AboAbonnieren

Kaufen statt mietenFür wen lohnt sich die eigene Immobilie?

Lesezeit 2 Minuten

Hohe Mieten und niedrige Zinsen – eigentlich gute Gründe für den Kauf einer Immobilie. Aber Vorsicht: Manchmal ist das Mieten auch günstiger.

Die Zinsen für Immobilienkredite sind seit langem auf einem Rekordtief. Da stellt sich für viele die Frage: Soll ich nicht lieber eine Immobilie kaufen? Wer ermitteln will, ob er sich das leisten kann, sollte sich einen Überblick über seine Finanzen machen. „Sie sollten ein Grundstock an Eigenkapital haben und über ein gesichertes Einkommen verfügen“, rät Jörg Sahr, Experte der Stiftung Warentest. Denn eine 100-Prozent-Finanzierung ist auch in Zeiten niedriger Zinsen riskant. Wichtig zu beachten: Beim Kauf einer Immobilie fallen Nebenkosten an, zum Beispiel für den Notar, einen Makler oder auch Steuern. Diese müssen auf den Kaufpreis aufgeschlagen werden.

Kaufpreis-Miete-Verhältnis ins Visier nehmen

Auch ein Blick auf das Kaufpreis-Miete-Verhältnis kann helfen. Es besagt, wie vielen Jahresnettokaltmieten der Kaufpreis entspricht. Die Nettokaltmiete ist die Miete ohne weitere Betriebskosten. Beträgt der Kaufpreis der Immobilie weniger als das 20-fache der Jahresmiete, ist ein Kauf zu einer mietähnlichen Belastung möglich, hat die Stiftung Warentest ermittelt. Die Voraussetzung: Der Käufer bringt 20 Prozent Eigenkapital mit. Liegt der Wert beim Kaufpreis-Miete-Verhältnis über 25, müssen Käufer über einen längeren Zeitraum mit einer Mehrbelastung rechnen.

Wer über den Erwerb einer Immobilie nachdenkt, sollte auch die Argumente kennen, die gegen das Kaufen und mehr fürs Mieten sprechen:

Hohe Eigenkapitalquote: Wer eine Immobilie kaufen will, muss oft ein Darlehen aufnehmen. Die Banken erwarten in der Regel, dass Kreditnehmer Eigenkapital in Höhe von mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten mitbringen. „Wer dieses Geld nicht hat, sollte die Finger vom Erwerb von Wohneigentum lassen“, rät Silke Gottschalk vom Deutschen Mieterbund Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Es gibt zwar wenige Banken, die einen Immobilienkredit gewähren, wenn der Kunde kein Eigenkapital hat. Oft sind die Zinsen dann aber deutlich höher. So eine Finanzierung ist meist „auf Kante genäht“, sagt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale NRW. Spätestens am Ende einer langjährigen Zinsbindung könne die Finanzierung scheitern, wenn bis dahin das Zinsniveau stark gestiegen sein sollte und man keine Anschlussfinanzierung stemmen kann.

Hohe Kaufnebenkosten: Auch beim Erwerb einer Immobilie fallen Nebenkosten an. Größte Posten: die Grunderwerbssteuer, deren Höhe von Bundesland zu Bundesland variiert, sowie die Notarkosten und die Gebühren für die Grundbucheintragung. Scherfling beziffert die Kaufnebenkosten auf knapp zehn Prozent und rechnet vor: Kostet das Objekt etwa 300.000 Euro, sollte man einen Finanzierungsbedarf von 330.000 Euro kalkulieren. Zusätzlich können Kosten für ein Gutachten anfallen, das klärt, ob das Objekt den Kaufpreis auch wert ist. Die Höhe der Kaufnebenkosten unterschätzen viele beim Träumen von der eigenen Immobilie. Was manche auch vergessen: Oft muss man sich im Alltag finanziell einschränken, um die Kreditkosten abzubezahlen – also etwa weniger Geld fürs Ausgehen oder für Urlaub ausgeben.

Mehr Gründe, die gegen einen Immobilien-Kauf sprechen

Hohe Instandhaltungsrücklage: Mieter zahlen Miete und Nebenkosten. „Eigentümer dürfen an dieser Stelle nicht den Trugschluss ziehen, dass bei ihnen nur Nebenkosten anfallen“, erklärt Scherfling. Denn neben den Kreditkosten, die man abzahlen muss, sollten Käufer auch rechtzeitig Rücklagen bilden, um das Eigentum instandzuhalten oder Schäden zu reparieren. Ein Vorteil für Mieter: Sie müssen sich nicht um die Schäden am Haus kümmern, sondern nur den Vermieter informieren. Sie haben also eine große Sicherheit, dass die Höhe der Kosten für sie insgesamt stabil bleibt, erklärt Prof. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Hoher Abstimmungsbedarf: Wer in einem Haus eine Etagenwohnung kauft, muss sich über Sanierungen und andere gemeinsame Anschaffungen mit vielen Miteigentümern verständigen. Die Abstimmung kann mitunter viel schwieriger sein als mit einem Vermieter, sagt Voigtländer.

Hohes Risiko: Viele wollen eine Immobilie auch als Altersvorsorge kaufen. Sie sollten aber bei der Streuung ihrer Geldanlage darauf achten, nicht zu einseitig zu investieren, empfiehlt Scherfling. Denn wer nur die Immobilie besitzt und sonst kaum Vermögen hat, kommt hoffentlich nie in die Situation, dass er schnell Geld braucht. Sonst droht ein Notverkauf der Immobilie – schlimmstenfalls unter Wert.Auch Jobverlust, Krankheit oder Scheidung können das Aus für die Finanzierung bedeuten. Kann man die Kredit-Raten nicht mehr zahlen, geht die Immobilie in den Besitz der Bank über. Mieter können bei finanziellen Schwierigkeiten auf eine günstigere Bleibe ausweichen.

Hohe Ortsgebundenheit: Wer eine Immobilie kauft, bindet sich meist an einen Ort. „Mieten bedeutet Unabhängigkeit, Mobilität und Abwechslung“, sagt Sun Jensch vom Immobilienverband Deutschland IVD. Gerade jüngere Arbeitnehmer haben heutzutage oft einen befristeten Arbeitsvertrag, ergänzt Mieterbund-Expertin Gottschalk. Sie müssen manchmal nach Ablauf eines Beschäftigungsverhältnisses für den neuen Job in eine andere Region umziehen – gut, wenn sie dann flexibel sind. Das gilt auch, wenn sich das Wohnumfeld mit der Zeit ungünstig verändert – etwa nervende Nachbarn einziehen. Als Mieter kann man dann im Zweifel innerhalb von drei Monaten kündigen und ausziehen, sagt Scherfling. Eigentümer könnten meist nicht so schnell reagieren. (dpa/gs)

Das könnte Sie auch interessieren: