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TV-Star Horst Lichter„Solange ich die Menschen habe, fehlt mir das Kochen nicht“

Lesezeit 11 Minuten
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Horst Lichter im Kölner Hotel Savoy

  1. TV-Quasselstrippe und Ex-TV-Koch Horst Lichter moderiert seit 2013 die ZDF-Show „Bares für Rares“.
  2. Im Interview spricht er über sein neues Buch „Ich bin dann mal still: Meine Suche nach der Ruhe in mir“.

KölnHerr Lichter, wann haben Sie zum letzten Mal gekocht? Horst Lichter: Oh, das ist lange her. Tatsächlich ganz lange. Zu Hause kocht meine Frau, schon immer. Und das macht sie hervorragend. Wir sind zwar im Leben ein gutes Team, aber nicht in der Küche. Wenn ich was sage, kommt direkt: Dann mach es doch selber. Deswegen halte ich mich da schön bedeckt.

Fehlt Ihnen das nicht?

Nein, ich rede schon mal gerne übers Essen oder erzähle, wie man richtig kochen würde. Aber bei mir ist das so: Ich habe ja nicht Koch gelernt, weil Kochen meine Berufung ist, sondern weil das ein Mittel war, um Menschen an einen Tisch zu kriegen. Weil ich Menschen mag. Das kommt aus meiner Kindheit. Früher war es noch schön am Tisch. Da wurde noch erzählt, zwar nicht während des Essens, aber man hat sich immer am Tisch getroffen. So sehe ich das auch im Leben – alles dreht sich um den Tisch. Zur Taufe gibt es ein schönes Essen, zur Kommunion oder Konfirmation auch. Das erste Date, auch wenn wir Männer an andere Dinge denken, ist ein Essen. Die Hochzeit, die Verlobung, alles mit Essen. Selbst die Beerdigung. Heute ist Essen für die meisten Menschen ein lebensnotwendiges Übel im schnellen Rennen und Machen und Tun, Fastfood, der ganze Mist. Das kann man alles mal machen, aber es darf nicht üblich werden. Solange ich die Menschen habe, fehlt mir das Kochen nicht.

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Das Buch „Ich bin dann mal still: Meine Suche nach der Ruhe in mir.“ von Horst Lichter ist erschienen im Verlag Knaur Balance und kostet 18 Euro.

Als ich den Buchtitel gesehen habe, habe ich mich gefragt: Warum sucht der Stille? Der kann doch kochen. Mich beruhigt und entspannt kochen total.

Der Unterschied ist: bei ihnen ist das Hobby, ich verbinde das mit meinem ehemaligen Beruf. Ein Berufsmusiker wird auch nicht mehr für sich selber Musik machen. Der übt, damit er besser wird, aber er wird sich nicht selbst damit unterhalten. Ein Koch macht sich selber Essen, wenn er Hunger hat und es nicht anders geht. Die meisten Köche, die ich kenne, ob mit oder ohne Stern, machen sich gerne mal ein Butterbrot. Oder gehen irgendwo essen, wenn’s sein muss auch zum Imbiss. Bloß nicht selber machen. Ich hab gerne gekocht, aber das hat mich nicht beruhigt. Für 70 Gäste am Abend im Restaurant – da ist nix beruhigend! Da ist Power (lacht).

Menschen sind mein größtes Hobby – da ist auch zuhören wichtig

Ihr Buch heißt „Ich bin dann mal still“. Etwas despektierlich gefragt: Eine der größten Schwaadschnüssen des deutschen Fernsehens will auf einmal still sein? Wie kommt‘s?

Ich fand das Experiment, in ein Schweigekloster zu gehen, den Stress außen vor zu lassen, eine Woche lang nicht zu sprechen, wahnsinnig interessant. So kann ich einmal eine andere Seite zeigen von mir. Wenn man mich gut kennt, weiß man, dass ich sehr ruhig sein kann. Menschen sind mein größtes Hobby - da ist auch zuhören wichtig. Ich bin im Fernsehen oder in der Öffentlichkeit hauptsächlich der, der schwadroniert, der Geschichtenerzähler. Geschichten kann man aber nur erzählen, wenn man sie gehört oder erlebt hat.

Deswegen hatte ich von Kindheit an fast ausschließlich ältere Freunde, weil ich von denen was lernen konnte. Ich wollte schon als Junge wissen, was ein erfahrener Mann warum, wie gemacht hat? Von älteren Herrschaften hören, was sie erlebt, gelebt, überlebt haben. Jetzt kam der Verlag mit dem Projektvorschlag und ich habe gesagt: Dafür nehme ich mir Zeit. Ich bin dankbar dafür, dass alles so war, wie ich es erlebt habe, sonst wäre dieses Buch so nie entstanden. Im für mich falschen Schweigekloster aufzulaufen…

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Horst Lichter beim Gespräch im Kölner Savoy-Hotel

… aber es war schon ein Kloster?

Ja, aber eher so ein spirituelles, ohne Mönche. Nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte, aber das den Menschen, die das suchen, die dafür offen sind, genau das gibt, was sie zu finden hoffen. Ich hatte ein richtiges Mönchskloster erwartet, wo man morgens um vier aufsteht, zum stillen Gebet geht, im Garten arbeitet, Choräle summt. Dass ich dann in ein Schweigekloster komme, wo man Zen-Kurse macht, sitzen lernt, stehen lernen soll, obwohl man‘s schon kann und doch nicht kann, und irgendwann kommt’s, aber nicht jetzt und so weiter und so fort, dass man mit einer Klangschale umrundet wird, wenn man bäuchlings im Rasen liegt, dass man ‘ne Stunde an einer Scheibe putzt, die vielleicht zehn Zentimeter groß ist, um sich selbst zu finden, mit dem Unkraut redet, ob’s raus muss oder nicht, das waren alles so Dinge, die haben mir erstmal viel abverlangt. Vor allem, weil man nicht reden konnte. Selbst wenn ich gefragt hätte, hätte mir keiner Antwort gegeben. Das war schwierig, hat aber in mir etwas geschult, wovon ich immer gedacht habe, ich könnte es schon gut: Tolerant zu sein.

„Ab und zu mal einen Spiegel hochhalten ist nicht verkehrt“

Hat der Verlag Sie reingelegt?

Nein, ich habe denen ja keine Vorgabe gemacht. Da ich kein Schweigekloster kannte, haben die eins ausgesucht. Und so wurde dieses Abenteuer Schweigen noch viel interessanter. Ich hatte drei, vier Tage innere Ablehnung. Zeit, zu erkennen, was tun die da. Ist das okay für die? Wie bescheuert finde ich das? Das ist gar nicht so einfach. Und du hast keinen, mit dem du dich austauschen kannst. Wenn ein Kumpan dabei wäre, würdest du sagen: Guck dir den an, der hat ja richtig einen an der Waffel. Und drüber lachen. So hab ich mich gewundert, innerlich gelacht, mich verwehrt.

Dann hab ich gelernt: Halt, Stop, Hotte! Wenn du das nicht gut findest, heißt das nicht, dass das nicht gut ist. Nur vielleicht für dich nicht. Manche Menschen duschen gerne, andere baden lieber, wieder andere sagen „Nur einmal die Woche, das ist für meine Haut besser.“ Da kann man drüber lachen, es gut finden, oder es einfach tolerieren. Mir ist wichtig, keinem weh zu tun. Ich möchte keinem vorschreiben, was falsch ist, aber ab und zu mal einen Spiegel hochhalten ist nicht verkehrt. Ohne aber zu predigen. Denn das ist ganz grauenhaft.

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Dass es nicht Ihres ist, das spirituelle Programm, kommt deutlich zum Ausdruck. Sie haben sich ausgeklinkt.

Ja, ich bin Fahrrad gefahren, spazieren gegangen. Und dann kommt die Phase, wo man zur Ruhe kommt. Wo ich mich nur noch mit mir beschäftige, wo man auf ganz andere Gedanken kommt. Und das tut ausgesprochen gut. Wenn man im Alltag den immer gleichen Ablauf hat, und der ist voll, dann vergeht die Zeit sehr schnell. Urplötzlich sind Jahre vorbei. Im Leben ist es wichtig, mal an den Seitenstreifen zu fahren, mal kurz anzuhalten. Damit meine ich nicht einen Mallorca-Urlaub, das ist kein Anhalten. Einen richtigen Stopp. In sich gehen. Ist das alles richtig? Was mache ich da? Bin ich schon einer von denen, die nur maulen? Die die Schuld immer bei anderen suchen? Mache ich alles so richtig, sodass ich nachher sagen kann, ich bin mit mir zufrieden? Das waren Gedankengänge, die waren für mich wichtig.

„Wenn ich mich über dreckige Straßen beschwere, kann ich mich auch mal bücken“

Das Buch läuft ja dann auch in eine ganz andere Richtung.

Das Buch ist im ersten Drittel unterhaltsam und nett. Und dann wird es heftig. Dann geht es ans Eingemachte. Dass ich mich frage, was Neid ist in unserer Gesellschaft? Wieso die Missgunst exponentiell zunimmt? Woher kommt diese Gier heutzutage? Warum wird Verantwortung weggeschoben? Was ist aus dem Wort Toleranz geworden? Toleranz ist, wenn ich jede Hautfarbe auf der Welt akzeptiere. Aber wenn ich den beurteile, der das nicht tut, bin ich doch schon wieder selbst intolerant. Wenn tolerant, dann richtig. Wenn ich maule, muss ich auch was tun. Wenn ich mich über dreckige Straßen beschwere, kann ich mich auch mal bücken. Wenn ich möchte, dass die Erde nicht zu warm wird, muss ich meinen Teil beitragen. Das treibt mich extrem um. Man kann nicht mit dem Hund in den Wald gehen, die Kacke in einer Tüte einsammeln, und dann die Tüte mit der Kacke ins Gebüsch werfen. Hab ich erlebt. Ehrlich, das müsste kosten. Vieles ist so scheinheilig.

Sind Sie denn bei sich angekommen?

Es gibt zwei Fragen, die ich irgendwann mal stelle, die schwierigsten für mich im Leben. Man muss sie auch in der richtigen Reihenfolge stellen. Die erste ist: Mag ich mich? Sehr schwer zu beantworten. Damit meine ich nicht, was man mal schnell so flapsig dahinsagt wie „Ich würde mal gerne aussehen wie George Clooney, einen Waschbrettbauch haben, Milliardär sein.“ Sondern magst du dich so, wie du bist? Wenn man das beantworten kann, kommt die zweite, noch schwierigere Frage. Stell dir vor, du triffst dich selber mit 16 Jahren. Was würdest du deinem Ich damals sagen?

Gute Frage, keine Ahnung.

Wenn die erste Frage beantworten kannst, mit „Ja, ich mag mich“, musst du ihm eigentlich sagen, was ich meinem Ich sagen würde: „Es wird hart, aber alles wird gut“. Dann würde mein Ich nämlich die gleichen Fehler begehen, die gleichen Dummheiten machen, die gleichen Menschen verletzen, aber Ich würde Ich werden, den ich ja heute mag. Mache ich ihm aber Verbesserungsvorschläge, kommt ein anderes Ich heraus – von dem ich nicht weiß, ob ich es mag. Muss man sehr gut drüber nachdenken, dass man da nicht auf den falschen Weg rutscht.

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Schon lange nicht mehr in der Küche: Horst Lichter

Sie haben vorhin gesagt, früher war mehr am Tisch. Spricht das für mehr Egoismus heute?

Ja, das stimmt. Aber man lässt sich auch mehr beeinflussen. Das hört sich immer so - Entschuldigung - Scheiße an, wenn man das erzählt in unserem Alter. Als ich das erste Mal geheiratet habe, träumte man von einer Wohnung, die man sich leisten konnte. Was war in der Wohnung drin? Ein paar geschenkte Möbel von den Eltern und den Schwiegereltern, ein paar gebrauchte Sachen, ein alter Fernseher. Dann hast du gespart für einen schöneren Fernsehapparat, hast gearbeitet für ein neues Sofa. Hattest ein altes Auto, Hauptsache, es hatte zwei Jahre TÜV. Du hattest Ziele, auf die du hingearbeitet hast. Heute - habe ich das Gefühl, weil die Welt so ist wie sie ist und ohne sie zu verurteilen – zieht das junge Pärchen in eine Neubauwohnung, wenn es eine bekommt. Es ist komplett eingerichtet, mit neuen Möbeln: modernster Flachbildschirm, Dingsbumsboxen zum Spielen. Sie müssen immer alles jetzt haben. Die Gesellschaft lebt das vor, es wird ihnen ermöglicht. Ich frage mich, was richtiger ist.

Wir beklagen, dass junge Menschen so schnell und so wahnsinnig hoch verschuldet sind, aber es wird ihnen auch dargelegt. Du brauchst ein neues Sofa? Kein Thema, kauf jetzt, zahle in sechs Monaten. Nur 29 Euro pro Monat. Sie haben alle einen Taschenrechner. Könnte man mal rechnen, dass das 56 Jahre dauert, bis die ganze Hütte bezahlt ist. Machen sie aber nicht. Sie möchten aber auch zwei Mal im Jahr in Urlaub. Ganz wichtig.

Erster Urlaub mit der zweiten Frau

Wann haben Sie ihren ersten Urlaub gemacht?

Den ersten Urlaub? Mit der zweiten Frau. Kein Witz. Das heißt auch nicht, dass das richtig ist. Toleranz. Es ist nur, wie ich es erlebt habe. Mein Vater hat mir das vorgelebt, ich habe das übernommen: wenn man offiziell Urlaub hatte, hat man nebenbei gearbeitet. Das war vollkommen normal. Wenn ich in der Fabrik Urlaub hatte, bin ich auf dem Schrottplatz arbeiten gegangen, manchmal auch beides parallel. In der Kochlehre: Sechs Wochen Urlaub - in der Zeit hab ich in der Metzgerei geholfen, Grillfleisch zu machen. Ich habe immer nebenbei gearbeitet. Warum? Ich hatte ja Ziele. Ich wollte ein Moped. Meine zweite Frau hat dann gefragt: „Wo fahren wir denn hin in Urlaub?“ Wie in Urlaub? Warum? Das war grausam für mich, ernsthaft. Hotel in Spanien, schlechtes Essen, all you can drink, den ganzen Tag am Pool liegen. Ich war leider immer jemand, der was tun muss.

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Horst Lichter moderiert "Bares für Rares".

Zurück zum Buch. Ihre Sendung „Bares für Rares“ spielt da auch eine große Rolle. Eine Kollegin sagt, gerade in Corona-Zeiten hätte das Format so etwas beruhigendes, weil es sehr vorhersehbar ist. Ist das ein Teil des Erfolgs?

In dieser Sendung werden ein paar Dinge wieder gelebt, die in der heutigen Gesellschaft verloren gegangen sind. Es kommt pünktlich und täglich. Es wird jeder höflich, mit großer Aufmerksamkeit und viel Respekt behandelt. Es gibt immer Anfang, Mitte und Ende. Mal ist es ein kleiner Krimi: Kann‘s mehr Wert sein? Was bekommt sie wohl? Mal ist es eher eine Komödie, mal eine Tragödie. Echte Menschen, keine Schauspieler. Nicht geschrieben, sondern das wahre Leben. Egal, ob Katrina mit ihrer alten Tasse oder der Herr Professor mit einem alten Gemälde. Dieses Echte ist ein Sehnsucht bei den Menschen, insgeheim. Wir tun keinem weh.

Deshalb wird es dem Macher auch nicht langweilig.

Nein. Weil ich jeden Tag neue Menschen habe, neue Geschichten höre, immer dazu lerne. Und ich mag dieses Team unheimlich. „Bares für Rares“ ist ruhig, aber nicht still, da bin ich ganz bei mir.

Sie sind nach einigen Jahren aus dem Markgräflerland wieder ins Rheinland gezogen. Hat die Heimat gerufen?

Bitte nicht falsch verstehen, ich liebe meine Heimat! Aber meine Frau und ich, wir haben auch den Schwarzwald geliebt. Denn die Landschaft ist wunderschön. Es waren vor allem auch pragmatische Gründe. Da "Bares für Rares" in Puhlheim gedreht wird, konnte ich nicht abends einfach nach Hause und morgens zur Arbeit fahren. Das waren 500 km Entfernung. Das über viele Jahre ist dann doch sehr anstrengend. Und wir fühlen uns jetzt sehr wohl hier, haben ein schönes Haus und die Kinder und Enkelkinder in der Nähe.