kaputtmachen und ist ganz besonders vorsichtig. Das habe ich jedenfalls festgestellt, als ich mit dem Wagen unterwegs war, um das Ganze einmal auszuprobieren.
Bevor es losgeht, kann man sich den Bulli bei Goboony genau ansehen. Die Fotos zeigen den Wagen von innen und außen, so weiß man direkt, was einen erwartet. Dazu gibt es eine ausführliche Beschreibung der technischen Details und der Ausstattung. Verliehen wird der Bulli komplett eingerichtet mit zwei Stühlen, Tisch, Geschirr und Gasflasche. Bis zu vier Personen können darin übernachten, zwei unten auf der Liegefläche und zwei oben im ausfahrbaren Dachzelt. Die obere Liege trägt bis zu 130 Kilogramm. Grundsätzlich wird der Bulli nur an Menschen zwischen 21 und 74 Jahren vermietet, die bereits mindestens drei Jahre ihren Führerschein haben. Ausflüge zu Festivals, Gebirgsfahrten und Rauchen im Auto sind nicht erlaubt, Auslandsreisen ja. Haustiere und Wintersport sollen vorher abgesprochen werden.
Auf der Seite schaut man dann, wann der Bulli verfügbar ist und kann ihn online reservieren. Anschließend erhält man die Bestätigung und zahlt vorab die erste Rate. Diese erste Anzahlung muss innerhalb von 72 Stunden gemacht werden, ansonsten verfällt die Reservierung. Das restliche Geld wird an Goboony überwiesen. Der Vermieter erhält die komplette Summe erst 24 Stunden nach Antritt der Reise. So soll sichergestellt werden, dass alles reibungslos verläuft. Der Preis für die Versicherung ist in dieser Summe enthalten. Auch zusätzliche Fahrer, die mit im Mietvertrag stehen, sind kostenlos mitversichert.
Vor Abreise kommen noch einige Mails von Goboony mit Tipps und Informationen. Zum Beispiel, dass man sich bei der Übergabe alles gut erklären lassen soll und am besten auch Fotos machen soll. Außerdem gibt es ein Formular, das ausgefüllt und von beiden Parteien unterschrieben wird. Vermerkt werden hier unter anderem der aktuelle Kilometerstand, schon vorhandene Schäden, Details zur Ausstattung und wie der Wagen zurückgegeben werden soll, also vollgetankt und sauber. Wer nach der Reise keine Lust aufs Putzen hat, kann das gegen einen Aufpreis machen lassen. Ohne Hund kostet das 50 Euro, mit Hund 70 Euro.
Wann und wie die Übergabe verläuft, wird dann direkt mit dem Vermieter abgestimmt. In unserem Fall läuft das ganz unkompliziert per WhatsApp und am Telefon. Wir treffen uns in Bergisch Gladbach, wo der Bulli auf dem Hof neben dem Haus geparkt ist. Das eigene Auto kann man für die Zeit der Reise hier stehen lassen. Melanie kommt aus dem Haus und es fühlt sich direkt so an, als sei sie eine alte Bekannte. Wir reden ein bisschen und sie zeigt mir alles, was ich wissen muss. Hier sind die Stühle, da der Klapptisch. So stellt man das Dachzelt auf. Die Standheizung kannst du hier anmachen. Der Tank ist auf der Fahrerseite, bitte Diesel tanken. Hier sind Anschlüsse für Strom und Wasser. So klappst du die Sitze um. Dort sind die Verdunklungen für die Fenster. Der Wagen hat Automatik, ist das für dich ein Problem?
Gästebuch für die Erlebnisse der Mieter
Sie erzählt auch von ihren eigenen Touren mit dem Bulli und zeigt mir das Gästebuch, in dem die Mieter von ihren Touren erzählen. „We did a roadtrio through Köln, the Eifel and drove back along the Mosel“, steht da zum Beispiel. Oder: „Auf geht's nach Toulouse! War entspannt, wenig Verkehr, der Cadi ein Traum.“ Christine und ihre Mama schreiben: „Wir waren am Strand und haben ganz viele Quallen gesehen, sogar einen Seestern.“ „Das finde ich immer sehr schön, wenn ich sehen kann, wo unser Bulli so herumkommt und was die Leute damit erleben“, sagt Melanie. Es ist wohl genau diese persönliche Note, die das Van-Sharing so reizvoll macht. Wenn man weiß, dass der Wagen den Besitzern emotional viel bedeutet, geht man gleich nochmal vorsichtiger damit um. Mit einem anonymen Mietwagen ohne Hintergrundgeschichte wäre das sicher anders.
Wir gehen einmal um den Bulli herum, um bereits vorhandene Schäden anzuschauen. Da der Wagen innen wie außen top gepflegt ist, finden wir nur kaum sichtbare Mini-Dellen und Kratzer. Melanie notiert auch noch die Nummer meines Führerscheins. Nach etwa 30 Minuten haben wir alles geklärt und ich bekomme den Schlüssel. „Ruf an, falls was sein sollte.“
Am Anfang ist es noch ungewohnt, mit dem fremden Auto zu fahren. Ich kann noch nicht richtig einschätzen, wie breit, hoch und lang ein Van wirklich ist. Doch je länger wir unterwegs sind, desto mehr genieße ich die Fahrt, besonders, weil man so bequem und erhöht sitzt und so viel Platz um sich herum hat. In Köln sammele ich Kinder, Hund und Gepäck ein. Alles und alle passen ohne Probleme hinein, der Hund – ein Labrador von 35 Kilo – kann sich sogar komplett ausstrecken.
„Ich will auf keinen Fall etwas kaputt machen“
Wir fahren ohne konkretes Ziel los und wollen uns inspirieren lassen. Je länger wir unterwegs sind, desto mehr Spaß macht mir die Fahrt, vor allem auf der Autobahn. Schade, dass wir nicht bis nach Portugal durchfahren können. Dann würde ich mich bestimmt auch noch mehr an den fremden Van gewöhnen. So bleibt immer der Gedanke im Hinterkopf, dass mir der Bulli nicht gehört, dass ich vor allem beim Rangieren und Einparken ganz besonders vorsichtig sein muss und dass die Kinder nicht alles anfassen sollen.
Wir cruisen in der Sonne herum und landen irgendwann bei „Rheincamping Siebengebirgsland“ in Remagen, einem Campingplatz direkt am Rhein gegenüber der Insel Nonnenwerth. Von der Wiese aus sieht man nicht nur das Wasser, sondern hat auch einen spektakulären Blick auf Schloss Drachenburg. Direkt nebenan verläuft der Rheinradweg, einen Fußballplatz gibt es auch. Hier halten wir an, bauen alles auf und setzen uns in die Sonne.
Weil ich aber noch nicht genug vom Bulli-Cruise-Freiheitsgefühl habe, fahren wir später noch weiter und suchen uns zum Schlafen einen Platz mitten im Nichts auf der Seite www.Park4Night.com. Hier sind jede Menge Orte gelistet, an denen man sich mit einem Camper hinstellen darf. Empfehlenswert ist auch die Seite www.hinterland.camp, auf der Privatleute für wenig Geld Stellplätze im Grünen anbieten.
Kleine Aufregung für alle kurz vor dem Einschlafen, weil es einfach so ungewohnt ist. Die Nähe zueinander, die Enge und die Natur. Genau diese Mischung lässt uns aber am Ende besonders gut schlafen. Für einen längeren Urlaub wäre mir persönlich das aber zu eng, es sei denn, man ist frisch verliebt und nur zu zweit.
Am nächsten Morgen geht es nach dem Frühstück leider schon zurück, denn der Bulli muss wieder in sein Zuhause. Die Rückgabe in Bergisch Gladbach ist noch unkomplizierter als die Abholung. Melanie schaut nach möglichen neuen Schäden, fragt mich, wie es war, wir quatschen und lachen ein bisschen, ich gebe ihr den Schlüssel zurück und fahre nach Hause. „Würde ich sofort wieder machen“, denke ich auf dem Rückweg.
Mein Fazit des Ausflugs: Eine Plattform zum Vermieten von privaten Wohnmobilen und Bullis ist eine super Idee. Wenn man damit leben kann, dass fremde Menschen darin schlafen, ist die Vermietung eine gute Möglichkeit, sich die doch recht teuren Anschaffungen zu refinanzieren. Außerdem stehen die Vans und Mobile nicht so lange herum und werden genutzt. Diejenigen, die gerne im Bulli oder Wohnmobil Urlaub machen möchten, können sich einfach einen Wagen mieten und müssen nicht so viel Geld ausgeben. Ein Bulli auf Zeit ist auch eine gute Möglichkeit, zu testen, ob das Camperleben wirklich etwas für einen ist. Wenn nicht, gibt man ihn einfach nach ein paar Tagen wieder ab. Gewaschen und vollgetankt.