Die Täter nutzen fast nur noch Plastiksprengstoff. Das macht die Explosionen noch gefährlicher.
Schon 48 Taten in NRW dieses JahrWie Banken in Köln sich gegen die Automatensprenger wappnen
Köln bildet den Schlusspunkt – zumindest vorerst. Hier explodierte am frühen Morgen des 13. April ein Geldautomat der Postbank an der Wilhelmstraße in Nippes. Es war die 48. Sprengung eines solchen Automaten in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr, und bisher die letzte im Land. Als sicher gilt aber, dass weitere hinzukommen. Denn die Täter, die zumeist aus den Niederlanden einreisen, sind seit Monaten aktiv wie nie zuvor: 182 Taten registrierte die NRW-Polizei allein im vorigen Jahr, davon vier in Köln – Rekord.
Nicht nur Polizei, Banken und Sparkassen treibt das Thema um. Auch in der Popkultur sind die so genannten „Plofkrakers“ (niederländisch für „Knallknacker“) angekommen. Der niederländische Rapper Djezja kennt einige der häufig marokkanisch-stämmigen Täter. Er sei mit ihnen aufgewachsen, hat er in einer ARD-Doku erzählt. „Ich war selbst auf der Straße unterwegs, habe da mein Geld gemacht. Nur die Musik hat mich gerettet“, sagt Djezja.
Rapper Djezja hat Automatensprengern einen Song gewidmet
In einem Song hat er den „Plofkrakers“ eine Art Denkmal gesetzt. „Deutsche Bundesbank: Boom! Deutsche Postbank: Boom! Deutsche Bank: Boom“, rappt der 29-Jährige zu den Bildern explodierender Geldautomaten. „Utrecht, die Stadt der explosiven Plofkrakers. Über die Grenze, Gas geben und knallen. Vroom, vroom, vroom, Deutschland. Scheiß auf die Polizei.“
Das Landeskriminalamt (LKA) in NRW hat die gefährlichen Angriffe auf die Geldautomaten als strategischen Schwerpunkt festgelegt. Wie durch ein Wunder wurde bislang bei keiner Tat ein Mensch ernsthaft verletzt – und das, obwohl die Täter inzwischen meist hochgefährlichen Plastiksprengstoff verwenden statt wie früher ein Gasgemisch zur Explosion zu bringen. Der Schaden an Gebäuden geht in die Millionen.
Man tausche sich eng mit der Polizei in anderen Bundesländern und in den Niederlanden aus, sagt eine LKA-Sprecherin. Mit immensem Aufwand wurden fast alle 11.000 Geldautomaten in NRW einer Risikoanalyse unterzogen, die Banken erhielten entsprechende Handlungsempfehlungen zum Schutz der Geräte. Was die daraus machen, ist allerdings ihre Sache. „Die Umsetzung liegt im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Banken“, betont die LKA-Sprecherin. Rechtliche Verpflichtungen gibt es nicht – noch nicht.
Doch der Druck aus der Politik auf die Geldinstitute steigt. Nach einem Treffen von Innenministern und Bank-Vertretern zum Thema Automatensprengungen voriges Jahr sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD): „Jetzt ist die Kreditwirtschaft in der Verantwortung, diese Maßnahmen schnell und konsequent umzusetzen.“
Banken in Köln setzen zunehmend Nebelanlagen gegen die Täter ein
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat sieben Banken und Sparkassen gefragt, wie sie ihre Automaten in Köln vor Sprengungen schützen – und verhindern wollen, dass Menschen in Gefahr geraten und Häuser zerstört werden. Geantwortet haben alle, ins Detail gehen mag aber niemand. Man wolle den Tätern keine Insiderinformationen geben, heißt es zur Begründung.
Die Kreissparkasse Köln setzt demnach auf einen Mix aus Maßnahmen. Weil die Gebäudeschäden durch den neuerdings eingesetzten Sprengstoff immer größer würden und die Instandsetzung der Automaten wegen weltweiten Lieferengpässen immer schwieriger und teurer, sei man dabei, die Schutzmaßnahmen nochmals auszuweiten, berichtet ein Sprecher. Als „Ultima Ratio“ erwäge man die Schließung einzelner Filialen. So seien zuletzt zwei Niederlassungen im Rhein-Erft-Kreis nach Sprengangriffen nicht wieder geöffnet worden, da die „akute Gefahr einer Wiederholungstat“ bestehe.
Für die Sparkasse Köln-Bonn sind „immer bessere Sicherheits-, Überwachungs- und Alarmtechnik“ der entscheidende Ansatz, wie ein Sprecher mitteilt. Zudem nehme man besonders gefährdete Geldautomaten außer Betrieb und verlagere sie an besser geeignete Standorte. Voriges Jahr eröffnete die Sparkasse in Porz-Grengel einen ersten Selbstbedienungs-Pavillon als massiven Rundbau aus Stahlbeton. In die Konstruktion seien sowohl Erfahrungen des LKA eingeflossen als auch Anforderungen von Versicherern, berichtet ein Sprecher.
Köln: Viele Bankfilialen schließen Vorräume mit Autoamten nachts ab
Die Deutsche Bank schließt wegen der zunehmenden Gefahr durch Sprengungen seit einiger Zeit bundesweit ihre SB-Zonen in der Nacht, so dass auch die Täter zwischen 22 und 6 Uhr nicht mehr ohne weiteres an die Automaten herankommen.
Von dieser Option macht auch die Postbank bei einigen ihrer Filialen „situationsbezogen“ Gebrauch. Weitere Schutzmaßnahmen seien Videoüberwachung, Vernebelungsanlagen, die den Raum nach einer Explosion sekundenschnell in dichten Nebel hüllen, so dass die Täter nicht mehr an die Geldkassetten gelangen sowie Einfärbe- und Klebeschutz. Das bedeutet, dass das Geld in den Automaten nach der Sprengung automatisch eingefärbt oder verklebt wird, um es unbrauchbar zu machen.
Allerdings, so hat man bei der Volksbank Köln-Bonn beobachtet, seien die Diebe inzwischen in der Lage, verfärbte Geldnoten zu waschen. Daher setzt auch die größte rheinische Volksbank zunehmend auf Nachtschließungen, Vernebelungsanlagen und die Klebstoff-Variante. Letztere ist in den Niederlanden längst Gang und Gäbe. In Deutschland dagegen ist sie noch nicht offiziell vom VDS (Institut für Unternehmenssicherheit) zugelassen.
Auch die Sparda-Bank West setzt nach eigener Auskunft auf „mehrere Sicherheitsmaßnahmen“, die auf Standort und Gefährdung der Automaten angepasst seien.
Die Commerzbank berichtet von ersten Erfolgen im Kampf gegen die Sprenger. Man habe die Sicherheitsvorkehrungen in den Filialen zuletzt erweitert, unter anderem durch Nachtschließungen an besonders gefährdeten Standorten, und stelle fest: „Unsere Abwehrmaßnahmen wirken: Wir verzeichnen deutlich weniger erfolgreiche Sprengungen im Vergleich zu den Vorjahren.“