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Ausschreitungen in Nizza„Sie stürzten sich auf die FC-Fans wie Hyänen auf die Beute“

Lesezeit 5 Minuten
Überfall FC-Fans 130922

FC-Fans wurden vor dem Stadion in Nizza von einem Trupp vermummter Schläger überfallen.

  1. In Nizza wüteten Kölner Gewalttäter auf den Tribünen des Stadions.
  2. FC-Fan Bastian Breuer wurde vor dem Stadion mit 40 weiteren Kölner Fans von vermummten Schlägern angegriffen.
  3. Der Kölner schildert, wie die Situation eskalierte - und warum er später aus dem Stadion flüchtete.

KölnGewalttäter in den Vereinsfarben des 1. FC Köln sorgten am Donnerstag im Stadion „Allianz Riviera“ in Nizza für erschütternde Bilder. Bei den Ausschreitungen wurden Dutzende Menschen verletzt. Polizei, Staatsanwaltschaft und die UEFA ermitteln derzeit die Hintergründe. Unterdessen berichten Kölner Augenzeugen auch von Angriffen auf friedliche FC-Fans vor dem Stadion - einer ist Bastian Breuer. Hier ist sein Erlebnisbericht.

Morgens gegen 8.30 Uhr komme ich mit meinem Bruder mit dem Flugzeug in Nizza an. Bestes Wetter, Mittelmeer – es ist super. Wir gehen frühstücken, lassen uns danach ein bisschen durch die Stadt treiben und schlagen uns mit unserem Urlaubsfranzösisch durch. Spazieren durch den Yachthafen, bestaunen die Boote, gehen sogar ein bisschen im Meer schwimmen. Viele Kölner sind da, und je später der Tag, desto mehr Rot sieht man in der Stadt. Die Stimmung ist total friedlich.

Nachmittags gegen 16.30 Uhr fahren wir mit der S-Bahn zum Stadion. Unterwegs gibt es überragende Erlebnisse mit Nizza-Fans. Ein junger französischer Ultra-Fan – so nennt er sich selbst – gibt uns ein Heineken aus. Andere belächeln uns, als wir mit unseren kölschen Gesängen loslegen. Ein FC-Fan reicht einer älteren Dame in einem blauen Kleid eine Dose Kölsch. Die lacht, bedankt sich, zupft die Dose auf und stößt mit ihm an. Alles sehr friedlich und freundlich.

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„Wir sind ganz normale Fans, keine Schlägertypen“

Gegen 17.30 Uhr steigen wir aus. Mit 30 oder 40 weiteren FC-Fans gehen wir in Richtung Stadion. Ganz normale Fans, keine Schlägertypen oder so, überhaupt nicht. Links ist ein großer Ikea-Markt, uns kommen Leute mit Billy-Regal entgegen. Alles total entspannt. Plötzlich höre ich, wie vorne einer aus der Kölner Gruppe ruft: „Da sind sie!“ Und dann fangen auch schon Leute an zu rennen.

Ich gucke nach links und sehe zwischen einem Parkhaus und einer Baustelle eine Gruppe vermummter Menschen stehen, vielleicht 15 oder 20, später kommen noch mehr dazu, insgesamt waren das 40 bis 50. Sie haben Masken mit Fratzen an, tragen schwarze Quarzsandhandschuhe und halten weiße Latten in der Hand. Ich erschrecke mich total, da rechnest du ja nicht mit.

Und auf einmal rennen die los, sie suchen sich zwei, drei Kölner aus, gehen von hinten an die ran und knallen denen mit voller Wucht mit der Faust gegen die Schläfen. Es klatscht, und die drei fallen sofort zu Boden, sie haben überhaupt keine Chance. Mehrere Vermummte stürzen sich auf sie wie Hyänen auf ihre Beute. Sie treten und schlagen sie, rauben ihre Handys.

Ich stehe fünf oder sechs Meter entfernt und bin total konsterniert. Mein Bruder rennt direkt los und ruft in Panik: „Bastian, lauf! Lauf! Lauf!“ Ich sehe mich um und denke, da kommt gleich Polizei, vielleicht eine Reiterstaffel. Aber es kommt niemand. Nirgendwo Polizei oder Ordnungskräfte – niemand, der uns aus dieser Situation befreien könnte. In dem Moment springt einer der Schläger, der auf dem Boden kniet, auf und stürmt auf mich zu. Er hat ein helles T-Shirt an, trägt keine Maske.

„Polizisten stehen unbeteiligt am Rand“

Ich renne los, 50 bis 60 Meter im Vollsprint, bis zu einem großen Platz. Mein Bruder rennt auch weg. Wir haben die schiere Panik, dass die uns erwischen. Plötzlich fliegen Bengalos, ich weiß nicht, wer die zuerst geworfen hat. Überall ist Qualm. Ein paar Leute prügeln sich, auch Kölner sind nun aktiv dabei. Denen bin ich in diesem Moment fast schon dankbar, weil die sich wenigstens dazwischen geworfen haben. Denn es sind so viele Fans hier, die einfach nur Angst haben und die sich nicht schlagen können oder wollen.

Jetzt sehe ich auch die ersten Polizisten: Sie stehen ziemlich unbeteiligt am Rand, drei oder vier und dann vielleicht nochmal fünf ein Stück weiter. Polizeipräsenz kenne ich aus deutschen Stadien anders. Die wären auch sofort dazwischen gegangen. Aber hier geht erst einmal niemand dazwischen. Es fliegen Flaschen und Steine. Einer aus unserer Gruppe bleibt benommen liegen, kauert sich auf dem Boden zusammen, er hat eine Flasche abbekommen. Irgendwann greift auch die Polizei ein und schießt relativ freizügig Tränengas in die Menge.

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Wir gehen weiter zum Stadion, lassen das Chaos hinter uns. An einer ersten Kontrollstation werden wir freundlich durchgewunken. Es gibt Vorrichtungen für Drehkreuze, aber die stehen alle offen. Ich hole mein Ticket raus, muss es aber weder vorzeigen noch einscannen. Nur ein älterer Herr in einer Weste steht da und grinst uns freundlich an: „Kommt rein!“

„Er sieht, wie jemand sechs Meter in die Tiefe stürzt“

Unsere Plätze sind im Gästeblock. Wir hatten unsere Portion Adrenalin für heute schon, stehen noch völlig unter dem Eindruck des Chaos, das wir eben erlebt haben. Plötzlich entsteht Aufruhr im Stadion, Leute rennen hin und her, mein Bruder sieht, wie jemand aus dem Oberrang stürzt. Er ist emotional nun vollends bedient: Erst sieht er, wie ich vor dem Stadion halb unter die Räder komme, dann sieht er, wie jemand sechs Meter in die Tiefe stürzt. Es gibt einen Riesenlärm. Ich sehe, wie Väter im Unterrang mit ihren Kindern vor den eigenen Fans weglaufen, bloß irgendwie raus aus dem Stadion.

Dann knallt es, es leuchtet hellrot, Bengalos werden gezündet. Ich sage zu meinem Bruder: „Komm, weg, ich habe genug.“ Wir rennen zum Ausgang, aber alle Tore sind zu. Ich brülle einen Mann mit Leibchen an: „Open the door!“ Er drückt das Tor auf, und wir rennen in Panik raus. Irgendwann gelingt es uns, ein freies Taxi zu finden. Wir fahren weg vom Stadion. Die zweite Halbzeit gucken wir in einer Bar.

„Das muss dringend aufgeklärt werden“

Als ich jetzt den Brief des FC-Vorstandes an die Mitglieder gelesen habe, habe ich mich sehr geärgert. Natürlich ist es schlimm, was im Stadion geschehen ist, das muss aufgeklärt und geahndet werden. Aber was mit den eigenen Fans vor dem Stadion passiert ist, dass auch sie einer großen Gefahr ausgesetzt waren, das darf nicht ignoriert werden. Wo ist der Aufschrei? Wer waren diese Leute, die uns normale Fans überfallen und angegriffen haben? Wie kann man die zur Rechenschaft ziehen? Wieso konnten die uns überhaupt so unbehelligt auflauern und angreifen - direkt am Stadion? Ich finde, auch das muss dringend aufgeklärt werden.