Die Beistandschaft des Kreisjugendamtes unterstützt Alleinerziehende. Doch Stellen sind unbesetzt.
PersonalmangelJugendamt in Rhein-Sieg kann Alleinerziehenden bei Unterhalt nicht helfen
„Das ist nicht witzig“, ärgert sich Petra Meier. „Das“ ist Post aus der Kreisverwaltung an die Lehrerin, die eigentlich anders heißt. Der Inhalt: Es gebe Personalmangel im Jugendamt, und deshalb könnten Beistandschaftsangelegenheiten erst im Herbst wieder bearbeitet werden. „Das geht einfach nicht“, zürnt die Pädagogin. „Das trifft eine vulnerable Gruppe, die sich nicht wehren kann.“
Seit 2012 lebt Petra Meier, wie wir sie hier weiter nennen wollen, vom Vater ihrer Kinder getrennt, 2016 wurde die Ehe geschieden. Für die Söhne hat sie das alleinige Sorgerecht, den Unterhalt musste sie vor Gericht erstreiten. Seither liegt der erwirkte Titel bei der Beistandschaftsstelle des Jugendamts: Die kümmert sich darum, dass der Unterhalt rechtzeitig und regelmäßig auf dem Konto der Berechtigten landet.
Im Januar kam der Unterhalt nicht aufs Konto, erst im März erfuhr die Mutter, dass die Stelle unbesetzt war
„Man macht das, um es seelisch von der Brust zu haben“, beschreibt die Mutter ihre Motivation für diesen Schritt. Und niemand mache eine solche Beistandschaft auf, wenn der Umgang mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin einfach sei. Umso schlimmer treffe es Alleinerziehende, wenn die Hilfestelle nicht besetzt sei.
Dass dem so ist, bemerkte sie zuerst im Januar: Der Unterhalt ging nicht wie erwartet auf ihrem Konto ein, ihre E-Mail an die bisher zuständige Sachbearbeiterin blieb unbeantwortet. Dann wurde sie auf Personalengpässe hingewiesen und erfuhr schließlich bei einem Anruf im März, dass die Stelle nicht mehr besetzt sei.
Mehrere Hundert Euro waren bis dahin nicht überwiesen worden. „Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich nie Existenznöte hatte“, erzählt Meier im Gespräch am Küchentisch. „Verzichten kann ich aber auch nicht“ – und andere Alleinerziehende mit geringem Einkommen könnten das erst recht nicht. Dabei gehe es doch um Eltern, die ihre Kinder gut versorgt wissen wollten.
Mutter kritisiert Missmanagement in der Personalpolitik der Verwaltung des Rhein-Sieg-Kreises
Sie wolle nicht das Jugendamt kritisieren, betont sie. „Die waren immer eine Riesenhilfe.“ Doch sieht sie Missmanagement in der Personalpolitik der Verwaltung. Besonders geärgert habe sie sich über einen Brief aus dem Kreishaus, den Landrat Sebastian Schuster unterschrieben hat und der der Redaktion vorliegt.
Er gehe davon aus, so Schuster, dass zum Sommer neue Fachkräfte für die derzeit unbesetzten Stellen eingestellt werden könnten und diese nach einer Einarbeitungszeit ab Herbst wieder die Beistandschaftsangelegenheiten bearbeiten könnten. Man wisse im Kreishaus, „wie unbefriedigend“ diese Mitteilung sein müsse, bitte aber darum, von Nachfragen vor dem genannten Zeitkorridor abzusehen.
Wie viele Männer und Frauen sitzen „jetzt heulend zu Hause“?
Es gebe die Möglichkeit, sich anwaltlichen Beistand zu suchen, auch ein Antrag auf Unterhaltsvorschuss sei möglich, heißt es weiter in dem Schreiben vom 25. April. Keine Lösung für Petra Meier: Solange der Unterhaltstitel beim Jugendamt liegt, kann der säumige Zahler nicht verklagt werden.
Sie selbst hat inzwischen den ausstehenden Unterhalt fast vollständig überwiesen bekommen, nur ein kleiner Restbetrag steht noch aus. „Die bearbeiten jetzt meine Sache, sind hellhörig geworden“, erzählt sie nach intensivem Schriftverkehr. Aber: Sie frage sich, „wie viele Männer und Frauen jetzt heulend zu Hause sitzen“. Laut Auskunft aus dem Kreishaus werden im Jugendhilfezentrum Neunkirchen 270 Beistandschaften geführt, 200 in Eitorf und 280 in Meckenheim.
Den Personalmangel bestätigte auf Anfrage ein Sprecher der Kreisverwaltung. Insgesamt fünf Stellen gebe es in den drei Jugendhilfezentren Neunkirchen, Meckenheim und Eitorf, außerdem eine Sachgebietsleitung und eine Abteilungsleitung, die aber noch zahlreiche andere Aufgaben erfülle. In der Tat sind, teilte Antonius Nolden von der Kreisverwaltung mit, „seit einigen Monaten drei Stellen unbesetzt“.
Um die Situation zu verbessern, wurde bereits ein Kollege aus dem Ruhestand geholt
Für zwei Stellen habe man inzwischen Fachkräfte gewinnen können, eine trete ihre Stelle im Juni, die andere im Oktober ihren Dienst an. Für die dritte Stelle sei man noch auf der Suche. „Wir müssten die Stellen teilweise mehrfach ausschreiben“, betont Nolden.
Im gesamten Kreisjugendamt sei die Personalsituation „nicht einfach“, eine Verschiebung von Beschäftigten entsprechend schwierig. Es sei „nicht hilfreich, Löcher zu stopfen, indem man andere Löcher aufreißt“ – wo es möglich ist, geschehe das. Da aber die Aufgaben der Beistände umfangreich und komplex seien, könne auch nicht jede Kraft dort eingesetzt werden. Es gehe eben nicht um bloße Buchungsarbeiten.
Um die Situation zu verbessern, sei ein pensionierter Kollege für Beurkundungsaufgaben reaktiviert worden, helfe die Sachgebietsleitung in der Einzelbearbeitung aus und nehme Gerichtstermine wahr. Einzelne Aufgaben seien auf andere Beschäftigte der Jugendhilfezentren verteilt worden, für die Beantwortung von Fragen wurden die Sekretariate eingebunden.