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„Amazon lässt grüßen“Kölner Traditions-Buchladen muss schließen

Lesezeit 4 Minuten
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28 Jahre betrieb Stephani Hürten die Buchhandlung Lesezeichen an der Berliner Straße im Zentrum Dünnwalds. 

  1. Stephani Hürten hat in den vergangenen 28 Jahren beobachtet, wie ein Einzelhandelsgeschäft nach dem anderen in Köln-Dünnwald schloss und sich die Geschäftsstruktur des Stadtteils grundlegend veränderte.
  2. Nun muss sie auch ihre eigene Buchhandlung schließen. Auf der Berliner Straße in Dünnwald war sie jahrelang eine Institution.
  3. Inhaberin Hürten weiß wo das Problem liegt: „Die Mehrzahl der Menschen ist bequem geworden und bestellt Bücher, wie vieles andere, nur noch im Internet.“

Köln-Dünnwald – „Die Umsätze sind seit Jahren stetig zurückgegangen, Amazon lässt grüßen“, sagt Stephani Hürten, Buchhändlerin aus Dünnwald. Dieser nüchterne Satz erklärt, warum sie ihren Buchladen Lesezeichen an der Berliner Straße nach 28 Jahren zum Ende des Monats schließt. Seit Ende des vergangenen Jahres werden bereits keine Bücher mehr bestellt, für die letzten Wochen wird nurmehr der Bestand an vorhandenen Büchern aus den Regalen verkauft.

Dieser Schritt ist der Bücher liebenden Geschäftsfrau, die mit ihrer Familie im benachbarten Höhenhaus wohnt, nicht leicht gefallen. Denn es heißt nicht nur, dass sie sich eine andere Arbeit suchen muss. Es heißt auch, dass Dünnwald einen wichtigen Ort der Kommunikation verliert.

Kulturvermittlerin in Köln

Schließlich war Stephani Hürten in ihrem Laden nicht nur Buchverkäuferin, sondern Kulturvermittlerin in unterschiedlichsten Bereichen. „Das eine waren die Menschen, die über Bücher beraten werden wollten. Gleich, ob sie ein Buch als Geschenk oder für eine bestimmte persönliche Lebenslage suchten“, erklärt Hürten. „Das waren oft schöne, interessante Begegnungen. Bei der Suche nach dem geeigneten Buch kommt man leicht über Persönliches ins Gespräch.“

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Dann gab es zum Beispiel Menschen, die mit selbstgeschriebenen Texten im Laden auftauchten. „Sie wollten wissen, was ich davon halte, und ob ich ihnen vielleicht bei der Veröffentlichung helfen könne“, sagt Hürten.

Da sie zuvor mehrere Jahre bei einem Verlag gearbeitet hatte, konnte sie tatsächlich oft wertvolle Tipps geben. Erst vor einigen Monaten tauchte eine 17-jährige Schülerin im Laden auf und erzählte, dass sie gerade ihren ersten Kriminalroman geschrieben habe. „Den haben wir dann im Book-on-demand-drucken lassen und auch verkauft“, sagt Hürten.

Konzerte und Lesungen

Eine weitere Form der Kulturvermittlung waren von Beginn an die Veranstaltungen, die in der Buchhandlung stattfanden. Das waren zunächst kleine Kunstausstellungen und Lesungen.

Als zehn Jahre nach der Ladeneröffnung dann die Schneiderei nebenan geschlossen wurde und Stephani Hürten diese Räume zur Erweiterung ihrer Geschäftsfläche anmietete, wurden durch die verdoppelte Raumgröße auch größere Veranstaltungen möglich. Dazu gehörten Musikkonzerte ebenso wie Kabarett und Weinproben.

Dünnwalder Musiknacht

Besonders gern erinnert sie sich auch an die rund zehn Auftritte der Dünnwalder Kabarettgruppe Dünnpfiff, die ihre wechselnden Programme in dem bis auf den letzten Zentimeter gefüllten Buchladen präsentierten. Eine Auftrittsmöglichkeit für die Dünnwalder Kulturschaffenden zu bieten, lag Stephani Hürten stets besonders am Herzen. Daher organisierte sie auch zusammen mit Freunden und ihrem Ehemann Robert Hürten, einem Sänger, Gitarristen und Liedermacher, die Dünnwalder Musiknacht.

Für dieses Kulturereignis der besonderen Art, das an einem Abend mehr als 20 verschiedene Konzerte an ebenso vielen Orten im Stadtteil bietet, konnte sie denn auch zahlreiche andere Dünnwalder Geschäftsleute gewinnen. Der erwartete Nebeneffekt, dass deswegen vielleicht ein paar Kunden mehr in die Buchhandlung kommen würden, blieb allerdings aus. „Die Mehrzahl der Menschen ist bequem geworden und bestellt Bücher, wie vieles andere, nur noch im Internet“, sagt Stephani Hürten ein wenig resigniert.

Sterbende Infrastruktur

Bevor sie nun selbst jetzt die Segel streicht, hat sie bereits beobachtet, wie in den vergangenen 28 Jahren ein Einzelhandelsgeschäft nach dem anderen in Dünnwald schloss und sich die Geschäftsstruktur des Stadtteils grundlegend veränderte. „Als ich vor 28 Jahren anfing, gab es auf der Hauptstraße noch einen intakten Einzelhandel, der alles anbot. Es gab das Haushaltswarengeschäft, den Metzger, mehrere Bäckereien, die Schneiderei, Modeläden, das Fahrradgeschäft, mehrere Gaststätten. Das alles ist verschwunden“, bilanziert sie.

Hürten

Stephani Hürten sieht den Trend zur Online-Bestellung kritisch. 

Es macht sie traurig, dass durch technische und ökonomische Entwicklungen vertraute kulturelle und soziale Institutionen verschwunden sind. „Das einfach mit notwendigem Wandel und gesellschaftlicher Erneuerung zu beschreiben, wäre zu einfach“, sagt Stephani Hürten. „Die Menschen müssen sich bewusst werden, was ihr eigenes Verhalten bei der Entwicklung der Gesellschaft bedeutet“, sagt Stephani Hürten. „Wie kann man solche Orte wie eine Buchhandlung erhalten? Das geht nur, indem man als Kunde daran teilnimmt und sie unterstützt.“

Verlust spüren Menschen erst später

Die Veranstaltungen der Dünnwalder Musiknacht wollen sie, ihr Mann und ihre Freunde selbstverständlich weiter organisieren. Ohne die Buchhandlung Lesezeichen als zentralem Ort der Koordination wird das selbstverständlich schwieriger.

Es besteht kein Zweifel, dass der Verlust den meisten Menschen erst bewusst wird, wenn die Buchhandlung tatsächlich aus dem Straßenbild verschwunden ist. Das gilt auch und ganz besonders für das Mädchen, das an vielen Tagen nach der Schule erst einmal in den Buchladen kommt, sich in die Ecke setzt und ein wenig in einem Buch liest, bevor es dann zum Essen nach Hause geht.

Buchhandlung Lesezeichen, geöffnet Mo, Di, Do, Fr von 9.30 bis 13 Uhr und 15-18.30 Uhr, Mi, Sa von 9.30 bis 13 Uhr, noch bis zum 31. Januar