Wie die OB Henriette Reker, Journalist Günter Wallraff und andere Menschen aus Köln auf den Tod von Gerhart Baum reagieren.
„Geht mir sehr nahe“Kölner Stimmen zum Tod von FDP-Politiker Gerhart Baum
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Der Journalist Günter Wallraff zeigte sich bestürzt über den Tod von Gerhart Baum. (Archvibild)
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Angelika Nußberger, Kölner Verfassungsrechtlerin und frühere Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
„Die vor dem Verlust unserer Werte eindringlich warnende Stimme von Gerhart Baum wird uns sehr fehlen. Er war einer der wenigen politischen Intellektuellen unserer Zeit, der noch aus den in der Kindheit in den 30er Jahren und im Krieg gemachten Erfahrungen schöpfen konnte und der deshalb einen sehr klaren Kompass hatte bei allen schweren Entscheidungen, die er in seinem Leben zu treffen hatte. Er war ‚liberal‘ im besten Sinne, nicht naiv gegenüber Gefahren und Bedrohungen, gerade in der Zeit der RAF, und doch dem Schutz der Grund- und Menschenrechte verpflichtet, besonnen nach Auswegen suchend. Rechtsstaatlichkeit war sein Lebenselixier, auch als Anwalt. So brachte er viele der in Berlin getroffenen Entscheidungen zum Polizei-, Sicherheits- und Datenschutzrecht nach Karlsruhe und gewann in allen großen Verfahren, vom Luftsicherheitsgesetz bis zum Großen Lauschangriff.
Er war der Anwalt der Opfer, setzte sich ein für die Rechte der Opfer der Loveparade-Katastrophe, des Ramstein-Unglücks, des Concorde-Absturzes und des Lockerbie-Anschlags. Sein Engagement für einen gerechten Ausgleich mit den Hinterbliebenen der israelischen Geiseln bei den Olympischen Spielen in München 1972 ermöglichte ein gemeinsames Gedenken 50 Jahre nach dem Attentat und verhinderte, dass die deutsch-israelische Freundschaft Schaden nahm.
In Anerkennung seiner herausragenden Verdienste um den freiheitlich-liberalen Rechtsstaat und die universellen Menschen- und Bürgerrechte hat ihm die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln im Jahr 2022 die Ehrendoktorwürde verliehen. “
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Angelika Nußberger war deutsche Richterin am und Vizepräsidentin des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR). (Archivbild)
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Henriette Reker, Kölner Oberbürgermeisterin
„Mit Gerhart Baum geht ein großer Liberaler, ein Anwalt von Freiheit und Menschenwürde, dessen Engagement nicht an Deutschlands oder Europas Grenzen haltmachte. Er war über Jahrzehnte Deutschlands Stimme für die Menschenwürde in der Welt und wurde dafür vielfach geehrt. Die Gerhart und Renate-Baum Stiftung würdigte mit dem von ihr ausgelobten Menschenrechtspreis aber auch das herausragende Engagement Anderer. Gerhart Baum war für viele Menschen ein Seismograph des Rechts und der Ethik, ein Lotse für gesellschaftliche Veränderungen. Er ist Zeit seines Lebens nie den einfachen Weg gegangen, sondern immer für seine Überzeugungen eingetreten.
So setzte er sich als Vorsitzender des Kulturrats NRW während der Corona-Pandemie für eine Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern ein. Wir Kölnerinnen und Kölner sind stolz darauf, dass Gerhart Baum seine politischen Wurzeln im Rat unserer Stadt hatte und Köln 22 Jahre lang im Deutschen Bundestag und als Bundesinnenminister in der Bundesregierung vertreten hat. Im Jahr 2022 hat er sich in das Goldene Buch der Stadt Köln eingetragen, und wir Kölnerinnen und Kölner werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Persönlich verliere ich mit Gerhart Baum einen Vertrauten und Ratgeber, der Austausch mit ihm wird mir sehr fehlen. Meine Gedanken sind bei seiner Familie.“
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Die Kölner OB Henriette Reker legt ein öffentliches Kondolenzbuch für Gerhart Baum im Rathaus aus.
Copyright: Thomas Banneyer
Günter Wallraff, Journalist und Autor
„Als Gerhart Baum Bundesinnenminister wurde, informierte er mich darüber, dass der Verfassungsschutz wegen des absurd konstruierten Vorwands eines vorgeblichen ‚Hochverrats‘ widerrechtlich mein Telefon abgehört hatte. Er setzte sich für die Aufklärung ein. Daraus entstand ein Vertrauensverhältnis und später eine Familienfreundschaft. Sein Tod bestürzt mich und geht mir sehr nahe. Gerhart Baum war ein leidenschaftlicher Demokrat und Menschenrechtler über Landes- und Parteigrenzen hinaus. Er stand bis zuletzt für das sozialliberale Gewissen der FDP und zeigte Lindners ‚mehr Musk oder Milei wagen‘ wiederholt die rote Karte. Gerhart Baum hat an den Freiburger Thesen von 1971 mitgearbeitet, dem damaligen Grundsatzprogramm der FDP, das Klima- und Umweltschutz thematisierte, lange bevor es die Grünen überhaupt gab. Er prägte seine Partei und schonte sie nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass er sie diesmal auch nicht gewählt hätte. Ich stehe politisch wohl eher links von ihm, obwohl das nicht zählt, wenn es um die Verteidigung unserer akut gefährdeten Demokratie und um Menschenrechte geht. Einmal habe ich die FDP aber sogar gewählt – nicht zuletzt wegen der Positionen von Gerhart Baum, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Burkhard Hirsch – und sogar dazu öffentlich aufgerufen. Allerdings: verdammt lang her! “
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Der Journalist und Schriftsteller Günter Wallraff auf der Bühne der Lit Cologne. (Archivbild)
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Jochen Ott, NRW-SPD-Fraktionschef
„Gerhart Baum hat die Idee des Liberalismus in all ihren bejahenden, unterstützenden, toleranten, rechtsstaatlichen und freiheitlich-menschlichen Facetten verkörpert. Es gibt sehr viele Gründe, sich auch heute noch auf ihn zu berufen. Gerade in Zeiten autoritärer Versuchungen und Herausforderungen wird seine Stimme umso mehr fehlen.“
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Jochen Ott ist Fraktionschef der NRW-SPD. (Archivbild)
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