Antiquitätenhändler in KölnWie „Bares für Rares“ in der Realität funktioniert
Köln – Die ZDF-Show „Bares für Rares“, in der alles vom Trödel bis zum echten Schatz verkauft wird, ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Doch wie schaut es tatsächlich in der Antiquitäten-Szene aus? Wie laufen die Geschäfte? Wir stellen fünf Kölner Händler mit ganz verschiedenen Fachgebieten vor. Und einer der TV-Händler ist auch dabei.
Jan Cizek und das Industriedesign
Sein Lieblingsstück ist derzeit eine „Kaiser-Idell“-Lampe mit zwei Leuchten – drehbar für einen Doppelschreibtisch, Kostenpunkt 2200 Euro. „Das ist ein Bauhaus-Klassiker, absolut zeitlos“, sagt Jan Cizek, der seit 2017 zum Händler-Team der ZDF-Erfolgsshow „Bares für Rares“ gehört. So mancher Zuschauer glaubt vielleicht nicht, dass die Händler tatsächlich auch im wahren Leben verkaufen – doch das tut Cizek: Seit 2013 mitten in der Stadt in seinem „Loft 43“ in der Marzellenstraße.
Hier gibt es Möbel, Objekte und Industriedesign aus der Zeit von 1920 bis 1980. Angefangen hat die Begeisterung des gelernten Kochs für alte Schätze mit Arztschränken aus Metall. Die stehen nun in verschiedenen Varianten im schicken Laden mit Backsteinoptik, den er zusammen mit der Schneiderin Anja Zerlett führt.
Eine Spezialität sind historische Sportgeräte. „Wenn die Kunden die Böcke, Matten und Medizinbälle sehen, kommen sofort Reaktionen“, sagt Anja Zerlett. Jeder denke dann an seine Schulzeit zurück – die meisten mit Schrecken. Trotzdem oder gerade deshalb verkaufe sich diese Ware gut. Es gibt sogar einen Kunden, der schon mehrere Sportgeräte erworben und eigenhändig bis zum Hauptbahnhof geschleppt hat.
Das Geschäft läuft – auch wegen des Umfelds und der guten Lage. Zu den Kunden gehören auch immer wieder Prominente, die in den umliegenden großen Hotels wohnen und hier auch mal kleinere Mitbringsel wie Kerzenleuchter oder Porzellanfiguren kaufen. Eines Tages kam die Schauspielerin Helena Bonham-Carter herein. „Ich habe sie gar nicht erkannt“, gesteht Jan Cizek. Sie kaufte einige Dinge – und hinterließ sogar ihre Handynummer. Die hat Cizek noch gespeichert.
Oft verleihen die Inhaber schöne Stücke auch an Fernseh- und Filmproduktionen. „Da sage ich dann manchmal: Guck mal, da ist ja unsere Kommode“, so Cizek. Nur bei „Babylon Berlin“, da mussten sie passen. So viele 50er-Jahre-Sessel wie gewünscht konnten sie einfach nicht auf einmal liefern.
Besonders freut die beiden, dass zunehmend auch jüngere Kunden kommen. Die sagten dann: „Wir wollen weg von dem schwedischen Möbelhaus und und jetzt etwas Interessantes kaufen, das Bestand hat.“ Denen raten sie: Ruhig erstmal mit einem einzelnen Stück anfangen und es wirken lassen. „Lampen geben einem Raum sehr viel.“
Linus und die Trödelwelt
„Man muss schon bekloppt sein, um das zu machen.“ Michael Büttgen, besser bekannt als Entertainer Linus, lacht über sich selbst. Zehn Stunden pro Tag steckt er zur Zeit in seinen Handel mit Antiquitäten und die dazugehörigen Haushaltsauflösungen. Auf der Severinstraße und an zwei weiteren Standorten in Köln hat er seit 2012 seine „Königslust“-Läden – kunterbunte Reiche mit Kristall-Lüstern, 50er-Jahre-Möbeln, 80er-Jahre-Design, Kuriosa und Krimskrams. „Wir haben alles und wir können alles besorgen“, sagt er. Für die Kunden solle hier gleich beim Eintreten eine kleine Zeitreise beginnen.
Schon mit 17, 18 Jahren sei er fasziniert von Antiquitäten gewesen und habe sich für ihn selbst unerklärlicherweise ausgerechnet auf Bilderrahmen kapriziert. Erst im Nachhinein habe er erfahren, dass auch sein verstorbener Opa Bilderrahmen gesammelt habe. „Das glaubt man nicht, ist doch verrückt. Der hat dafür zuhause genauso viel Ärger bekommen wie ich.“
Das Wort „Trödel“ hört er nicht so gerne. Er verstehe sich mehr als „Konservator der schönen Dinge“. „Aber wenn man mich den letzten Trödler von Köln nennen würde, wäre ich stolz.“ In den 1980ern habe es Läden an jeder Ecke gegeben, aber das sei lange vorbei. Immer mehr kam aus der Mode: Gründerzeit wolle heute keiner mehr haben, Teppiche ebenfalls nicht und Pelze schon gar nicht.
Die Konkurrenz durch das Internet ist riesengroß. So muss das Angebot ständig angepasst, der Laden umdekoriert werden. Nachschub kommt unter anderem aus Haushaltsauflösungen, die zum Portfolio von „Königslust“ gehören. Da würden in einer Woche schon mal 400 Quadratmeter Wohnfläche leergeräumt und Brauchbares aussortiert.
Linus packt derzeit bei diesem Knochenjob selbst mit an, solange Auftritte noch nicht wieder möglich sind. Doch am 13. September geht es in der Volksbühne endlich wieder mit der „Linus Show“ los. Bis dahin wird weiter mit aller Kraft im Antiquitätengeschäft geackert. „Auch wenn am Ende des Tages herzlich wenig übrig bleibt“, sagt Linus ganz offen. „Aber mein Herz hängt daran und es macht Spaß, mit den Kunden in Kontakt zu kommen.“
Als nächstes plant er eine ganz besondere Auktion mit „ganz tollen Preisen“, um das Geschäft zu beleben. Näheres will er aber noch nicht verraten. Ein bisschen Show muss sein. „Ich muss bekloppt sein.“
Ulrich Doege und die wunderbare Welt der Bücher
Das Geschäft ist ein Traum und könnte sofort zu einer Filmkulisse werden. Ulrich Doege sitzt in seinem winzigen Antiquariat, die Bücher stapeln sich bis zur Decke, besonders wertvolle Exemplare sind in separaten Regalen gesammelt – ein bisschen „Harry Potter“, ein bisschen „Wilsberg“, ganz viel Atmosphäre.
Und dazu eine überraschend pragmatische Aussage: „Das Internet ist ein großes Glück für mich. Denn dadurch erreiche ich Käufer, die ich sonst nie erreicht hätte“, sagt Doege, der das Geschäft vor 20 Jahren gründete und es in den ersten Jahren schwer hatte.
Denn auch wenn das uni-nahe Umfeld am beschaulichen Weyertal in Sülz gut ist – von Laufkundschaft könnte Doege nicht leben mit seinem Angebot historischer Bücher zu den Themenbereichen Fotografie, Kunst und Philosophie sowie bibliophilen Bänden. Da gibt es zum Beispiel ein venezianisches Architekturbuch aus dem Jahr 1780 mit ausklappbaren Illustrationen für 450 Euro oder eine historische „Ulysses"-Ausgabe von 1930 für 280 Euro.
75 Prozent seiner Bücher verkauft Doege über seine Homepage. Er bringt sie eigenhändig zur Post und versendet sie in alle Welt. „Amerika bestellt wie jeck.“ Zuletzt hat er historische englische Gesetzestexte in die USA verschickt. Auch Chinesen ordern bei ihm – zum Beispiel einen China-Reisebericht eines deutschen Missionars aus dem 19. Jahrhundert. „Nur Afrika und die Eskimos haben bei mir noch nicht bestellt“, sagt er lachend.
Seine Schätze bekommt er aus hochwertigen Nachlässen. Seine Expertise hat sich in den 20 Jahren herumgesprochen und er wird benachrichtigt, wenn private Bibliotheken aufgelöst werden – von der Arztwitwe in Marienburg, dem Professorenhaushalt in Klettenberg oder der Opernsängerin in Lindenthal. In einem Fall fand er 5000 Bücher vor und die Nachkommen gaben ihm vier Jahre Zeit, um die wertvollsten Werke nach und nach herauszuholen. „Das war eine Flut von schönen Dingen, zu denen ich nicht nein sagen konnte.“
Doege hatte sich nach dem Verlust seine Arbeitsplatzes im Druckgewerbe mit der Gründung des Antiquariats einen Herzenswunsch erfüllt. Reich könne man damit nicht werden, sagt er. Aber Bücher werden, da ist er sicher, niemals aus der Mode kommen. „Und Antiquariate gehören ja auch zu einer Stadt. Es wäre doch schade, wenn es überall nur noch Nagelstudios gäbe.“
Oliver König und die Uhren
Es duftet nach Schlossmuseum. Die Wände sind in vornehmen Grün gehalten und ein feiner Streifen geprägter Tapete, die wie edler Stuck aussieht, schließt zur Decke ab. Überall tickt es. Oliver Königs Geschäft für antike Uhren in der Kreishausgalerie an der St.-Apern-Straße ist eine Wohltat für Augen und Ohren. Obwohl, das muss er gestehen: Das Ticken könnten auf die Dauer nicht alle aushalten.
Seit 2004 ist König in Köln, zunächst in der Gertrudenstraße, seit 2016 in der Kreishausgalerie. Er sei mittlerweile der letzte seiner Art in Köln, sagt er. Eine antike Uhr zu besitzen, das gehörte lange zum guten Ton. Besonders beliebt waren Comtoise-Uhren mit Pendel. „Die gingen früher immer weg, manche habe ich erst gar nicht im Laden aufgehängt, weil sie vorher schon verkauft waren.“ Sie wurden ab 1680 in der französischen Region Franche-Comté gebaut und waren einst ein beliebtes Sammelobjekt. Einfache Stücke kosten 1000 bis 1500 Euro.
Kaum noch Abnehmer gibt es auch für die schöne bemalte Uhr aus Süddeutschland aus dem späten 17. Jahrhundert. Wunderbar erhalten und ein Zeugnis der Geschichte – aber heute ein Ladenhüter. Dabei, so findet König, seien Uhren als Antiquitäten besonders interessant, weil sie zwei Gewerke umfassen: Technik und Kunst. „Ein Gemälde an der Wand nimmt man nach zwei Jahren nicht mehr richtig wahr. Aber auf eine Uhr schaut man regelmäßig, um die Zeit zu erfahren.“
Doch der Handel über das Internet macht es König schwer. Der Markt sei inzwischen extrem transparent geworden, jeder kann fast alles im Netz nachschauen – da verlieren Ladengeschäfte an Bedeutung. Außerdem habe sich der Geschmack geändert. „Wer heute Wertvolles sammelt, der kauft eher Armbanduhren oder Kunst der klassischen Moderne“, sagt König.
Zum 31. Dezember wird er deshalb schließen und die St.-Apern-Straße, die einst als die Antiquitäten-Straße von Köln galt, verliert einen der letzten Fixpunkte. Die Firma bleibt aber bestehen und König wird weiter Reparatur- und Restaurierungsarbeiten annehmen. Seine Hauptbeschäftigung wird aber weiterhin die eines Gutachters sein. Er ist ein von der Industrie- und Handelskammer „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Hausrat sowie antiker mechanischer Großuhren des 18. bis 20. Jahrhunderts“.
Und was geschieht mit den Uhrenschätzen, die jetzt noch im Geschäft ticken? Kleinere Exemplare wird er mit nach Hause nehmen. Ungewiss ist noch die Zukunft der 2,70 Meter hohen Barock-Standuhr von 1780 mit Nussbaumfurnier und Blattgold-Details. 18.000 Euro ist sie wert. Wäre das nicht etwas für ein Museum? Nein, sagt König, Museen haben für so etwas kein Geld.
Peter Grützmacher-Braun und die hohen Schränke
Sein teuerstes Stück ist ein 2,80 hoher französischer Schrank aus Kastanienholz. Der wurde um 1760 gebaut und kostet 6000 Euro. Das Prachtexemplar wartet schon lange auf einen Käufer. „Das ist der höchste Schrank, den ich je hatte“, sagt Peter Grützmacher-Braun.
Sein Lieblingsstück ist ein Biedermeierschrank aus Kirschholz aus dem Jahr 1810 für 4900 Euro. „Mit seinen klaren Linien zeitlos schön. Es ist faszinierend zu sehen, dass ein Möbelstück schon 200 Jahre alt ist und noch 200 halten wird.“ Mehr Nachhaltigkeit gebe es eigentlich nicht, zumal die Möbel auch ausschließlich mit biologischen Mitteln aufgearbeitet werden.
Grützmacher-Braun betreibt seit fast 30 Jahren das Geschäft „Antik Acente“ an der Aachener Straße in der Nähe des Aachener Weihers. Unikate vom Barock bis zur Modernen sind im Angebot, auch zu kleineren Preisen – doch der Verkauf geht seit langem zurück. Die 1980er Jahre sei die goldene Zeit gewesen, da habe es allein auf der Aachener Straße vier Antiquitätenläden und in der nahen Lindenstraße zwei gegeben, erzählt er. Die Leute hätten die angelieferte Ware manchmal schon vom Wagen aus gekauft.
Doch dann ging es schleichend bergab, der Markt war irgendwann gesättigt. „Die Eltern brauchten nichts mehr. Und die Kinder wollten sich anders einrichten.“ Die Eltern starben und durch die Nachlässe wurde noch mehr Ware auf den Markt gespült. Zudem kamen billige Nachahmungen meist aus Osteuropa. „Da waren die Leute dann verunsichert. Warum sollte man 900 Mark für einen Schrank bezahlen, wenn es einen ähnlichen auch für 300 gibt.“
Die meisten Kollegen von Grützmacher-Braun hörten irgendwann auf. Er blieb. Wie hat er das geschafft? „Durchhaltevermögen, die gute Lage, die eigene Werkstatt für individuelle Restaurierungen, gute Fachleute als Mitarbeiter“, sagt er. Er konnte sich halten und jetzt gehe die Tendenz langsam aber stetig nach oben.
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Optimistisch macht ihn, dass seit einiger Zeit auch wieder mehr junge Leute, vor allem Studenten, in seinen großen Laden kommen. Die wüssten zwar nicht, was Biedermeier ist, aber ließen sich im Gespräch oft für das Thema Möbel und deren Geschichte begeistern. „Am Ende sagen sie dann: Wenn ich später Geld verdiene, komme ich wieder.“
So wächst möglicherweise doch neue Kundschaft nach und das „Tal der Tränen“, wie er es nennt, ist bald durchschritten. „Ich bin ja jetzt der Letzte, der noch so ein Angebot hat.“ Und tatsächlich hat sich auch für den 2,80-Meter-Schrank kürzlich ein Interessent gefunden. Aus dem Agnesviertel, da gibt es ausreichend hohe Altbauwohnungen.