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Abiturient des JahresSaeid kam als Flüchtling nach Köln und schaffte das Unmögliche

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Saeid

Saeid Sadeghpour bestand sein Abi mit Bravour.

Köln – Alle 3800 Kölner Abiturienten haben in der Pandemie ein eindrucksvolles Reifezeugnis abgelegt: Mit Lernen auf Distanz, Wechselunterricht, ohne Partys und manchmal ziemlich einsam. Trotzdem sticht in diesem Jahr ein Schüler heraus: „Was Saeid erreicht hat, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Seine Geschichte muss einfach erzählt werden“, sagt seine Lehrerin Catja Hagedorn. Wenn der junge Mann bei der Abiturfeier des Köln-Kollegs am Mittwoch auf der Bühne sein Zeugnis abholt, wird sich die Schulgemeinde symbolisch verneigen vor ihrem Mitschüler, dem der inoffizielle Titel „Kölner Abiturient des Jahres“ gebührt.

1,7 wird als Abinote auf seinem Zeugnis stehen. Aber die bloße Ziffer verbirgt das Außerordentliche: Vor vier Jahren konnte Saeid Sadeghpour noch kein Wort Deutsch. Der damals 17-Jährige kam als unbegleiteter Flüchtlingsjunge ohne seine Eltern aus dem Iran nach Deutschland. Mit nichts in der Hand außer einem festen Ziel im Kopf, das bis heute gilt: „Ich will Arzt werden. Außerdem will ich, dass meine Eltern in der Heimat stolz auf mich sein können.“

Leben in Turnhallen

Hinter ihm liegt eine Odyssee: Über Österreich, Passau und Dortmund landet er in einer Notunterkunft in Castrop-Rauxel. Sieben Monate lebt er mit Hunderten anderen in einer Turnhalle. Ohne jede Privatsphäre. „Ich war ein traumatisiert, habe die ersten drei Monate einfach vor mich hin gestarrt, bis mir klar wurde, dass nur der Sport mich retten kann.“ Er ging in Castrop-Rauxel zum Schwimmverein und fragte mit Händen und Füßen, ob er nicht mitschwimmen dürfe. Die wunderten sich, was für einen Coup sie gelandet hatten: Im Iran war Saeid nämlich Mitglied in der Nationalmannschaft der Schwimmer.

Der Sport half ihm raus aus der Lethargie und weckte seinen Kampfgeist wieder. Er fing an, die Sprache zu büffeln, Tag und Nacht. Auch als er aus Dortmund in eine Turnhalle nach Köln-Niehl verteilt wurde. Als er endlich die Bescheinigung vom Sozialamt in der Hand hielt, suchte er sich Sprachkurse. Und wenn ihm die qualitativ zu lasch waren, dann ging er auf die Suche nach etwas sportlicheren Formaten.

Drang zu verstehen

Dass Saeid dann auf dem Köln-Kolleg in Deutz landete, wo über 18-Jährige auf dem zweiten Bildungsweg in drei Jahren ihr Abitur nachmachen können, sei für ihn ein Glücksfall gewesen. „Hier hat man mich von Anfang an unterstützt.“ „Saeid hat einen unheimlichen Drang zu verstehen“, sagt seine Philosophie-Lehrerin Maike Hensen und gibt das Kompliment zurück. Alle Lehrkräfte hätten das sofort erkannt. Auf Deutsch über ethischen Relativismus und Universalismus zu diskutieren und auch noch zu schreiben, das sei selbst für muttersprachliche Schüler eine Herausforderung. Aber er habe sich da richtig reingefressen. Bei ihm sei noch die sprachliche Leistung hinzugekommen, gerade weil seine Muttersprache Persisch nicht nur ein anderes Sprachsystem, sondern auch eine eigene Schrift habe.

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„Die Lehrer haben in allen Fächern immer wieder meine Texte korrigiert, so dass ich mich verbessern konnte“, erzählt der junge Mann, der das ganze Interview in absolut perfektem Deutsch absolviert. Corona habe ihm nicht sonderlich viel ausgemacht. „Das sich alleine motivieren zu müssen, das kannte ich ja schon.“

Seine Eltern und seine Schwester hat Saeid seit vier Jahren nicht mehr gesehen und vermisst sie sehr. Er sei nicht immer gleich stark, kenne auch Momente tiefer Traurigkeit, gibt der junge Mann, der so gut gelaunt und selbstbewusst wirkt, unumwunden zu. Aber er habe hier viele Freunde gefunden und auch seine Freundin. Das helfe in solchen Momenten.

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Sich nach dem großen Erfolg mal einen Moment auszuruhen oder gar so etwas wie Urlaub zu planen, komme nicht in Frage. „Wenn es nach mir ginge, könnte es gleich mit dem Studium weitergehen, weil ich keine Zeit verlieren will.“ Als nächstes lernt er für den Medizinertest, um über diesen Weg einen Studienplatz zu ergattern, da die Abiturnote 1,7 nicht reicht. Auch mit direkten Bewerbungen bei den Universitäten will er es versuchen. Dort zählt neben der Note auch ehrenamtliches Engagement. Saeid gibt Schwimmkurse in der DLRG, bringt Geflüchteten das Schwimmen bei und engagiert sich bei den Maltesern beim „Wohlfühlmorgen“, einem Frühstücksbuffet für Wohnungslose und Bedürftige. Der Gesellschaft etwas zurückzugeben, das ist ihm wichtig. Im Moment ehrenamtlich und dann irgendwann als Arzt. Saeid selbst ist dankbar, dass er inzwischen in einer kleinen Wohnung in Vogelsang wohnt.

Neben dem Bafög finanziert er sich seinen Lebensunterhalt über seinen Job als Bademeister im Ossendorfbad. Für viele andere an der Schule sei Saeid in diesen Jahren ein wichtiges Vorbild an Mut und Durchhaltevermögen geworden, sagt Catja Hagedorn. „Er hat auch den anderen gezeigt, dass man auch Unmögliches schaffen kann.“