60 Jahre GloriaLichtspielhaus, Porno-Kino, Schwulen-Treff
Köln – Mit 600 geladenen Gästen feiert das Gloria an der Apostelnstraße am 1. September den 60. Geburtstag. Mit einigen Monaten Verspätung, denn der Eröffnungsfilm flimmerte schon Ende November 1956 über die Leinwand. Doch zum eigentlichen Jahrestag waren die beiden Betreiber Michael Zscharnack und Claudia Wedell arbeitsmäßig ausgelastet und zudem wollten sie noch weiter recherchieren, um Licht in das Dunkel der Anfangsjahrzehnte bringen.
„Zur Geschichte des Hauses hatten wir ein Sammelsurium an Puzzle-Steinen, aber kein fertiges Bild“. Nachdem viele Zeitzeugen, Künstler, Nachbarn, Filmproduzenten und ehemalige Besucher befragt wurden, stellten sie nun eine 44-seitige, reich bebilderte Broschüre vor, die die sechs Jahrzehnte des Glorias beleuchtet.
Deutsche Produktionen und Blockbuster aus Hollywood
Etwa an der Stelle, wo das 1906 erbaute Metropol-Theater stand, in dem zeitweise auch das Millowitsch-Ensemble spielte, wurden die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Häuser Anfang und Mitte der 50er Jahre wiederaufgebaut. Das Gloria mit 600 Polsterplätzen und dem farblich in Schwarz, Gelb und Weiß abgestimmten Zuschauerraum war zu der Zeit eines von 81 Lichtspielhäuser in der Stadt. Neben Filmen aus deutschen Produktionen wurden Blockbuster aus Hollywood gezeigt. Alleine mit dem Kultfilm „Frühstück bei Tiffany“ nimmt man in einer Woche 8606 Mark ein.
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Dem Wandel zum Porno-Kino folgt 1990 die Schließung und die Wiederauferstehung als Party-Hochburg der schwul-lesbische Community. Auch das ist Geschichte. In den vergangen Jahren hat sich das Gloria zu einer der gefragtesten Adressen Clubs in Kölns entwickelt, in dem deutsche und internationale Stars zu Club- und Geheimkonzerten auftreten – von Pink, Coldplay, Oasis und Simply Red bis zu den Toten Hosen.
Hildegard Hoos-Servos
Die beiden ersten Kinofilme, die im Gloria liefen, waren der Heimatfilm „Verlobung am Wolfgangsee“ und Walt Disney’s „Susi und Strolch“, der sechs Wochen am Stück gezeigt wurde. „Ich war als kleines Mädchen bei der Grundsteinlegung dabei und saß als Neunjährige bei diesen beiden Filmen in den Polstersesseln und hab gebannt auf die Leinwand geschaut“, erinnert sich Hildegard Hoos-Servos (69). Schließlich hatte ihr Vater Heinrich Servos das Haus, das sich immer noch im Familienbesitz befindet, nach dem Krieg wieder aufgebaut. „Mein Vater war dann 1956 eigens zu der Kino-betreiber-Firma Krüger nach München gefahren. Da haben sie sich auf den Namen »Gloria« geeinigt.“
Mike Hunter / Claus Michael Sierp
Ende der 60er Jahre schwappte die Sexfilm-Welle auch ins Gloria. Auf Oswald Kolles Aufklärungsfilm „Die Frau, das unbekannte Wesen“ folgten die Schulmädchen-Reporte ehe das Kinoprogramm Mitte der 70er Jahre zunehmend pornografischer wurde. Werbefilmer Claus Michael Sierp besitzt einige Filmtrailer („Der Internats-Report“) aus jener Zeit. „Nach einem Beschluss des Bundestages konnten die zuvor verbotenen Porno-Filme nun gezeigt werden, aber die Kinos durften dafür keinen Eintritt nehmen.“ Also kauften sich die Besucher am Kassenhäuschen Pralinen oder ein Buch und durften dafür Pornos gucken – nonstop von 10 bis 22 Uhr. Eine Vielzahl davon produzierte Mike Hunter, der abwechselnd in Amerika, Frankreich und Köln lebt. „Das waren erotische Spielfilme - mit einer richtigen Story.“
Bernd von Fehrn / Claus Vinçon
Anfang der 90er Jahre übernahmen die Gastronomen Reiner Büchel und Stephan Dick zusätzlich zu ihrer Schwulen-Disco „Lulu“ am Ring das Gloria, rissen die Kinostühle heraus und machten es zum angesagten Veranstaltungsort und Treffpunkt der schwul-lesbische Szene. Neben wilden Schaum-Partys und Schlager-Events hatte Hella von Sinnen mit ihren ersten Solo-Programm „Ich bremse auch für Männer“ Premiere und sechs Wochen lang wurde Ralf Königs Comic „Kondom des Grauens“ als Puppenspiel aufgeführt. Als Regisseur und Sprecher war Claus Vinçon mit dabei, der auch bei der „Rosa Sitzung“ mitmischte – da machte auch Bernd von Fehrn als „Wanda Rumor“ mit – die 1995 startete und fünf Jahre später sogar von Festkomitee und Dreigestirn besucht wurde.
T. Gaebel/C. Wedell/M. Zscharnack
Vor genau 13 Jahren haben die heutigen Betreiber Michael Zscharnack und Claudia Wedell mit ihrem inzwischen 70-köpfigen Team den Club übernommen. „Das war für mich schon immer ein ganz besonderer Ort, an dem es bunter und lockerer zuging als anderswo“, erinnert sich Zscharnack. „Wir sind stolz, ein Teil der Tradition des Hauses zu sein.“ Der anhaltende Erfolg liege vor allem in der Vielfalt des Programms, glaubt Wedell. „Die Künstler kommen gerne her, weil wir uns bemühen, gute Gastgeber zu sein und ihnen eine Art Zuhause bieten.“ Das bestätigt Swing-Sänger Tom Gaebel, seit mehr als zehn Jahren Stammgast. „Das Gloria ist die charmanteste Bühne, die ich kennengelernt habe.“