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Drei Fragen an Astronaut Maurer„Der Mond ist das Geschichtsbuch der Erde“

Lesezeit 3 Minuten
Matthias Maurer steht im Trainingszentrum auf einer nachgebildeten Mond-Oberfläche

Matthias Maurer steht im neuen Trainingszentrum Luna, in dem die Oberfläche des Monds nachgestellt ist.

Astronaut Matthias Maurer war der bislang letzte Deutsche im Weltall. In Köln möchte er sich auf eine Reise zum Mond vorbereiten.

Welche Auswirkungen hat es auf das eigene Denken von oben auf die Erde zu blicken?

Matthias Maurer: Man entwickelt einen Weitblick und denkt an das große Ganze. Man erkennt, dass die Erde einzigartig ist vor diesem riesen, schwarzen, leeren Hintergrund. Mit dem allerersten Sekundenschlag aus dieser Weltraumperspektive wird klar: Das ist ein Juwel, auf dem wir leben, und dieses Juwel müssen wir schützen. Man erkennt auch, dass man gemeinsam viel mehr schafft. Auf der ISS sind wir ein internationales Team. Das war auch der Gedanke, den ich in das Luna-Konzept einbringe: Fangen wir nicht mit Bürokratie dort an – Luna ist offen, für viele, viele Menschen. Wer gute Ideen hat, ist bei uns willkommen und gemeinsam üben wir und spielen Dinge durch und dann haben wir viel schneller tolle Ergebnisse.

Welche wissenschaftlichen Fragen wollen Sie im All noch erforschen?

Maurer: Im All, im erdnahen Orbit möchten wir Schwerelosigkeitsforschung weiterführen. Wir stehen hier gerade unter dem ISS-Modell, dort machen wir das. Wir möchten in der Schwerelosigkeit Organoide züchten, sodass wir pharmazeutische Entwicklungen durchführen können. Mit einer gezüchteten Niere zum Beispiel, das wäre dann schon ein richtiges Organ. Dann können wir bessere Medikamente finden und viele Tierversuche einsparen. Experimente in der Schwerelosigkeit öffnen ganz neue Forschungsmöglichkeiten für die Pharmaindustrie. Dann will ich neue und bessere Werkstoffe entdecken. Und viel wissenschaftliche Basisdaten sammeln, die wir in Computermodelle einfüttern.

Der nächste Schritt ist parallel dazu zum Mond zu fliegen. Dort möchten wir Mondsteine sammeln und dadurch die Mondgeschichte besser verstehen. Die Mondgeschichte ist wichtig, weil sie auch unsere ist. Das heißt, wir lernen auf dem Mond sehr viel über uns selbst. Die Wissenschaftler sagen immer: Der Mond ist das Geschichtsbuch der Erde. Auf der Erde haben Wetter, Klima, Plattentektonik und Vulkanismus dafür gesorgt, dass ihre Oberfläche t immer neu und frisch ist – der Mond ist so geblieben, wie er entstanden ist. Und dort können wir in die Vergangenheit schauen.

Wir können auf dem Mond auch Wassereis finden in den tiefen Kratern im Polarbereich. Finden wir das, kommen wir vielleicht noch an „organische Ursuppe“, aus der das Leben entstand. Und das Wasser, was auf den Mond kam, kam auch zur gleichen Zeit auf die Erde. Das wäre der Beginn des Lebens. Eine Reise zum Mond ist auch eine Reise zu uns selbst.

Gab es auch Momente im All, in denen sie Angst hatten?

Maurer: Ja, natürlich. Beim Start, wenn diese Rakete richtig wuchtig hochgeschossen wird, da rutscht einem schon das Herz in die Hose. Es kann natürlich auch immer etwas schiefgehen, aber man muss der Technik vertrauen. Und man muss positiv denken und akzeptieren, dass man nur ein Mensch ist und ein Mensch hat Momente, in denen er ein bisschen zögerlich ist oder mal kurz Angst hat. Aber wenn man sich und dem Team vertraut, dann weiß man auch: Ich kann Dinge tun, die ich vor Monaten noch für unmöglich gehalten habe.

Dann wird es eher zu einer Angst um die Erde und darum, dass wir uns auf der Erde das Leben schwer machen. Da draußen ist es fast eine ideale Welt. Wir waren alle toll vorbereitet, die Raumfahrtnationen arbeiten zusammen. Ich habe auch in China trainiert und das Mindset unter den Astronauten ist überall gleich: Wir alle wollen gemeinsam etwas erreichen und erkunden. Das Problem ist eher, dass wir es uns auf der Erde viel zu schwer machen.