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Reul und Reker äußern UnverständnisChoreografie im Kölner Stadion sorgt für Empörung

Lesezeit 6 Minuten
1. FC Köln vs. Fortuna Düsseldorf, 23. Spieltag, 23.02.2025, 13.30 Uhr, umstrittene Choreo der Ultras auf der Südtribüne (1. FC Köln), Bild: Herbert Bucco

1. FC Köln vs. Fortuna Düsseldorf, 23. Spieltag, 23.02.2025, 13.30 Uhr, umstrittene Choreo der Ultras auf der Südtribüne (1. FC Köln), Bild: Herbert Bucco *** Local Caption *** Ausschließlich redaktionelle Nutzung Editorial use only

Innenminister Reul, OB Reker und Fortuna-Boss Allofs zeigen sich entsetzt. Der DFB-Kontrollausschuss prüft den Vorfall. Der FC reagiert auf die Vorwürfe

Die Choreografie auf der Südtribüne des Rhein-Energie-Stadions zu Beginn des Derbys zwischen dem 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf hat für Empörung gesorgt. Auf einem Transparent, das große Teile des Unterrangs einnahm, war eine Figur aus der Mythologie der Kölner Ultra-Fanszene zu sehen, die einer Comic-haften Darstellung der Glücksgöttin Fortuna ein Messer an den Hals hielt. Der 1. FC Köln hatte die Choreografie genehmigt, die Präsentation über die Stadionlautsprecher musikalisch begleitet und sich damit daran beteiligt.

Landesinnenminister Herbert Reul zeigte sich entsetzt: „Wir bekämpfen jeden Tag Messergewalt auf der Straße, und im Stadion wird mit einem solchen Bild provoziert. Ich erwarte da von den Verantwortlichen des Vereins, dass sie auch einschreiten. Stattdessen wird die Sache auch noch heruntergespielt. Das ist der nächste Skandal. Man darf sich von den Ultras nicht ständig auf der Nase herumtanzen lassen“, teilte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.

Auch Henriette Reker ließ ihr Befremden ausrichten. Die Kölner Oberbürgermeisterin war selbst im Jahr 2015 Opfer eines Messer-Attentats geworden. Qua Amt hat Reker einen Platz im Beirat des 1. FC Köln, einem Gremium „aus Persönlichkeiten der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, die dem Verein eng verbunden sind“. Schon im vergangenen Mai hatten Fans auf der Südtribüne ein beleidigendes Banner gezeigt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Urheber dauert noch an.

Allerdings ging Reker am Montag nicht auf ihre persönliche Betroffenheit ein, sondern beließ es bei der Kritik am aktuellen Vorgang: „Die Oberbürgermeisterin und die Stadt Köln haben das Banner-Motiv und die Äußerungen der Geschäftsführung des 1. FC Köln mit gewissem Befremden zur Kenntnis genommen“, hieß es in einer Mitteilung an diese Zeitung: „Wer ein solches Motiv billigt, zeigt seine Ignoranz gegenüber unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation. Wir erleben derzeit eine ganze Reihe an Angriffen, auch von Messerattacken, und viele Menschen in unserem Land haben Angst. Da wäre es angebracht und notwendig, solche Motive zu unterbinden und nicht auch noch zu fördern.“

NRW-Innenminister Herbert Reul

NRW-Innenminister Herbert Reul

Choreografien haben eine lange Geschichte beim 1. FC Köln. Im März 2020 hatten Vorstand und Geschäftsführung des FC entschieden, die so genannte Choreoklausel abzuschaffen, wonach der Anmelder, eine Einzelperson, rechtlich haften musste, sollte eine Choreografie eine Verbandsstrafe nach sich ziehen.

Grundlage der Entscheidung war „ein externes Rechtsgutachten, nach dem die bisherige Klausel nicht erforderlich ist“, teilte FC-Vizepräsident Carsten Wettich damals mit. Es blieb allerdings dabei, dass jedes Motiv angemeldet und genehmigt werden muss. „Eine Choreografie muss sich im Rahmen der Stadionordnung, der Gesetze und behördlichen Vorgaben sowie der Werte des 1. FC Köln bewegen“, sagte Wettich. Gerade hinsichtlich der im FC-Kosmos so regelmäßig zitierten Werte blieb die Darstellung der Fortuna mit dem Messer am Hals hinter den Erwartungen zurück, die man an den 140.000 Mitglieder starken Verein haben darf.

Ich erwarte da von den Verantwortlichen des Vereins, dass sie auch einschreiten. Stattdessen wird die Sache auch noch heruntergespielt. Das ist der nächste Skandal
NRW-Innenminister Herbert Reul

Die Klausel war einer der großen Zankäpfel zwischen der Aktiven Fanszene und dem FC. Seit 2016 hatten Choreografien in Köln angemeldet werden müssen. Auslöser war eine Aktion der Ultra-Fangruppe „Wilde Horde“ im Dezember 2016, die als Wendepunkt im Verhältnis zwischen dem FC und der aktiven Fanszene galt. Mit einem gewaltigen Banner auf der Südtribüne hatte die „Horde“ ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert und prägende Momente ihrer Historie gezeigt. Darunter den Angriff auf einen Bus mit Mönchengladbacher Fans oder Szenen, die das angespannte Verhältnis zur Kölner Polizei illustrierten. Teile der Choreografie seien nicht vorgelegt worden, hieß es damals seitens der Kölner Klubführung. Man fühlte sich von der eigenen Szene verladen, es kam zum Bruch. Der Vorstand um Präsident Werner Wolf hatte es sich anschließend zum Ziel gesetzt, das Verhältnis zu den Fans zu verbessern, in den Dialog zu kommen – und Choreografien im Stadion wieder zu ermöglichen.

Auch bei Fortuna Düsseldorf sorgte die Choreo für Empörung. „Rivalität kann gerne mit einem gewissen Augenzwinkern ausgetragen werden. Aber diese Choreografie – das Messer an der Kehle – war auch im Kontext der jüngsten Ereignisse in unserem Land nicht nur geschmacklos. Sondern auch völlig unangebracht“, teilte Fortunas Sportvorstand und Ex-FC-Profi Klaus Allofs am Montag auf Anfrage dieser Zeitung mit. Auch eine Reaktion des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) dürfte folgen. „Der DFB-Kontrollausschuss hat Kenntnis von dem Vorfall und prüft diesen momentan“, teilte der Verband auf Anfrage mit.

FC-Geschäftsführer Christian Keller hatte am Sonntagnachmittag betont, dass seine höchste Priorität auf der Sicherheit der Veranstaltung gelegen habe. „Das Wichtigste ist, dass so ein Derby friedlich verläuft, und das ist es. Wenn die Rivalität sich nur auf dem Platz abspielen soll, muss man an einer anderen Stelle Zugeständnisse machen. Unabhängig davon, ob es einem gefällt oder nicht“, erklärte er. Über das Motiv kann man trefflich streiten“, räumte der 46-Jährige ein, in dessen Geschäftsbereich auch das Ressort Fußball- und Fankultur fällt: „Wenn ich mir ein Motiv wünschen würde, wäre ein anderes drauf. Wenn aber das die einzige kritische Beanstandung nach so einem Derby ist, kann ich damit leben.“

Offenbar hatten die Ultras ihre Choreografie samt Messer-Darstellung zwar angemeldet, allerdings erst, als die Produktion bereits weit fortgeschritten war. Eine Präsentation wie die am Derbysonntag kostet einen fünfstelligen Betrag sowie unzählige Stunden Arbeit. Offenbar war man beim Verein zwar nicht glücklich darüber, erst so spät um Erlaubnis gefragt zu werden. Allerdings entschieden sich die Verantwortlichen dennoch für eine Genehmigung, da sie davon ausgehen mussten, dass die Fans sonst versucht hätten, ihr Material auf anderen, womöglich mit Gewalt verbundenen Wegen ins Stadion zu bringen.

Auch FC-Finanzgeschäftsführer Philipp Türoff betonte den sicheren Ablauf des Derbys. „Das Bild der Choreo wird, für mich nachvollziehbar, kritisch gesehen. Ich hätte mir ein anderes Motiv gewünscht, in der betreffenden Fan-Szene wird aber nicht nach meinem Geschmack kommuniziert. Im aktuellen Umfeld ist es eine sehr herausfordernde Aufgabe, ein solches Derby sicher zu veranstalten. Da ist ein Choreo-Motiv nur eines von sehr vielen sicherheitsrelevanten Elementen, das wir in diesem Fall nicht verhindert haben“, sagte Türoff dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

FC-Geschäftsführer Philipp Türoff

FC-Geschäftsführer Philipp Türoff

Konkrete Verhandlungsmasse gab es nicht, allerdings rang man der Szene offenbar das Versprechen ab, die Choreografie nicht zusätzlich mit dem Abbrennen von Feuerwerk zu erweitern, weil es Sorgen wegen des Brandschutzes gab. Einen „Deal“ habe es in dem Sinne nicht gegeben, „so funktionieren Fanszenen nicht“, sagte Keller am Sonntag. Allerdings habe man auf die Fanszene eingewirkt und sichergestellt, dass kein Feuerwerk abgebrannt wird. Insgesamt war der Verlauf des Derbys zwar nicht friedlich, auf der Nordtribüne hatte es Schlägereien gegeben, zudem hatte die Polizei Hunderte gewaltbereite Fans aus Düsseldorf an der Anreise gehindert. Doch die Kölner Ultras hatten mit diesen Vorkommnissen nichts zu tun gehabt.

Die Geschäftsführung wies am Montag darauf hin, dass es sich bei der Durchführung des Spieltags um ein operatives Thema der Profi-Abteilung handele, daher sei der Vereinsvorstand nicht in die Entscheidung über die Choreografie eingebunden gewesen. Das Motiv sei Präsident Werner Wolf und seinen Stellvertretern nicht bekannt gewesen. Daher wollte sich das Präsidium am Montag auch nicht auf eine Anfrage dieser Zeitung äußern.

Für Keller war entscheidend, dass nichts weiter passiert war. „Es war eine Comic-hafte Darstellung von zwei Fantasiefiguren. Wir haben nichts Diskriminierendes gesehen und auch keinen Aufruf zur Gewalt. Wenn das Motiv den einen oder anderen bestürzt, kann ich das nachvollziehen. Für uns war die Sicherheit relevanter.“