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„Senftöpfchen“-GründerinAlexandra Kassen war ein Original mit Stil und Spürnase

Lesezeit 3 Minuten

„Senftöpfchen“-Prinzipalin Alexandra Kassen

Köln – Als ihr 20 Jahre älterer Mann Fred Kassen, Mitglied der Nachfolgegruppe der legendären Comedian Harmonists, 1972 plötzlich und unerwartet starb, stand sie vor einer großen Entscheidung: Sollte sie das 1959 in der Pipinstraße eröffnete Senftöpfchen-Theater weiterführen? Sie tat es. Zum Glück – für zahllose Künstler, das Kölner Publikum und für sich selbst.

Immer mit Hut und Handschuh

Ihr Motto in den letzten Lebensjahren: „Hinfallen. Aufstehen. Hütchen richten. Weitergehen!“ Wobei „Et Hötche“ – wie sie sich selbst gerne nannte – zahllose originelle Kopfbedeckungen besitzt, die ihre dünnen Haare kaschieren. Das hat die 1923 in Bayern geborene und in einem bayerischen Internat sozialisierte Senftöpfchen-Prinzipalin von der Pike auf gelernt: eine echte Dame verlässt nie ohne Hut und Handschuhe das Haus.

Alexandra Kassen sei ein „echt kölsches Mädchen mit weiß-blauem Blut – oder die große Wittelsbacherin der Kleinkunst“, betonte Konrad Beikircher bei der feierlichen Verleihung des mit 30.000 Euro dotierten Rheinischen Kulturpreises der Sparkassen-Kulturstiftung 2011 im Historischen Rathaus in Köln.

Alles zum Thema Henriette Reker

Apropos Preise: Besonders stolz war sie auf den 1999 von dem damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog im Berliner Schloss Bellevue verliehenen Verdienstorden 1. Klasse für „ihr Engagement um die Kleinkunst und die Förderung junger Talente“.

Untrügerische Spürnase

Tatsächlich besaß sie eine untrügliche Spürnase für vielversprechenden Nachwuchs. Eine Namensliste derer, denen sie zu einer Karriere auf deutschsprachigen Musentempeln verhalf, würde den Rahmen sprengen. Erwähnt seien hier lediglich „große“ Namen wie Gert Fröbe, Werner Schneyder, der Alexandra Kassen trefflich als „eine unbeschreibliche Mitte zwischen verrücktem Huhn und klar disponierter Geschäftsfrau“ bezeichnete, Dieter Hildebrandt, Wilfried Schmickler und Hanns Dieter Hüsch. Einen echten Coup landete sie 1973 mit dem vierwöchigen Engagement der Fummel- und Flittertruppe „Folies Parisiennes“: ein Erfolg mit Langzeitwirkung.

Nur ein Jahr später, also 1974, stand ein ihr unbekannter Mann vor der Tür und schlug ihr vor, in ihrem Theater eine Talkshow zu etablieren. Sein Name war Alfred Biolek. Der Titel: „Wer kommt, kommt“. Der Rest ist unter dem Namen „Kölner Treff“ (Fernseh-) Geschichte.

Als „ihr Theater“ 2009 seinen 50sten Geburtstag feierte, antwortete sie auf die Frage, was sich seit den Anfängen gravierend geändert habe, dass sich das Angebot an Kleinkünstlern „all over the world“ drastisch erhöht habe. „Früher hatte man in einem Jahr beispielsweise 30 verschiedene Künstler im Haus, heute sind es um die 150, die auftreten“.

Immer prinzipientreu

Kabarettistin Anka Zink lobhudelte einmal, dass die Prinzipalin ein „echter Hardliner“ und sowohl ihren Künstlern als auch ihren Prinzipien treu sei: „»Also ihr werdet doch noch eine zweite Jeans für die Bühne haben«, ließ sie gerne vernehmen, wenn einer schlampig gekleidet auftreten wollte.“

Sie selbst war immer wie aus dem Ei gepellt. Neben ihrer Hüte-Sammlung verfügte sie über „sehr schöne“ und ausgefallene Schuh-Modelle aus der Abteilung „fußgesund und bequem“. Ob diese ihrer Tochter Alexandra Franziska passen, wird sich herausstellen.

Franco Pierri ist weit mehr als der Geschäftsführer und Gastronom des Theaters: Er ist Freund, Gefährte, Krankenpfleger – das pulsierende Herz der Bühne. Als seine Chefin vor 14 Tagen mit einem Schlaganfall in die Uni-Klinik eingeliefert wurde, besuchte er sie täglich um 17 Uhr. Unmutig („Du bist wieder zu spät“) reagierte sie, wenn er sich um wenige Minuten verspätete. Am Sonntagmittag benachrichtigte ihn das Marien-Hospital, wo sie seit Freitag lag, dass es zu Ende gehe. Sie entschlief friedlich und hinterlässt, nicht nur bei ihm, eine Lücke – und große Traurigkeit.

Stimmen zum Tod von Alexandra Kassen

OB Henriette Reker

Konrad Beikircher, Kabarettist