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Kölner ADAC-Experte„Jeder dritte Tacho ist manipuliert“

Lesezeit 4 Minuten
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ADAC-Experte Heinz-Gerd Lehmann begutachtet mit Argusaugen ein Auto.

Köln – Gebrauchtwagenkauf ist Vertrauenssache, heißt es. Denn ein Automobil ist derart komplex, dass ein Laie kaum überblicken kann, ob ein angebotener Wagen sein Geld wert ist – oder einfach Schrott. In letzterem Fall hat ein unbedarfter Käufer viel Ärger am Hals und oft einen Haufen Geld in den Sand gesetzt. Schwarze Schafe unter Gebrauchtwagenhändlern, aber auch private Verkäufer haben erstaunliche Wege der Verschleierung von Mängeln gefunden. Der Kölner ADAC-Experte Heinz-Gerd Lehmann kennt alle diese Tricks. Und weiß, worauf man beim Gebrauchtwagenkauf achten muss.

Wenn es um Kraftfahrzeugtechnik geht, führt im ADAC-Prüfzentrum an der Luxemburger Straße seit vielen Jahren kein Weg an Lehmann. Auf den Hebebühnen standen schon einige Autos mit fragwürdigem Hintergrund. Einmal kamen dort gleich drei Mercedes-Modelle aus den USA an – vorgeblich unfallfrei. Lehmann und seine Leute fanden mit detektivischer Arbeit heraus, dass die noblen Karossen einen Umweg über Litauen nahmen, bevor sie in Köln landeten. „In Litauen wurden sie repariert. Alle drei hatten in den USA einen Totalschaden“, erinnert sich Lehmann.

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Der Motor sollte trocken sein und kein Öl verlieren.

Unterschied zwischen Unfall und „Unfallfahrzeug“

Also von wegen unfallfrei. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Wagen einen Unfall hatte oder ein „Unfallfahrzeug“ ist. „Ein Unfall ist zum Beispiel eine Delle, wenn ein Einkaufswagen gegen die Tür knallt. Bei einem Unfallfahrzeug wurde ins Gefüge des Fahrzeugs eingegriffen“, also nach einem Crash etwa die ganze Front ausgetauscht, erklärt Lehmann.

Immer wieder stößt der Experte auf Tricksereien beim Kilometerstand. „Man sagt, jeder dritte Tachometer ist manipuliert“, weiß Lehmann. Das ist eine Menge Manipulation, angesichts derzeit mehr als 20.000 zum Verkauf stehenden Gebrauchten in Köln. Früher setzten Verkäufer eine Bohrmaschine an der Tachowelle an, und drehten den Kilometerstand zurück. Heute verschaffen sich die Täter Zugang zur Bordelektronik. „Ein Profi-Fälscher kommt in alle Ebenen rein“, sagt Lehmann. Wenn ein Auto 100.000 Kilometer weniger auf dem Tacho habe, steige der Verkaufswert um bis zu 30 Prozent. Lehmann rät, die Kilometerstände in Wartungsheften und Reparaturrechnungen abzugleichen – ein Ölwechsel bei 180.000 Kilometer ist bei eine Tachostand von, sagen wir, 100.000 Kilometer nun mal nicht möglich. Wer es ganz genau wissen möchte, kann in einer Werkstatt oder beim ADAC den Fehlerspeicher, sozusagen das elektronische Langzeitgedächtnis eines Autos, auslesen lassen.

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Die Spaltmaße - Lücken zwischen Karosserieteilen - müssen möglichst parallel verlaufen.

Hinweise an den Schrauben der Kotflügel finden

Es lohnt auch ein Blick auf die Schrauben der Kotflügel. Karosserien werden in den Werken erst zusammen gesetzt und dann lackiert – inklusive der Schrauben. Wenn an den Schrauben der Kotflügel Lack fehlt, ist das Blech womöglich schon einmal abgenommen worden – ein Hinweis auf einen behobenen Schaden. Wenn Dellen mit Spachtelmasse aufgefüllt wurden, kann man das mit einem Magneten herausfinden, der nur am Blech haftet. Auch sollte die Fahrgestellnummer im Auto mit der im Fahrzeugschein abgeglichen werden. „Es gab schon Fälle, da wurde nur ein ähnlich aussehendes Auto gezeigt“, berichtet Lehmann.

Der Motor darf kein Öl verlieren, die Bremsscheiben müssen noch intakt sein, tragende Metallteile dürfen nicht durchgerostet sein. Die Spaltmaße – also die Lücken etwa zwischen Tür und Kotflügel – müssen parallel verlaufen. Sind sie an einer Stelle breiter oder schmaler als an der anderen, könnte das auf einen Mangel hindeuten. Und dann ist da noch die „Nasenprobe“, sagt Lehmann. Wer einen Gebrauchtwagen inspiziert, sollte aufmerksam in Innen- und Kofferraum schnüffelt und auch mal die Teppiche hochheben. „Wen es muffig riecht, dringt Feuchtigkeit ein. Das ist ganz schlecht“, weiß Lehmann. Es gibt noch vieles zu beachten, etwa bei der Probefahrt. Automobilclubs bieten mitunter Workshops an, in denen sie Gebrauchtwagenkäufern Tipps geben.

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Experte Heinz-Gerd Lehmann rät, auch den Unterboden von Gebrauchtwagen zu inspiziere.

Auch beim Gespräch mit dem Verkäufer gibt es einiges zu beachten. Wenn ein Händler etwa auf eine Kaufentscheidung drängt, ständig auf den Interessenten einredet oder Fragen nach Problemen mit Floskeln („Das ist bei diesen Modellen immer so.“) beantwortet, sei Vorsicht geboten, sagt Lehmann. Und wer einen Gebrauchtwagen-Check, wie sie der ADAC oder andere Werkstätten für meist unter 100 Euro anbieten, ablehne, „der hat auf jeden Fall etwas zu verbergen.“

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„Die Marktlage ist derzeit sehr angespannt“, hat Lehmann beobachtet. Die Nachfrage ist höher als das Angebot, weil die Menschen ihre Autos länger fahren. Das treibt die Preise in die Höhe. „Besonders jungen Gebrauchte bis drei Jahre sind knapp.“ Auch Lehmann fährt sein Auto weiter, einen dunkelgrünen BMW Z3 Coupé, Baujahr 1999. 2001 hatte er ihn von einem privaten Verkäufer erworben. „Der hat schon Liebhaberwert“, lächelt Lehmann. Den gebe er nicht her.