Paula Hilsemer ist sehr erleichtert, nach 70 Jahren in ihrer Wohnung nicht ausziehen zu müssen. An Heiligabend war ihr wegen Eigenbedarfs gekündigt worden.
Klage zurückgezogen94-jährige Kölnerin darf nun doch in ihrer Wohnung bleiben

Paula Hilsemer (94) sollte ihre Wohnung nach 70 Jahren wegen Eigenbedarfs verlassen. Jetzt hat die Vermieterin die Klage zurückgenommen.
Copyright: Arton Krasniqi
Anders als an Heiligabend, als Paula Hilsemer nach 70 Jahren in ihrer Mülheimer Wohnung die Kündigung wegen Eigenbedarfs bekam, hatte sie den Brief ihrer Vermieterin vergangene Woche nicht sofort geöffnet. Sie habe „keine Lust auf schlechte Nachrichten gehabt“, sagt sie am Telefon – und lacht. Denn es waren gar keine schlechten Nachrichten: Als ihr Unterstützer, der in Köln als Mieter-Aktivist bekannte Kalle Gerigk, den Brief vor einigen Tagen öffnete und ihr vorlas, traute sie zunächst ihren Ohren nicht: Da äußerte sich die Vermieterin zwar empört darüber, dass Hilsemer die Öffentlichkeit eingeschaltet habe, aber auch, dass sie auf die Räumungsklage, um den Eigenbedarf durchzusetzen, verzichte.
„Das hat mich sehr überrascht. Damit hätte ich so gar nicht mehr gerechnet“, sagt Hilsemer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Telefon. „Ich bin sehr, sehr erleichtert. Endlich kann ich wieder in Ruhe schlafen und brauche mir keine Sorgen mehr zu machen, aus der Wohnung zu müssen.“ Sie danke ihrem Unterstützer, aber auch der Öffentlichkeit „und allen, die mit mir gefühlt haben, ganz herzlich“.
Wohnungsmiete betrug vor 70 Jahren 60 Mark
Vor 70 Jahren war Hilsemer mit ihrem Mann Peter und Töchterchen Helga in die 52-Quadratmeter große Wohnung eingezogen. Die Miete kostete seinerzeit 60 Mark. Fast alle Nachbarn von früher sind weggezogen oder tot, auch ihr Mann und ihre Tochter leben nicht mehr.
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An Heiligabend 2024 erhielt die 94-Jährige per Expressbrief die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Sie rief Kalle Gerigk an, der ihr zuvor schon einmal geholfen hatte, und erzählte ihre Geschichte einigen Medien. Der Kölner Mieterverein hielt es für wahrscheinlich, dass die Kündigung der 94-Jährigen einen „unzumutbaren Härtefall“ bedeute. Einer Gerichtsentscheidung ist die Vermieterin nun zuvorgekommen – wenn auch offenbar zähneknirschend.
Hilsemer würde gern 100. Geburtstag in der Wohnung feiern
Anstoßen werde sie wegen der guten Nachricht nicht, sagt Paula Hilsemer. „Ich trinke ja keinen Alkohol, nie.“ Aber sie freue sich, „dass ich wieder unbeschwert lächeln kann. Also stoße ich mit einem Lächeln an!“ Viele Nachbarn hätten sie schon beglückwünscht und umarmt. „Ich hoffe jetzt sehr, dass ich noch meinen 100. Geburtstag in der Wohnung feiern kann.“
„Paula hat mit ihrem Mut ein starkes Zeichen gesetzt. Ihr Fall zeigt, wie ältere Menschen durch Eigenbedarfskündigungen in Not geraten können“, sagt Kalle Gerigk. Es sei „höchste Zeit, den rechtlichen Schutz dieser Personengruppe massiv zu verbessern“.
Gerigk hatte infolge von Hilsemers Eigenbedarfskündigung eine an Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und das Bundesjustizministerium gerichtete Petition gestartet: Demnach sollten Menschen ab 65 nicht mehr wegen Eigenbedarfs gekündigt werden dürfen. Bis Dienstag, 18. Februar, hatten knapp 50.000 Menschen den Antrag unterschrieben.
Nicht nur in Köln melden immer mehr Eigentümer Eigenbedarf an. Ein Grund sind in vielen Städten Wohnungsnot und hohe Mieten.